Brüssel. .
Bereits 2014 oder wie versprochen 2018, das ist die Frage bei den Verhandlungen um die Zukunft des deutschen Steinkohlebergbaus. Die Verhandlungen um die staatlichen Subventionen gehen in Brüssel in die Endrunde.
Die Reparaturarbeiten sind in vollem Gange. Hinter dichten Bauplanen werkeln Lobbyisten, hochrangige Politiker, Botschafter, Gewerkschaftschefs, kurzum: alle, die ein Interesse daran haben, dass der politische Wassereinbruch möglichst schnell behoben wird, den die EU-Kommission mit ihren überraschenden Beschlüssen zum Ende des Steinkohlebergbaus bereits 2014 verursacht hat.
Klar ist: Sollte die Diplomatie keinen Erfolg haben, wird es duster vor der Hacke. In Deutschland basiert der Ausstieg im Jahr 2018 auf einem Bundesgesetz, das wiederum bildet das Fundament für die Finanzierung der Bergbau-Ewigkeitskosten (etwa das Abpumpen) über die Essener RAG-Stiftung. Unterspült Brüssel das Konstrukt, geht im Ruhrgebiet allerhand unter. Nicht zuletzt eben diese Finanzierung, die die Stiftung als Mehrheitseigentümer der Evonik sicherstellen muss.
Ein Auslaufen vier Jahre vor der geplanten Zeit würde wohl bedeuten: 11 000 Kumpel stünden vor dem Bergfreien. Glaubt man der Schätzung des Prognos-Instituts, kämen noch rund 14 000 Arbeitsplätze bei den Zulieferern hinzu. Da sämtliche Bundesregierungen über all die Jahre versprochen haben, dass es im Kohlebergbau keine betriebsbedingten Kündigungen geben werde, fragt sich, wer die Zeche 2014 zahlen soll.
Der Druck ist groß. Der Chef der Industrie-Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Michael Vassiliadis, und der RAG-Betriebsratschef Ludwig Ladzinski sind denn gestern auch direkt nach der Sitzung des Kuratorium der RAG-Stiftung zu einer dreitägigen Europa-Reise aufgebrochen. Es gilt, die Gewerkschaften in Polen, Rumänien, Ungarn oder Spanien zu mobilisieren.
Deutschland müsste auf die Revisionsklausel verzichten, um erfolgreich zu verhandeln
Die Chancen, den Brüsseler Beschluss aufzuweichen, stehen inzwischen gar nicht mehr so schlecht. „Wenn Deutschland auf die Revisionsklausel 2012 verzichtet und damit den EU-Partnern deutlich macht, dass 2018 auch wirklich Ende ist und keine Salamitaktik gespielt wird, dann hat die Bundesregierung vielleicht eine Chance“, beschreibt ein Diplomat die Gefechtslage. Das wäre in der Tat ein Erfolg: Schließlich gilt die Revisionsklausel, die theoretisch einen dauerhaften Sockelbergbau ermöglichen könnte, bereits als mausetot. Insofern wäre das aus deutscher Sicht kein schlechtes Geschäft.
Hinter den Kulissen ist die Bundesregierung gerade dabei, Verbündete zu suchen, die bei einer Korrektur des Ausstiegstermins mitziehen. Dem Vernehmen nach sind Spanien, die Slowakei, Ungarn und Rumänien dazu bereit. Slowenen, Tschechen und Polen gelten als mögliche Partner. Großbritannien dürfte indes kaum zu überreden sein. Schwierig wird es auch bei Belgien, Frankreich und Portugal.
In einer Woche beginnen die offiziellen Treffen der Botschafter. Eigentlich müsste Deutschland alle anderen EU-Länder für einen späteren Ausstieg gewinnen, um das Datum im EU-Vorschlag von 2014 in 2018 ändern zu können. Aber es gibt noch eine zweite Variante, die bereits bei der Verlängerung der Steinkohle-Beihilfen 2002 angewandt wurde. Sollte Deutschland eine qualifizierte Mehrheit organisieren, könnte die EU-Kommission von sich aus den Vorschlag ändern.
Auch in diesem Gremium gibt es Fürsprecher und Gegner. Kommissionschef José Manuel Barroso und der federführende Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia – ein Spanier, der den Druck protestierender Kumpel in seiner Heimat spürt – dürften einer Verlängerung zustimmen, der deutsche EU-Energiekommissar Günther Oettinger sowieso. Heftiger Widerstand dürfte erneut von den Umwelt- und Klimaschutz-Kommissaren kommen. Insgesamt agiert Deutschland aus der Defensive: Käme gar keine Regelung zustande, wäre Ende 2010 Schluss. Umso wichtiger, dass Deutschland sein ungeteiltes Gewicht für 2018 einbrächte. Ein entsprechender Antrag aus NRW fand jüngst im Wirtschaftsausschuss des Bundesrates keine ungeteilte Zustimmung. Baden-Württemberg enthielt sich, Bayern stimmte dagegen.