Essen. Der Generalbevollmächtigte Horst Piepenburg geht bei der Abwicklung der Insolvenz von Arcandor von einem langem Prozess aus. Der Konzern prüft einen Antrag auf einen Massekredit. Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigt das Vorgehen der Bundesregierung im Fall angeschlagener Unternehmen.

Das Insolvenzverfahren des Handels- und Touristikkonzerns Arcandor könnte sich noch bis in das nächste Jahr hinziehen. Ein genauer Zeitrahmen sei noch nicht absteckbar, «aber es wird sicherlich weit bis ins nächste Jahr gehen, bis alles umgesetzt ist», sagte der Arcandor-Generalbevollmächtigte, Horst Piepenburg, am Montag dem «Westdeutschen Rundfunk» (WDR). Unterdessen prüft das zahlungsunfähige Essener Unternehmen, ob es einen Massekredit beantragt.

Hoffnung auf kurzfristige Liquidität

Die Entscheidung darüber, ob und wenn ja in welcher Höhe ein entsprechender Antrag gestellt wird, soll in den nächsten ein bis zwei Wochen fallen, wie Arcandor-Sprecher Gerd Koslowski am Montag auf AP-Anfrage erklärte. Der Massekredit, der kurz vor oder nach einer Insolvenz eingeräumt werden kann, würde dem Konzern laut Koslowski kurzfristig Liquidität verschaffen. Das wäre sehr wichtig, um die operativen Geschäfte am Laufen zu halten, betonte er.

Der «Spiegel» hatte vorab berichtet, die Bundesregierung sei bereit, einen Antrag auf einen solchen Kredit wohlwollend zu prüfen und wenn möglich auch zu gewähren. Ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums sagte der AP, es gebe grundsätzlich die Möglichkeit einer Bürgschaft für einen Massekredit, wenn die Voraussetzungen dafür vorlägen. Bei Massekrediten werden die Forderungen des Kreditgebers im Insolvenzverfahren vorrangig bedient. Massedarlehen werden in der Regel von Bankenkonsortien bereitgestellt. Ein solcher Kredit könnte aber zum Beispiel auch von der staatlichen Förderbank KfW kommen.

Piepenburg sieht «hohe Verantwortung»

Der Arcandor-Generalbevollmächtigte Piepenburg erklärte im «WDR», er sehe eine hohe Verantwortung für das sicherlich größte Insolvenzverfahren in Deutschland. 52.000 Arbeitsplätze erhalten zu wollen und dafür zu kämpfen, da lohne sich jeder Aufwand, betonte er. Die Lage sei extrem schwierig, aber die drei Monate Insolvenzgeld hätten dem Konzern bis einschließlich August erst einmal Zeit verschafft. «Das ist für uns eine ausreichende Zeit, uns darauf vorzubereiten, dass es danach auch weitergeht», erklärte er.

Um strukturelle Veränderungen werde man nicht herumkommen, «aber das wollen wir in Ruhe auch mit den Vertretern der Arbeitnehmerschaft dann auch besprechen», sagte Piepenburg weiter. Die für den (heutigen) Montag angesetzten Gespräche mit dem Konzernbetriebsrat und Vertretern der Gewerkschaft ver.di seien ein erster Schritt, systematisch an die Probleme heranzugehen.

Arcandor hatte vergangenen Dienstag Insolvenz anmelden müssen, nachdem die Bundesregierung Staatshilfen für den maroden Konzern abgelehnt hatte. Betroffen sind insgesamt 43.000 Arbeitsplätze beim Mutterkonzern, aber auch bei den Tochterunternehmen Karstadt und Quelle.

"Klare Maßstäbe" für Gewährung von Staatshilfen

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat das Vorgehen der Bundesregierung sowohl beim angeschlagenen Autohersteller Opel wie auch beim inzwischen insolventen Handelskonzern Arcandor verteidigt. «Ich hätte jede Entscheidung bei Opel und Arcandor nicht anders getroffen, wenn auch kein Wahlkampf gewesen wäre», sagte sie am Montag in Berlin beim Tag der Deutschen Industrie 2009 des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Die Regierung habe in beiden Fällen die «klaren Maßstäbe» zugrunde gelegt, die sie für die Gewährung von Staatshilfen festgelegt habe.

Bei Arcandor seien die Voraussetzungen für Staatshilfe nicht vorhanden gewesen. Die Krise des Unternehmens sei nicht durch die Finanzkrise verursacht worden, sondern habe schon im vergangenen Sommer aufgrund von «unternehmerischen Schwächen» bestanden. Die Regierung habe sich fragen müssen, ob das Unternehmen im Sommer 2008 gesund gewesen sei und die Antwort habe «Nein» gelautet. Zugleich betonte die Kanzlerin erneut, dass die Insolvenz «mitnichten» bedeuten müsse, dass «alles vernichtet» werde. Sie biete auch Chancen zur Restrukturierung.

Planinsolvenz bei Opel wäre nicht möglich gewesen

Bei Opel hingegen habe sie auch wegen der internationalen Verflechtungen keine Möglichkeit für eine Planinsolvenz erkennen können. «Das wäre schlicht und ergreifend nicht gegangen», sagte die Kanzlerin. Die Amerikaner hätten dem Trennungsbeschluss nach ihrer Einschätzung «garantiert nicht» zugestimmt, wenn sich die Bundesregierung für eine Planinsolvenz entschieden hätte.

Sicherlich bestünden auf dem Automarkt Überkapazitäten. Opel habe jedoch gute Produkte. Es könne aus ihrer Sicht nicht sein, zwar ordnungspolitisch korrekt zu handeln, dabei aber die besseren Produkte vom Markt verschwinden zu lassen.

Auch beim Chiphersteller Qimonda habe sich die Politik für den Weg der Insolvenz entschieden. Die Politik sei hier aber schon in Zusammenarbeit mit AMD und Infineon gefordert, den einzigen Cluster für Chiphersteller in Europa vielleicht noch soweit zu betreuen, dass er überleben könne, sagte die Kanzlerin. (ap)