Dortmund. Das Dortmunder Software-Haus wurde als kleines Start-up gegründet. Jetzt hat das Unternehmen seinen 5000. Mitarbeiter eingestellt.
Die Geschäftsidee - eher unspektakulär. Einsatz moderner Informationstechnologie heißt das Produkt, mit dem Volker Gruhn und sein Partner Rainer Rudolf 1997 den Markt erobern wollen: IT-Dienstleistungen für Unternehmen. Sechs Wochen geben sich die beiden Informatiker aus Dortmund damals – dann soll der erste Kunde da sein. Andernfalls würden sie das Projekt wieder einstampfen. Der erste Kunde kommt, knapp vor Ablauf der Sechs-Wochen-Frist. Und die kleine Software-Schmiede geht unter dem Namen „adesso“ an den Start. Das italienische Wort bedeutet: jetzt.
Europäische Aktiengesellschaft
23 Jahre später ist aus dem Zwei-Mann-Betrieb ein international aufgestelltes Unternehmen geworden, das nach den Kennziffern auf Konzerngröße angewachsen ist. Die Adesso SE ist inzwischen eine europäische Aktiengesellschaft, die gerade ihren 5000. Mitarbeiter begrüßt hat. Mit 41 Niederlassungen ist das Dortmunder Softwarehaus in deutschen Metropolen und fast allen europäischen Ländern vertreten. Jeder sechste Beschäftigte arbeitet im Ausland. Jüngst eröffnete man ein Büro in Boston.
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Und das Geschäft brummt. Trotz der Pandemie liegen die Zahlen im laufenden Jahr über den Erwartungen der Unternehmensleitung. Umsatz und Gewinn haben im dritten Quartal neue Rekordwerte erreicht. Fürs Gesamtjahr hofft Adesso, erstmals in der Firmengeschichte bei den Einnahmen die Marke von einer halben Milliarde Euro knacken zu können. Beim Jahreserlös (Ebitda) peilt man ein Ergebnis zwischen 55 und 65 Millionen an.
Das Geschäft brummt
Vom Start-up zum Softwareriesen – aus dem Blickwinkel heutiger Gründer im Ruhrgebiet muss der Aufstieg von Adesso kometenhaft anmuten. Nicht einmal ein Vierteljahrhundert brauchten die Dortmunder, um eine feste Größe in der deutschen IT-Branche zu werden. Auf IT-Technik made in Dortmund schwören inzwischen namhafte Versicherungen, Banken und Finanzdienstleister, aber auch Krankenkasse, Lotto-Gesellschaften, Energieversorger, Verwaltungsbehörden, die Automobilbranche, Verkehrsbetriebe und der Handel.
IT-Lösungen für die Industrie
Adesso hat sich auf die Entwicklung von IT-Technologie im Kerngeschäft der Kunden spezialisiert. Es geht nicht um klassische Buchhaltungsprogramme, sondern um Anwendungen in der industriellen Fertigung, um Online-Dienste von Automobilherstellern, um den Vertrieb in Internetshops oder digitale Schulungsformate. Zum Kundenportfolio gehören so klangvolle Namen wie die Commerzbank, Union Investment, Münchener Rück, DAK, Daimler, Bosch, TÜV Rheinland und das Beschaffungsamt des Bundesinnenministeriums.
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Was war der Schlüssel zum Erfolg? Adesso ist eine typische Ruhrgebietserfindung, mit westfälischem Einschlag. Bodenständig eben, das Firmenlogo beginnt mit dem kleinen a. Volker Gruhn und sein Partner Rainer Rudolf haben damals einfach „losgelegt“. Hübsch klingen sollte wenigstens der Name. Gruhn erinnert sich: „Wir wollten keine Drei-Buchstaben-Abkürzung, sondern ein Wort, das gut sprechbar ist.“ Auf Adesso kam er zufällig, weil er gerade einen Italienischkurs belegt hatte.
„Den Begriff Gründerszene kannte man damals nicht“
IT-Dienstleister gab es 1997 noch nicht so viele. Aber der Markt war da, öffentliches Geld für Gründer jedoch kaum. Adesso kam ohne Anschubfinanzierung auf die Beine. „Den Begriff Gründerszene kannte man damals gar nicht. Wir haben uns überhaupt gar keine Gedanken darüber gemacht, ob uns jemand Geld geben könnte“, erzählt Gruhn. Für Start-ups sei die Situation heute sicher eine andere, sagt der heutige Aufsichtsratschef des Unternehmens. Gruhn: „Es ist gut, dass es inzwischen eine systematische Förderung von Start-ups und Gründern gibt. Dass ein paar Studenten einfach ihre Bafög-Reste zusammenkratzen, das funktioniert heute nicht mehr.“
Dortmund ist der Kern
Aus Dortmund und dem Ruhrgebiet wegzugehen, war für Gruhn und seine Mitstreiter nie ein Thema. „Wir sind hier verwurzelt. In der Dortmunder Politik haben wir immer ein offenes Ohr gefunden“, sagt der 57-Jährige, der heute noch in seiner Heimatstadt wohnt und an der Uni Duisburg-Essen als Informatik-Professor lehrt und forscht. Auch Adesso-Personalvorstand Dirk Pothen bestätigt: „Der Firmensitz in Dortmund ist Teil der Unternehmenskultur. Adesso ist hier mit insgesamt über 1000 Mitarbeitern vor Ort. Wir sind BVB-Sponsor.“
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Dortmund ist der Kern. Längst residiert das Unternehmen an der eigenen Adresse. Dort, am Adessoplatz 1 im Neubaugebiet Stadkrone Ost nahe der B1, stehen die Zeichen seit Jahren auf Wachstum. Zwar gibt es keine „strategische Roadmap für die Welteroberung“, aber wachsen will Adesso in allen Bereichen. „Natürlich bekommen wir die Folgen der Corona-Krise zu spüren“, sagt Gruhn. Der Automobilsektor war in den letzten zwei Jahren stärkster Wachstumstreiber und ist es seit der Pandemie nicht mehr. Gleichzeitig profitiere Adesso von seinem Engagement in der Gesundheitswirtschaft. Pothen: „Wir sind breit aufgestellt.“
Fachkräftemangel ist für Adesso kein Thema
Vom branchentypischen Fachkräftemangel ist Adesso nach eigenen Angaben kaum betroffen. „Wir haben keine Probleme, qualifizierte Software-Entwickler zu finden. In diesem Jahr sind bei uns international mehr als 35.000 Bewerbungen eingegangen und wir haben rund 1000 Bewerber eingestellt“, sagt Personalvorstand Pothen. Das liege auch am guten Ruf von Adesso als Arbeitgeber. Pothen: „Die Attraktivität als Arbeitgeber ist für uns der Hauptzugang zum Arbeitsmarkt.“
In die Firmenzukunft blicken Pothen und Adesso-Gründer Gruhn ohnehin optimistisch. Nächstes Etappenziel sind 10.000 Mitarbeiter. Mit der oft als schleppend kritisierten Digitalisierung hierzulande hadern sie nicht. „Die Digitalisierung dauert in Deutschland etwas länger, was auch am eng gesteckten Ordnungsrahmen etwa beim Datenschutz liegt“, sagt Gruhn. Wenn die Dinge aber einmal geregelt seien, laufe es gut in Deutschland. Gruhn: „Corona hat den Prozess noch einmal beschleunigt. Denn die Affinität zur Digitaltechnik ist höher geworden.“
>>>>> Info:
Mit dem Programm „She for IT“ (Sie für IT) will Adesso gezielt Frauen in der IT-Branche fördern. Bis 2022 sollen unter anderem 40 zusätzliche weibliche Führungskräfte „auf allen Ebenen“ eingestellt werden. Der Frauen-Anteil in der Branche liegt bei mageren 17 Prozent. Auch die 5000. Adesso-Kraft ist eine Frau: IT-Managerin Manja Dathe-Marchlewitz.