Duisburg. Vizekanzler Habeck in Duisburg: Der Grünen-Politiker signalisiert Thyssenkrupp Unterstützung beim Aufbau einer klimaneutralen Stahlproduktion.
Gleich zu Beginn seines Besuchs bei Thyssenkrupp in Duisburg soll Wirtschaftsminister Robert Habeck mit Konzernchefin Martina Merz in die Zukunft schauen – jedenfalls in die Zukunft, wie sie sich Deutschlands größter Stahlkonzern vorstellt. Ein Imagefilm, der im Besucherzentrum des Unternehmens läuft, zeigt „Duisburg 2045“: Ein fiktiver Opa blickt im Gespräch mit seiner Enkelin zurück darauf, wie es damals war, als Thyssenkrupp die Hochöfen abbaute. „Stahl ohne Kohle, das konnten sich die meisten gar nicht vorstellen“, erzählt der Schauspieler, während er durch eine grüne Landschaft läuft. Statt Kohle sei dann Wasserstoff zum Einsatz gekommen, die Produktion klimaneutral geworden. „Ich bin richtig stolz auf Dich, Opa“, sagt das Mädchen, das nach der Vorstellung der PR-Strategen auch selbst einmal im Stahlwerk arbeiten will. Während der Film läuft, flüstern sich Merz und Habeck etwas ins Ohr. Es ist ein freundlicher Empfang für den Grünen-Politiker, der aus Sicht von Thyssenkrupp einer der entscheidenden Akteure der neuen rot-gelb-grünen Bundesregierung ist.
Schließlich ist klar, dass der Ruhrgebietskonzern mit seinen weltweit etwa 100.000 Beschäftigten maßgeblich auf Unterstützung des Staates angewiesen sein wird, um den anstehenden milliardenschweren
Umbau seiner Stahlproduktion finanzieren zu können. Vorstandschefin Merz redet nicht um den heißen Brei herum. „Wie Sie wissen, brauchen wir Ihre Unterstützung“, sagt sie gleich nach der Begrüßung, während der Minister neben ihr steht und zuhört. Am Ende applaudiert Habeck höflich. Von seinem Besuch geht das Signal aus, dass er Thyssenkrupp beim Aufbau einer klimaneutralen Produktion unterstützen will.
Thyssenkrupp wiederum sendet die Botschaft aus, bereit zu sein für einen Umbau von historischer Größenordnung. In den kommenden Jahren stehen nach Darstellung von Thyssenkrupp-Stahlchef Bernhard Osburg Bauarbeiten an, die nach derzeitigen Berechnungen des Unternehmens Investitionen in Höhe von sieben Milliarden Euro erfordern. Wenn alles gut läuft, soll auf einem Industrieareal, das fünf Mal so groß ist wie Monaco, ein Paradebeispiel für die grüne Transformation entstehen.
Auf dem Baufeld für die geplante Direktreduktionsanlage in Duisburg
Auf seiner Fahrt im Tross mit Dienstlimousinen und Delegationsbussen zum künftigen Baufeld kann Habeck allerdings zunächst einmal den Ist-Zustand betrachten: hohe Schornsteine der Sinteranlagen, in denen Erz für die Hochöfen vorbereitet wird; eine 800 Meter lange Kokerei, aus der Flammen lodern und in regelmäßigen Abständen Dampf aufsteigt; daneben die Hochöfen, die seit vielen Jahrzehnten die Stahlindustrie symbolisieren. Es sind Anlagen, die nicht mehr gebraucht würden, sollte „Duisburg 2045“ Realität werden.
Noch ist auf dem Baufeld für die geplante erste wasserstoffbasierte Direktreduktionsanlage – kurz DR-Anlage – nicht viel zu sehen. Aber eine Karte, die Thyssenkrupp-Chefin Merz vor Habeck ausbreitet,
skizziert, was der Konzern auf dem Gelände vorhat. Bislang dient das Areal als Lagerplatz für riesige Stahlblöcke, sogenannte Brammen, aus denen später Autobleche werden sollen. Im Jahr 2025 soll hier die erste DR-Anlage – kombiniert mit einem Einschmelz-Aggregat – einen kohlebasierten Hochofen ersetzen. 150 Meter hoch wird die neue Anlage voraussichtlich, in etwa so hoch wie der Kölner Dom.
Da klimaneutraler Wasserstoff derzeit noch knapp und teuer ist, plant Thyssenkrupp den Betrieb zunächst mit Erdgas, wie Stahlchef Osburg auch beim Besuch von Habeck bekräftigt. Die Russland-Ukraine-Krise ist in diesem Zusammenhang alles andere als ein gutes Omen. Am Rande seines Besuchs in Duisburg stellt der Minister klar, dass die umstrittene neue russische Pipeline Nordstream 2 in der gegenwärtigen Situation in Deutschland nicht genehmigt werden könne. Umso wichtiger dürfte auch aus Sicht von Thyssenkrupp werden, möglichst schnell und im großen Stil mit Hilfe von erneuerbaren Energien die Produktion von Wasserstoff aufzubauen.
„Die öffentliche Hand wird einen Beitrag leisten, der eklatant ist“
Nicht zufällig gehört zu Habecks Reiseroute auf dem Thyssenkrupp-Werksgelände auch ein Zwischenstopp in der Halle des Projekts Carbon2Chem. Zu besichtigen ist hier eine kleine Elektrolyseanlage, die illustrieren soll, dass Thyssenkrupp im Konzern über Potenzial verfügt, um selbst Anlagen für die Produktion von grünem Wasserstoff zu bauen. Das entsprechende Geschäft will Thyssenkrupp mit der neuen Marke Nucera an die Börse bringen – oder zumindest finanzstarke Partner für eine Wachstumsstory gewinnen.
Ob er an die Technologie für die Produktion von grünem Stahl glaube, wird Habeck auf dem Baufeld in Duisburg gefragt. „Absolut“, antwortet er. Der Minister lässt auch keinen Zweifel daran, dass es eine staatliche Anschubfinanzierung geben wird. „Die öffentliche Hand wird einen Beitrag leisten, der eklatant ist“, sagt er, ohne eine genaue Summe zu nennen. Auch eine staatliche Förderung, um die zunächst höheren Produktionskosten für klimaneutralen Stahl auszugleichen, werde es geben. Ein „niedriger einstelliger Milliardenbetrag“ innerhalb von vier Jahren sei realistisch. „Das sind Investitionen in die Zukunft“, sagt Habeck.