Essen. 60 Jahre Bundesrepublik - 60 Jahre Verbraucheralltag. Und der hat sich dramatisch verändert: von der Mangelverwaltung zu einer unübersehbaren Vielfalt. Oft fühlen sich Verbraucher "„ausgetrickst und angeschmiert”. So auch der Titel eines Buches, das 111 Verbraucherfallen vorstellt.
„Unübersehbar” ist in diesem Fall wörtlich zu nehmen: Der Überfluss ist für viele zu einem Problem geworden, sie bekommen ihren persönlichen Verbraucheralltag nicht mehr in den Griff. Oft fühlen sie sich in der komplizierten Welt des Jahres 2009 „ausgetrickst und angeschmiert”.
Die Tricks der Discounter
Ein ganz einfacher, aber wirkungsvoller Trick: Oft gibt es überdimensionierte Einkaufswagen, in denen die geplant eingekauften Waren oft verloren wirken. Billens Tipp: Einen eigenen Einkaufskorb benutzen.
Große Packungen sind nicht unbedingt günstig. Untersuchungen der Hamburger Verbraucherzentrale haben gezeigt, dass so genannte Familienpackungen oft teurer sind als mehrere kleine. Tipp: Auf den Preisschildern am Regal müssen die vergleichbaren Kosten für 100 oder 1000 Gramm angegeben sein.
Genauso hat Gerd Billen sein Verbraucherbuch genannt, das sich wohltuend von der Flut herkömmlicher, oft nicht sehr erhellender Ratgeberbücher abhebt.
Das kommt nicht von ungefähr. Der Autor ist seit zwei Jahren Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen. Und als solcher warnt er in seinem Werk in einem großen Kapitel auch vor „111 Fallen für Verbraucher”.
Allerdings: Auch der oberste Verbraucherschützer ist nicht gegen etwas praxisferne Tipps gefeit. So sollen laut Billen Kunden schon kurz nach Ladenöffnung fehlende Supersonderangebote bei den Discountern „in der Verkaufsstelle einfordern”. Doch in der Regel bringt das nichts, weil Verbraucher kein Recht auf diese Sonderangebote haben. Nur Konkurrenten oder Verbraucherorganisationen können hier aktiv werden. Und selbst dann bringt das kaum Erfolg, wie die Praxis immer wieder zeigt.
Die eigentliche Stärke des Billen-Buchs liegt aber abseits der Kurztipps. Es sind die Hintergrundgeschichten, die den Reiz des Werkes ausmachen. Fälle aus der Praxis zeigen, wie und warum immer mehr Menschen als Verbraucher überfordert sind. Ständig müssten sie Entscheidungen treffen, sich zuvor informieren, nach einiger Zeit neu prüfen, ob der jeweils gefasste Beschluss auch richtig war. Die Arbeit der Verbraucher werde zunehmend zu einem Vollzeitjob. Die Konsumenten würden immer mehr zu Managern in eigener Sache.
Billen: „Wer nicht mithalten kann oder will, kauft zu teuer, erhält schlechtere oder gar keine Leistungen für sein Geld.” Leider sei „Otto Normalverbraucher” für diesen Job kaum richtig qualifiziert. In den Schulen seien Kundenrechte nur selten auf dem Lehrplan zu finden. Von den alltäglichen Verbraucheraufgaben seien vor allem Arme, Familien, Migranten und Senioren häufig überfordert.
Kritik übt Billen in diesem Zusammenhang an der Politik. So würden Menschen vom Staat zu einer privaten Zusatzrentenvorsorge gedrängt, aber mit dieser komplizierten Materie – ebenso im Gesundheitswesen – oft allein gelassen. Die Konsumenten sollten deshalb eine bessere Politik für Verbraucher und mehr Verantwortung der Unternehmen einfordern.