Essen. Der Finanzinvestor Enkraft fordert vom RWE-Management eine schnelle Trennung von der Braunkohle. Wie Vorstand und Aufsichtsrat darauf reagieren.
Ein aktivistischer Finanzinvestor attackiert massiv das Management von RWE. Der Vorstand sei mit dem Umbau des Dax-Unternehmens vom Braunkohle-Konzern zum grünen Stromerzeuger überfordert und der Aufsichtsrat schaue dabei tatenlos zu, kritisiert die bayrische Enkraft Capital. Der in Unterhaching sitzende Ökostrom-Investor fordert eine Abtrennung des Geschäfts mit der klimaschädlichen Braunkohle und andernfalls die Abberufung von Vorständen und Aufsichtsräten. Das macht er in Briefen an diese Konzerngremien deutlich, die unserer Redaktion vorliegen.
Kleines Aktienpaket, große Forderungen
Enkraft gibt an, mindestens 500.000 RWE-Aktien zu halten. Das liegt im Promillebereich und versetzt den Investor nicht annähernd in die Lage, allein einen Strategieschwenk anzustoßen. RWE nimmt die Angriffe offenkundig dennoch ernst, was aus einem Antwortschreiben von Aufsichtsratschef Werner Brandt an Enkraft-Geschäftsführer Benedikt Kormaier und einer Reaktion von Vorstandschef Markus Krebber herauszulesen ist. Das mag auch an leidvollen Erfahrungen anderer Konzerne mit aktivistischen Aktionären liegen, die mitunter Vorstände zu Fall bringen oder zumindest heftig unter Druck setzen.
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Das können sie, indem sie sich entweder größer einkaufen oder indem sie andere Investoren auf ihre Seite ziehen, was offenbar Enkraft bei RWE versucht. Immer mit dem Ziel, den Aktienkurs nach oben zu treiben, um gewinnbringend wieder auszusteigen. 2018 hatte der gefürchtete US-Finanzinvestor Elliott den Thyssenkrupp-Konzern mitten in seiner harten Umbauphase aufgemischt.
Enkraft fordert schnelle Loslösung von der Braunkohle
Enkraft hat sich auf Beteiligungen im Segment der Erneuerbaren Energien spezialisiert, das in Zeiten der Energiewende als extrem wachstumsstark gilt. Viele große Banken, Versicherungen und Fonds gestalten ihre Geldanlagen längst möglichst grün und meiden Konzerne, deren Geschäfte noch mit Kohle und anderen fossilen Brennstoffen zu tun haben. Dass RWE noch an der Braunkohle festhalte, schrecke viele Investoren ab, moniert Enkraft. Eine „schnelle und entschlossene Loslösung des Braunkohlegeschäfts“ sei daher „die dringlichste strategische Aufgabe“, die das RWE-Management nicht entschlossen genug angehe. Dabei berge dies die Chance auf enorme Wertsteigerungen des Konzerns.
In einem ersten Brief an den Vorstand bescheinigt Enkraft selbigem, damit „überfordert“ zu sein, den Braunkohleausstieg und grünes Wachstum gleichzeitig zu forcieren. Statt sich auf einen mit der Politik ausgehandelten langfristigen Ausstieg einzulassen, müsse er im Sinne des Konzerns und seiner Aktionäre proaktiv einen Plan für die Abtrennung der Kohle vorlegen. Wo das gesellschaftliche Interesse das unternehmerische überwiege, solle der Staat in die Pflicht genommen werden, sprich bei der Abwicklung der Braunkohle.
RWE-Chef Krebber: Über das Ziel sind wir einig
RWE-Chef Krebber antwortete darauf unlängst in einem FAZ-Interview: „Über das Ziel sind wir uns mit Enkraft einig. Natürlich wollen wir für unsere Aktionäre höhere Werte schaffen und den Kurs verbessern. Aber nicht einig sind wir uns über den richtigen Weg dahin.“
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In dieser Woche nahm der Disput neue Fahrt auf. Enkraft forderte von RWE-Chefkontrolleur Werner Brandt: „Sollte der Vorstand in naher Zukunft nicht doch noch erkennen lassen, dass er an der Umsetzung überzeugender und baldiger Lösungen (...) arbeitet, wird der Aufsichtsrat nicht umhinkommen, die Besetzung des Vorstands kritisch zu hinterfragen.“ Auch scheine „zweifelhaft, ob der Aufsichtsrat diesen Herausforderungen inhaltlich und in der jetzigen Konstellation gewachsen ist“.
50 Milliarden Investitionen in Ökostrom
In seiner Antwort vom Mittwoch weist Brandt dies „entschieden zurück“ und nimmt auf die „Growing Green“ genannte Strategie des Vorstands Bezug: Bis zum Jahr 2030 sind Investitionen in Erneuerbare Energien von 50 Milliarden Euro geplant. Bis dahin sollen auch zwei Drittel der Braunkohlekapazitäten vom Netz gehen, bis zum Jahr 2040 will RWE klimaneutral sein. Der Aufsichtsrat sei in diese Strategie vom Vorstand „auf das Engste eingebunden“ worden.
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Gegen eine sofortige Trennung von der Braunkohle führt Brandt ins Feld, dass RWE die Versorgungssicherheit gewährleisten müsse sowie für seine Beschäftigten und die Rekultivierung der Tagebaue verantwortlich sei. Er betonte, der Aufsichtsrat stehe geschlossen hinter der Strategie des Vorstands. Schon tags darauf antwortete Enkraft-Geschäftsführer Kormaier auf den Brandt-Brief, er sehe sich durch seine Ausführungen „eher bestätigt“. Ebenso durch das Bundeskartellamt, das RWE am Donnerstag eine marktbeherrschende Stellung in der Stromerzeugung bescheinigte und dies mit einer schärferen Kontrolle der konventionellen Kraftwerke verknüpft.
Viel Wirbel vor der RWE-Hauptversammlung
Dass in diesen Tagen viele Nachrichten rund um RWE zusammenfallen, ist möglicherweise kein Zufall. Ende April ist Hauptversammlung, in deren Vorfeld Investoren bevorzugt ihre Forderungen platzieren. Der Vorstand wiederum demonstrierte am Donnerstag Stärke, indem er seine Gewinnprognose für das laufende Jahr anhob. Der Kampf um die Deutungshoheit der Zahlen ist eröffnet.
Nicht nur Enkraft sieht in der RWE-Aktie umso größeres Potenzial, je schneller die Essener aus der Kohle aussteigen. Das weiß der Vorstand nur zu gut, sieht sich aber an den mit der Bundesregierung vereinbarten Ausstiegspfad bis spätestens 2038 gebunden. Dass RWE-Chef Krebber im Vorfeld und nach der Bundestagswahl mehrfach betonte, offen für einen früheren Ausstieg zu sein, zahlte bereits auf die Forderung der Grünen nach einem Ausstieg bis 2030 ein, der nun erklärtes Regierungsziel ist.
Aktie stieg zuletzt um ein gutes Drittel
Das Management kann aktuell eine stattliche Steigerung des Aktienkurses vorweisen, das RWE-Papier legte seit Juli 2021 von knapp 29 Euro bis zu diesem Freitag um rund ein Drittel auf gut 38 Euro zu. Analysten wie Guido Hoymann vom Bankhaus Metzler bescheinigen RWE eine „exzellente Position“ in der Energiewende und große Wachstumschancen im Ökostrombereich in diesem Jahrzehnt.
Enkraft erklärt die zuletzt gute Aktienkursentwicklung dagegen vor allem mit den gestiegenen Strompreisen. Mit einer Trennung von der Braunkohle lasse sich der Börsenwert des Dax-Konzerns von derzeit gut 26 Milliarden Euro um weitere 16,5 Milliarden steigern, was 24 Euro je Aktie entspreche. Eine Aussicht, die auch anderen Aktionären gefallen könnte.