Berlin. .
Immer lauter werden Forderungen von Opposition und Gewerkschaften nach einer Abkehr von der schrittweisen Erhöhung des Rentenalters auf 67 Lebensjahre. Wirtschaftsexperten sprechen bereits von der Rente mit 70.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierte die Rente mit 67 als „fatale Fehlentscheidung“. Er forderte die Bundesregierung zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme bei der Beschäftigungssituation von Älteren auf.
Bei der fälligen Überprüfung der Rentenregelung bis Jahresende dürfe sich die Regierung nicht nur auf einige symbolische Zahlen stützen, die ihr gerade ins Kalkül passten, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Tatsächlich schaffe es noch immer nur jeder Zehnte, aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in die Rente mit 65 zu gehen. Wer genau hinsehe, „kommt notwendigerweise zu der politischen Schlussfolgerung, dass die Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters nicht vertretbar ist“.
Buntenbach mahnte, Arbeitsministerium und Parlament stünden jetzt in der Verantwortung: „Am Ende müssen sie entscheiden, ob so viele Menschen mit massiven Rentenkürzungen für diese falsche Politik bezahlen müssen“.
IG Metall erhöht Druck
Die IG Metall erhöht unterdessen den Druck auf die SPD und verlangt, dass sie sich endgültig von der Rente mit 67 verabschieden soll. Das Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Hans-Jürgen Urban sagte: „Es ist gut, wenn es Bewegung in der Debatte gibt, wir brauchen aber keine Scheinlösungen, sondern ohne Wenn und Aber ein Nein zur Rente mit 67!“ Urban forderte die Bundesregierung auf, die im Gesetz vorgesehene Überprüfung der Arbeitsmarktchancen älterer Arbeitnehmer ernst zu nehmen. Noch seien die Beschäftigungsquoten Älterer „miserabel“.
Auch die Grünen-Spitze zweifelt an der Rente mit 67. Bundestagsfraktionschef Jürgen Trittin forderte eine „Garantierente für alle, die dem Arbeitsmarkt 33 Jahre zur Verfügung gestanden haben“. Trittin sagte weiter, dass „die Beschäftigung der Älteren nicht in dem Maß zunimmt, wie es als Voraussetzung der Rente mit 67 vorgesehen war“. Wenn die Zusage, mehr Ältere in Beschäftigung zu bringen, nicht erfüllt werden könne, laufe die Rente mit 67 „bloß auf eine Verlängerung der Lebensarbeitslosigkeit raus“.
Gysi für „Bürgerversicherung“
Die Rente mit 67 sei grundsätzlich falsch, sagte der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, weil sie für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Rentenkürzung bedeute. Die von der SPD vorgeschlagene Aussetzung der Rente mit 67 „ist zwar richtig, aber reicht nicht aus“.
Gysi sprach sich für das Konzept einer Bürgerversicherung aus, bei der Einkommen aus Vermögen oder Mieteinnahmen einbezogen werden sollen, ebenso Selbständige. Zudem solle die Beitragsbemessungsgrenze schrittweise aufgehoben werden. Auf diese Weise lasse sich auch weiterhin eine Rente ab 65 Jahren finanzieren.
Wirtschaftsexperten für Rente mit 70
Wirtschaftsexperten fordern indessen vor dem Hintergrund des Streits im Gegensatz die Rente mit 70. Rentenexperte Alfred Boss vom arbeitgebernahenInstitut für Weltwirtschaft sagte: „Wenn der
Beitragssatz annähernd auf dem aktuellen Niveau gehalten werden soll, führt kein Weg an einer Anhebung des Renteneintrittsalters langfristig bis auf 70 Jahre vorbei.“
Professor Klaus Zimmermann, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, warnte: „Das System droht zu kippen. Wenn die Rentenbeiträge nicht steigen und die Renten nicht gekürzt werden sollen, müssen wir bis mindestens 70 arbeiten. Ansonsten kann der Staat nur noch eine kleine Standardrente finanzieren.“ Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Hans Heinrich Driftmann, betonte: „Der zunehmende Fachkräftemangel macht die Verlängerung der Lebensarbeitszeit notwendig. Gerade in Zeiten, in denen es immer weniger junge Erwerbstätige geben wird, können wir in den Betrieben nicht auf die Erfahrung und das Wissen der Älteren verzichten.“(ddp)