Berlin. Wenn am Mittwoch bei Opel in Bochum die erste Frühschicht nach Pfingsten die Werkstore passiert, wird die Euphorie über den Ausgang des zweiten Krisengipfels in Berlin wohl längst verflogen sein. Wenn es sie denn überhaupt je gab. Denn vor Opel liegt ein langer und steiniger Weg.
Was im Kanzleramt nach bemerkenswerter Inszenierung ausverhandelt, besser: ausgepokert und ausgefeilscht wurde, wird für den Standort Bochum noch so manche bittere Pille bedeuten. Ein erheblicher Arbeitsplatzabbau steht ins Haus, mit all seinen unschönen Begleiterscheinungen, die man im Dauerstrukturwandelland Ruhrgebiet kennt.
Am Tag danach kann niemand übersehen, von welcher Nachhaltigkeit dieser unter einzigartigen Bedingungen zustande gekommene „Deal“ mit einem letztlich gescheiterten, raubautzigen US-Autoriesen sein wird. Es gibt noch zu viele offene Fragen.
Dünne Finanzdecke bei Magna
Darum ist Vorsicht geboten, wenn sich nun allerorten (Ausnahme: Karl-Theodor zu Guttenberg) übernächtigt dreinschauende Politiker in Szene setzen und von „Rettung“ reden. Ob Magna und General-Motors am Ende des heute erst wirklich beginnenden Verhandlungsmarathons „zu Potte“ kommen und Opel eine ökonomisch und ökologisch vertretbare Zukunft basteln – niemand kann das heute wissen. Zu viele Fallstricke warten auf der Strecke.
Auch wenn die Bundesregierung samt der beteiligten Länder unzählige Sicherheitsleinen gespannt hat, um das Risiko für den Steuerzahler zu senken – das nicht auszuschließende Scheitern der Aktion Opel ist in Wahrheit längst eingepreist. Als Beweis dafür darf gelten, dass regierungsinterne Nachforschungen ergeben haben, dass die Finanzdecke von Magna allen öffentlichen Darstellungen zum Trotz beängstigend dünn ist.
Guttenbergs Strahlkraft gedimmt
Diese Nach-dem-Wahltag-die-Sintflut-Haltung, die es keinem Politiker erlaubt, vor einem wichtigen Urnengang Massen-Entlassungen zu befördern, weckt zwiespältige Gefühle. Längst hat sich die Politik und mit ihr der Staat insgesamt zum Notarzt und Spendier-Onkel für große Konzerne mit Schlagseite entwickelt, während viele Mittelständler in der Krise ohne persönliche Betreuung „sterben“ müssen. Man darf deshalb gespannt sein, wann der Rettungswille wegen Unfinanzierbarkeit versiegt. Mit Arcandor, Schaeffler, Porsche und Co. stehen Aspiranten vor der Tür.
Das vorläufige Ende der Pokerschlacht um Opel hat, eine Randnotiz nur, aber eine wohltuende, die Strahlkraft des neuen Wirtschaftsministers Karl-Theodor zu Guttenberg erfreulich gedimmt. Er ist eben auch nur ein politischer Machtmensch. Er wollte nach rechts abbiegen und sehr zur Freude mancher Lehrbuch-Ökonomen Opel einen radikalen Neuanfang (Insolvenz) verordnen. Merkel und Steinmeier hatten da längst den Blinker links gesetzt und Opel in die beschützte Werkstatt des Staates abschleppen lassen. Zurücktreten muss man deshalb nicht zwangsläufig. Aber die nächsten ordnungspolitischen Grundsatzreden des talentierten Herrn zu G., die dürfen jetzt ruhig ein bisschen leiser ausfallen.