Berlin. .

Die Stiftung Warentest kritisiert überteuerte Dispokredite der Banken. Gerade kleinere Sparkassen und Volksbanken kassieren kräftig ab.

Etwa jeder sechste Bankkunde steht mit seinem Girokonto im Minus, hat die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) ermittelt. Hunderttausende private Schuldner also – an denen Deutschlands Banken prächtig verdienen. Denn während die Zinsen der Europäischen Zentralbank (EZB), zu denen sich Banken und Sparkassen Geld leihen, seit Monaten auf historisch niedrigem Niveau verharren, ziehen die Geldhäuser ihren Kunden bei Dispokrediten laut Stiftung Warentest oft übermäßig viel Geld aus der Tasche. Die Institute verlangen im Schnitt 12,5 Prozent Zinsen, wenn der Saldo negativ wird, so die Warentester. Sie werteten die Konditionen von 992 Banken und Sparkassen hierzulande aus – knapp der Hälfte aller Institute.

Konkurrenzlose Position

Der Dispokredit umfasst den Überziehungsrahmen, den die Bank einem Kontoinhaber von vornherein einräumt. Er beträgt oft das Zwei- bis Dreifache des Monatseinkommens. Ist der Dispo ausgeschöpft, rutscht der Kunde in die geduldete Überziehung: Dann werden in der Regel noch höhere Zinsen als beim Dispo fällig. Laut „Finanztest“ verlangen die Banken hier im Durchschnitt rund 17 Prozent.

„Zweistellige Dispozinsen sind sehr hoch, wenn sonst die Zinsen historisch niedrig sind“, kritisiert „Finanztest“. Bei den Dispokrediten ermittelten die Experten Zinssätze von sechs bis knapp 17 Prozent, sagte „Finanztest“-Chefredakteur Hermann-Josef Tenhagen. Insbesondere kleinere Institute fielen wegen besonders hoher Forderungen auf, darunter auch viele Sparkassen und Volksbanken im ländlichen Raum. Das liege an der oft konkurrenzlosen Marktposition der Unternehmen in kleineren Städten.

Noch teurer sind geduldete Überziehungskredite. Zinsen von mehr als 16 Prozent sind laut „Finanztest“ die Regel, annähernd 20 Prozent werden auch häufig verlangt. Die VR Bank Rosenheim-Chiemsee ist mit einem Zinssatz von 20,5 Prozent aus Kundensicht trauriger Spitzenreiter.

Dabei geht es auch anders. Vor allem Direktbanken bieten vergleichsweise günstige Bedingungen. Am besten schnitt hierbei die Deutsche Skatbank ab, die sechs Prozent für den Dispokredit verlangt. Die DAB Bank mit knapp sieben Prozent sowie die DKB mit 7,9 Prozent schnitten hier besonders gut ab. Mit am teuersten ist die Targobank mit fast 17 Prozent. Letztere ist von der Verbraucherzentrale NRW deshalb bereits verklagt worden.

Milliardengewinn

Wie kostspielig die Überziehung in Euro und Cent wird, wissen die meisten Kunden gar nicht. „Sie fragen nicht nach dem Preis“, bedauert Tenhagen. Er rechnet vor, dass eine Kreditsumme von 2500 Euro im Jahr locker 350 Euro Zinsen verschlingt.

Für die Banken ist es ein gewaltiges Geschäft. Arno Gottschalk, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Bremen, rechnet vor: Zwischen Juli 2003 und dem Ausbruch der Finanzkrise in 2008 habe die Marge zwischen dem durchschnittlichen Überziehungszins und dem Zentralbankzins Euribor im Schnitt rund 7,35 Prozent betragen, so Gottschalk zur NRZ. „Aktuell liegt diese Marge bei 9,3 Prozent.“ Zwischen Dezember 2008 und Juli diesen Jahres hätten die deutschen Banken von den privaten Schuldnern so 1,24 Milliarden Euro zusätzlich kassiert, hat Gottschalk errechnet.

Immer lauter wird der Ruf nach einer Deckelung der Zinsaufschläge. „Es kann nicht sein, dass dieses offenkundige Marktversagen legalisiert wird, sagt Gottschalk. Und Gerd Billen, Chef des Verbraucherzentrale-Bundesverbands, fordert: „Der Überziehungszinssatz muss auf eine verträgliche Größe begrenzt werden.“ Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) verlangt von den Banken Mäßigung. „Zinsen von bis zu 17 Prozent sind aus meiner Sicht nicht begründbar“, sagte sie und kündigte eine Studie zum Zinsanpassungsverhalten der Banken an.

Eine EU-Richtlinie sollte schon für mehr Transparenz und weniger Willkür bei den Dispozinsen sorgen. Danach müssen sich die Institute in ihrer Preisgestaltung an einem Referenzzinssatz messen, das heißt, ihre Zinsen sollen sich im Gleichklang mit dem Interbankenzins oder dem Zins der Europäischen Zentralbank entwickeln. Über angemessene Gewinnmargen sagen die EU-Richtlinien indes nichts aus. Finanzexperte Gottschalk findet es jedenfalls mindestens „ärgerlich“, dass die Festlegung des Referenzzinssatzes jüngst ausgerechnet dann passiert ist, als die Margen für die Banken am höchsten waren.