Essen. .
Widerpart oder Partner – so richtig weiß Klaus Westermann nicht, wie er sein Gegenüber bezeichnen soll. So ist das, wenn Gewerkschaften über Löhne von Gewerkschaftern verhandeln.
Westermann ist Chef der DGB Rechtsschutz GmbH. Sein Gegenüber: Dietrich Schallehn, Abgesandter der DGB-Mitgliedsgewerkschaft Verdi. In Frankfurt einigten sich die beiden gestern auf Gehaltserhöhungen für die Rechtsberater des DGB. Das Ergebnis ist mager. Unter zwei Prozent Steigerung. Festgelegt auf zwei Jahre. Das Problem: Die DGB-Beschäftigten haben im Reich der Gewerkschaften keine eigene Lobby.
Niemand hat Interesse an einem öffentlichen Konflikt
Wenn Verdi streikt, ist gewöhnlich richtig was los: Die Dienstleistungsgewerkschaft vertritt Müllmänner, U-Bahn-Fahrer oder Kita-Angestellte. Aktuell fordert Verdi allein von den Versicherungen sechs Prozent. Bei den Frankfurter Verhandlungen mit dem eigenen Dachverband ging es dagegen wie immer ganz gesittet zu. Noch nie hat es einen Streik der 750 Rechtsschutz-Beschäftigten gegeben. Warum auch – keiner der Beteiligten hat Interesse an einem öffentlichen Konflikt.
Die Rechtsberater der DGB-Rechtsschutz beraten in 120 Büros die Mitglieder des DGB. Jetzt bekommen sie eine Einmalzahlung sowie Gehaltserhöhungen von aktuell 1,6 Prozent und 1,3 Prozent Anfang 2012. Verdi-Mann Schallehn ist zufrieden und spricht von „einem Volumen über drei Prozent”. Doch nicht alle Beschäftigten sind begeistert. Der Verband der Gewerkschaftsbeschäftigten VGB rechnet aus, dass die Rechtsberater nur etwa 1,2 Prozent mehr bekommen – wenn man die 24-monatige Laufzeit bis Mai 2012 berücksichtigt. Von Mai 2010 bis Oktober gibt es gar nichts. „Das sind handzahme Verhandlungen gewesen”, sagt VGB-Chef Martin Lesch.
Verdi ist als DGB-Mitglied in gewisser Weise weisungsabhängig
Die Welt der Gewerkschaften ist klein, Interessen überschneiden sich. Auch bei den aktuellen Verhandlungen. So ist Gerd Herzberg auf der einen Seite als stellvertretender Verdi-Chef für Finanzen zuständig für die Streikkasse. Auf der anderen Seite sitzt er im Aufsichtsrat der DGB Rechtsschutz, eine hundertprozentige Tochter des DGB. Verdi ist als DGB-Mitglied in gewisser Weise weisungsabhängig. So heißt es in dessen Satzung: “Die Gewerkschaften des Bundes haben (…) die Beschlüsse der Organe des Bundes (…) durchzuführen.“
Verdi-Mann Schallehn und sein Gegenüber Westermann bestreiten Interessenkonflikte. Sie betonen wortgleich, dass „beide Seiten zähneknirschend etwas unterschreiben, auf das sie sich so gerade noch verständigen können”.
Martin Lesch vom VGB kann darüber nur lachen. Er versucht seit Jahren, mit den Gewerkschaften zu verhandeln. Doch die haben kein Interesse an einem unabhängigen Gegenspieler.