Essen. Bei der Hauptversammlung des Essener Energiekonzerns Eon hinterfragen Aktionäre die Beteiligung an der russischen Gas-Pipeline Nord Stream 1.

Dass der Essener Energieversorger Eon an der Erdgas-Pipeline Nord Stream 1 festhält, hat bei der Hauptversammlung des Konzerns Kritik hervorgerufen. Thomas Deser von der Fondsgesellschaft Union Investment hinterfragt, ob sich Risiken für Eon durch die Beteiligung an der Pipeline ergeben könnten, die mehrheitlich Russlands Staatskonzern Gazprom gehört. Eon hält über seinen Pensionsfonds 15,5 Prozent an Nord Stream 1. Durch die Ostsee-Pipeline wird Gas aus russischer Förderung nach Deutschland transportiert.

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre bemerkt, dass der Eon-Vorstand um Konzernchef Leonhard Birnbaum „trotz Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine“ weiter an der Nord-Stream-Beteiligung festhalten wolle. Zwar sei ein Verzicht auf russisches Gas nicht leicht, doch der Eon-Vorstand scheine „nicht weitgehend genug zu prüfen, dass eine Unabhängigkeit russischer Erdgasimporte schnellstmöglich erreicht werden kann“.

Birnbaum hatte bei der Bilanzvorlage Mitte März erklärt, trotz des Ukraine-Kriegs an der Milliardenbeteiligung an der Ostsee-Pipeline festhalten zu wollen. Ein Ausstieg „steht nicht zur Debatte“, sagte Birnbaum. Die Anteile seien in der aktuellen Lage unverkäuflich, „wir könnten sie nur den Russen schenken“. Die Anteile, deren Wert Birnbaum mit mehr als einer Milliarde Euro bezifferte, gehören zum Pensionsvermögen des Konzerns.

Engagement von Eon in Russland durch Abspaltung von Uniper verringert

Nach Angaben des Unternehmens warf die Pipeline im vergangenen Jahr ein Ergebnis von rund 442 Millionen Euro ab, etwa 60 Millionen davon für Eon. Nord Stream 1 wurde vor mehr als zehn Jahren in Betrieb genommen. Mit Nord Stream 2 sollte eine weitere Pipeline hinzukommen. Doch wegen des Angriffs von Russland auf die Ukraine liegt das Projekt auf Eis.

Insbesondere durch die Übernahme des Essener Gashändlers Ruhrgas vor rund 20 Jahren hatte Eon enge Verbindungen zur russischen Energiewirtschaft. Durch die Abspaltung der früheren Konzerntochter Uniper, die mittlerweile mehrheitlich dem finnischen Staatskonzern Fortum gehört, hat sich das Engagement von Eon in Russland deutlich verringert. Eon habe vor der Abspaltung von Uniper jahrelang an der wachsenden Abhängigkeit von russischen Energieimporten „aktiv mitgewirkt“, konstatiert der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. „Die damit einhergehenden Risiken wurden spätestens nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim offensichtlich. Eon gehört damit zu den Unternehmen, die den auch aus Gründen des Klimaschutzes nötigen Ausstieg aus fossilem Gas und den Umstieg auf erneuerbare Energien jahrelang verzögert haben.“

Bei der digitalen Hauptversammlung warnte Eon-Chef Birnbaum vor den Folgen eines Stopps russischer Erdgas-Lieferungen nach Deutschland. „Das aktuelle Problem ist die mögliche Verknappung von Öl und vor allem Gas“, sagte Birnbaum. „Höhere Preise für Industrie und Haushalte sind die direkte Folge, mittelbar auch Inflation und Rezessionsgefahr. Ein Gas-Embargo oder Lieferstopp würde das Problem verschärfen.“

Nord Stream 1 spiele für die Gasversorgung Europas „eine energiepolitische Schlüsselrolle“, betont Eon. „Ein Ausfall hätte gravierende Konsequenzen – sowohl für die Versorgungssicherheit insgesamt als auch für die Realwirtschaft“, gibt der Essener Versorger zu bedenken. Das Management habe deshalb die bewusste Entscheidung getroffen, die Minderheitsbeteiligung an der Pipeline aus Russland bis auf weiteres aufrechtzuerhalten. „Eine Aufgabe würde bedeuten, dass wir sämtliche Verfügungsrechte über Nord Stream 1 an den russischen Mehrheitseigner abgeben.“