Essen. .

Das neue Pfändungsschutzkonto soll Schuldnern ein Auskommen sichern und einen Teil ihrer Einkünfte vor Gläubigern schützen. Doch seit Monatsanfang kommen viele selbst nicht mehr an ihr Geld. Besonders Arbeitslose sind offenbar betroffen.

„Seit Tagen ist mein Konto gesperrt“, klagt Detlev Wiggerbach* aus Essen, „nicht einen Cent bekomme ich bei der Bank.“ Dabei braucht der verschuldete Hartz-IV-Empfänger dringend Geld, um Miete, Strom und Lebensmittel zu bezahlen. Offenbar wurden seine Bezüge für den August komplett gepfändet, obwohl sein „pfändungsfreies“ Konto genau das verhindern sollte.

Schuld daran ist offenbar eine Gesetzeslücke, die im ersten Monat nach Kontoeröffnung klafft: Das zum 1. Juli von der Regierung eingeführte „P-Konto“ garantiert dem Inhaber einen monatlichen Freibetrag von mindestens 985,15 Euro. Ist dieser Betrag aufgebraucht, wird weiteres Guthaben sofort pfändbar. Das Startproblem: Leistungen wie das Arbeitslosengeld II werden in der Regel am Monatsende überwiesen. Wer also im Juli seinen Freibetrag ausgegeben hat, hatte am Monatsende keinen Pfändungsschutz mehr – und stand in der Gefahr, dass sein ganzes Geld für August, das zum 30. Juli überwiesen wurde, an die Gläubiger ging. Zum Monatsanfang war das Konto dann leer geräumt.

Streit an den Bankschaltern

Das führte auch zu Streit. „An den Schaltern kam es teilweise zu heftigen Auseinandersetzungen“, heißt es bei einer Bank im Ruhrgebiet, „die Leute waren verzweifelt, wurden wütend, manche weinten.“ Auch Detlev Wiggerbach fragte erfolglos bei seiner Sparkasse nach. „Den Kreditinstituten sind die Hände gebunden, da sie Beträge, die über das pfändungsgeschützte Guthaben hinaus gehen, dem Gläubiger nicht vorenthalten werden dürfen“, sagt Michaela Roth vom Zentralen Kreditausschuss. Das Risiko der Banken: Weil unklar ist, wem das Geld zusteht, befürchten sie, doppelt zahlen zu müssen – an Kontoinhaber und Gläubiger.

Der Sozialverband Deutschlands kritisiert die Regierung: „Jetzt müssen viele Betroffene um ihre Existenz bangen“, so Präsident Adolf Bauer zu dieser Zeitung. Er fordert eine „gesetzliche Klarstellung“ und einen „Rettungsanker für die Opfer der Pannenkontos“.

Beim zuständigen Justizministerium beobachtet man eine „gewisse Rechtsunsicherheit“. Und schiebt den Schwarzen Peter weiter: Das Verhalten vieler Banken, Geld für Gläubiger freizugeben, stehe im Widerspruch zu den Zielen des Gesetzes.

Auch Gerichte unsicher

Grundsätzlich empfiehlt das Ministerium, sich ans zuständige Vollstreckungsgericht zu wenden und einen Antrag zur Erhöhung des Freibetrags zu stellen. Detlev Wiggerbach hat es beim Amtsgericht Essen versucht – ohne Erfolg. Auch dort herrscht offenbar Unsicherheit: „Man sagte mir, man könne mein Konto nicht freigeben. Die wussten auch nicht, was sie noch durften.“ Das Essener Amtsgericht wollte sich dazu nicht äußern. Also hat Wiggerbach die Sache nun einem Anwalt übergeben – und wartet weiter aufs Geld.

In dieser Woche wollen Justizministerium, Schuldnerberatung und Vertreter der Kreditwirtschaft für sie eine Lösung finden – „schnell und unbürokratisch“, wie es heißt.