Essen/Duisburg. Für Freitag ruft die IG Metall zu einer Großkundgebung in Duisburg bei Thyssenkrupp auf. Sie sieht Tausende Jobs in der Stahlindustrie bedroht.
Die IG Metall und Arbeitnehmervertreter warnen davor, mit den Klimaschutzplänen der Europäischen Union die Stahlindustrie in Deutschland in den Ruin zu treiben. Die EU-Kommission hatte ein Klimapaket mit dem Namen „Fit for 55“ präsentiert, das zum Ziel hat, die Kohlendioxid-Emissionen massiv zu senken. „Die konkreten Auswirkungen aus dem ‘Fit for 55’-Paket bedrohen Tausende von Arbeitsplätzen in der Stahlindustrie“, sagte der Vize-Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp Steel und IG Metall-Vertreter Detlef Wetzel. Die Stahlindustrie müsse nach diesen Plänen den Umbau zu einer klimafreundlichen Produktion noch schneller mit Milliardensummen vorantreiben und zugleich Milliardenbeträge für CO2-Zertifikate zahlen. „Mit dem jetzigen ‘Fit for 55’-Paket wird es keine grüne Transformation mit Stahl geben. Mit dem jetzigen ‘Fit for 55’-Paket wird es überhaupt keinen Stahl mehr geben“, so Wetzel.
Für Freitag (29. Oktober) plant die Gewerkschaft eine Großkundgebung vor den Werkstoren von Thyssenkrupp Steel in Duisburg mit rund 5000 Beschäftigten. Arbeitnehmervertreter hoffen auf Unterstützung der neuen Bundesregierung, die voraussichtlich von Olaf Scholz (SPD) angeführt wird. Der neue NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) will überraschend auch vor den Beschäftigten der Stahlindustrie bei der Großkundgebung vor den Werkstoren von Thyssenkrupp in Duisburg sprechen, heißt es in Gewerkschaftskreisen.
Bundesweit plant die Gewerkschaft am Freitag in mehr als 50 Städten Kundgebungen, vielerorts vor Werkstoren – wie bei Mercedes in Düsseldorf, ArcelorMittal in Bremen und MAN Energy Solutions in Augsburg.
Vor der Hauptverwaltung von Thyssenkrupp Steel in Duisburg erwartet die IG Metall an diesem Freitag mehrere Tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Während in Berlin die Koalitionsverhandlungen von SPD, Grünen und FDP laufen, macht die Gewerkschaft Druck – und eine Botschaft lautet: Es geht nicht nur ums Klima, sondern auch um Jobs.
IG Metall warnt vor „staatlich verordnetem Outsourcing“
„Dass es notwendig und sinnvoll ist, die globale Erwärmung zu stoppen, kann doch niemand ernstlich bestreiten“, sagt Detlef Wetzel, der frühere Gewerkschaftschef. „Aber eines ist doch auch klar“, hebt Wetzel sogleich auch hervor, „wenn Klimapolitik zu dramatischen sozialen Folgekosten führt, dann wird es für Klimapolitik auch keinen dauerhaften gesellschaftlichen Rückhalt geben.“
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Die Zukunft von Thyssenkrupp Steel steht bei dem bundesweiten Aktionstag der IG Metall besonders im Fokus. „Wir brauchen nicht drum herumreden: Die Stahlindustrie in Deutschland ist gefährdet“, sagt Wetzel im Gespräch mit unserer Redaktion. „Ich glaube, einige Leute verstehen einfach nicht, dass wir absolut nichts gewinnen, wenn in Zukunft unsere Produktionsanlagen nicht mehr in Deutschland stehen. Das wäre staatlich verordnetes Outsourcing.“
Ruf nach milliardenschwerer Hilfe vom Staat
Tekin Nasikkol, der Gesamtbetriebsratschef von Thyssenkrupp Steel, warnt davor, dass Deutschland beim Aufbau einer klimaneutralen Produktion den Anschluss verlieren könnte. So hatte Mercedes angekündigt, sich als erster Pkw-Hersteller am schwedischen Start-up H2 Green Steel (H2GS) zu beteiligen. Die junge Firma will in Nordschweden eine fossilfreie Stahlproduktion in großem Maßstab aufbauen.
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Es gebe auch in Deutschland die Chance, CO2-freien Stahl herzustellen, sagt Nasikkol. „Die Transformation kann aber auch das schleichende Ende der deutschen Stahlindustrie einläuten“, warnt er.
Nasikkol fordert, die neue Bundesregierung müsse einen zehn Milliarden Euro schweren „Transformationsfonds“ für den Umbau der Stahlindustrie bis zum Jahr 2030 auf den Weg bringen. Über alle Branchen hinweg seien noch viel größere Summen erforderlich, heißt es bei der IG Metall. Die Gewerkschaft fordert öffentliche Investitionen in Höhe von 500 Milliarden Euro in Infrastruktur, Zukunftstechnologien und die Qualifizierung der Beschäftigten für die kommenden knapp zehn Jahre.