Essen. Arcandor braucht dringend frisches Geld, um eine schon bald drohende Insolvenz abzuwenden. Doch die Frage nach staatlicher Hilfe bleibt weiter unbeantwortet. Ein Krisengipfel mit Vertretern der Bundesregierung endete am Freitag ohne Ergebnis.

Die Zitterpartie für die 50.000 Arcandor-Beschäftigten in Deutschland geht weiter: Ein Krisengipfel zur Rettung des Touristik- und Handelskonzerns endete am Freitag in Berlin ohne Ergebnis. Es werde permanent auch über das Wochenende weiterberaten, sagte Wirtschaftsstaatssekretär Walther Otremba nach dem rund zweistündigen Treffen. Zuvor hatte der ums Überleben kämpfende Konzern bei der Bundesregierung eine Rettungsbeihilfe in Höhe von 437 Millionen Euro beantragt.

Nach Angaben aus Unternehmenskreisen droht Arcandor noch vor dem kommenden Freitag die Insolvenz, falls Staatsbürgschaften abgelehnt würden und sich keine alternativen Perspektiven ergäben. Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick drängte deshalb auf eine schnelle Genehmigung des neuen Antrags.

An dem Krisentreffen im Bundeswirtschaftsministerium nahmen Vertreter des Arcandor-Konzerns, ihre Gläubiger, die Interessenten an einer Übernahme der Kaufhauskette Karstadt sowie Spitzenbeamte der Bundesregierung teil. Das Treffen war wegen der Eilbedürftigkeit der Kredite kurzfristig angesetzt worden. «Es sind alle bereit, zu einem Konzept beizutragen», betonte Otremba.

PwC-Gutachten malt düsteres Bild von der Lage des Konzerns

Stichwort: Beihilfen

Auch unabhängig von der aktuellen Wirtschaftskrise können die Bundesregierung und die Länder Unternehmen Beihilfen gewähren. Solche Subventionen sind allerdings strengen EU-Regeln unterworfen.

Einen Spezialfall stellen Beihilfen des Staates zur «Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten» dar. Dafür gelten besonders strenge Regeln.

Die geltenden Leitlinien stützen sich auf Artikel 87 Absätze 2 und 3 des EG-Vertrags. Eine wichtige Voraussetzung für die Genehmigung einer Firmenrettung durch die EU-Kommission ist demnach außer der Vorlage eines Sanierungsplans, dass das begünstigte Unternehmen bis zu 50 Prozent der Umstrukturierungskosten selbst tragen muss. Eine Rettungsbeihilfe ist für ein Unternehmen nur einmal in zehn Jahren möglich. Die Beihilfen «müssen aus akuten sozialen Gründen gerechtfertigt» sein sowie auf das erforderliche Mindestmaß begrenzt werden.

Ein wichtiger Punkt schließlich ist, dass zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen Ausgleichsmaßnahmen verlangt werden. Dazu könne die Veräußerung von Vermögenswerten, Kapazitätsabbau oder die Beschränkung von Marktpräsenz dienen, erklärt die EU.

Mit der beantragten Rettungsbeihilfe will der Essener Konzern für die nächsten sechs Monate die notwendige Liquidität für den Geschäftsbetrieb sichern. Dies gäbe Arcandor auch Zeit, zusammen mit dem Konkurrenten Metro ein betriebswirtschaftlich sinnvolles Konzept für eine Fusion der Warenhaustöchter Karstadt und Kaufhof auszuhandeln, erklärte das Unternehmen. Allerdings müssen solche Hilfen von der EU genehmigt werden und sind in der Regel mit sehr strengen Auflagen verbunden.

Nach einem Bericht des «Handelsblattes» ist die Lage des Essener Konzerns noch deutlich kritischer als bisher bekannt. Ein von den Wirtschaftsprüfern von Pricewaterhouse-Coopers (PwC) im Auftrag der Bundesregierung angefertigtes Gutachten, bescheinige dem Unternehmen nur noch noch eine geringe Überlebensfähigkeit, berichtete die Zeitung.

Das Eigenkapital von Arcandor sei seit September vergangenen Jahres von rund 1,2 Milliarden Euro auf nur noch 177 Millionen Euro zusammengeschrumpft, berichtete die Zeitung unter Berufung auf das Gutachten. Außerdem habe Arcandor unter dem Strich von Oktober bis März einen Verlust von 603 Millionen Euro gemacht, mehr als doppelt soviel wie im Vorjahreszeitraum. Das Unternehmen wollte zu den Zahlen keine Angaben machen.

Auch Post könnte Folgen einer Arcandor-Pleite spüren

Allerdings gibt es auch positivere Einschätzungen über das Unternehmen. Die Wirtschafsprüfungsgesellschaft KPMG kam laut «Welt» zu dem Ergebnis, dass Arcandor zu retten ist. «Nach unserer Auffassung ist das uns vorgelegte Konzept schlüssig und nachvollziehbar. Das Unternehmen ist unter den im Konzept genannten Bedingungen sanierungsfähig», zitierte das Blatt aus dem Gutachten.

Die rund 32.000 Karstadt-Beschäftigten wollen in der kommenden Woche mit zahlreichen Aktionen ihrer Forderung nach Staathilfe Nachdruck verleihen. Geplant seien Mahnwachen und Demonstrationen, aber auch die «Besetzung» von Filialen, berichtete die Gewerkschaft ver.di.

Eine Pleite des Konzerns würde möglicherweise noch weitere Kreise ziehen als bisher bekannt. Der Sprecher der Frachtsparte der Deutschen Post DHL, Claus Korfmacher, sagte, rund 4.000 Post-Mitarbeiter seien für die Kaufhäuser und das Versandgeschäft von Arcandor tätig. Das «Handelsblatt» berichtete, bei einer Insolvenz von Arcandor könnte der Logistik-Vertrag mit der Post gekündigt werden. (ap)

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