Mülheim.

Edelstahlschrott ist ein begehrt: Die Firma Oryx Stainless mischt im weltweiten Handel mit dem Rohstoff mit. 500 000 Tonnen wollen die Mülheimer 2010 umschlagen. Angepeilter Umsatz: 750 Millionen Euro.

Videokameras und Stacheldraht sichern Schrott. Diese Berge, die in der Sonne auf dem Gelände der Firma Oryx Stainless mitten im Mülheimer Hafen glitzern, sind heiß begehrt. Denn Edelstahl wird rund um dem Globus so stark nachgefragt wie nie.

Mit einem Auge hat Oryx-Finanzvorstand Roland Mauss immer die Kurve auf seinem Computerbildschirm im Blick. Sie zeigt an, wie sich der Preis für Nickel – der wertvollste Bestandteil von Edelschrott – an der Londoner Rohstoff-Börse entwickelt. „Wir haben täglich bis zu 1000 Dollar pro Tonne Bewegung“, sagt Mauss. Der Nickel-Preis erlebte in den letzten Jahren eine Achterbahnfahrt: Von 50 000 Dollar 2007 fiel er zum Höhepunkt der Wirtschaftskrise 2009 auf unter 9000 Dollar. Im Moment hat er sich bei 20 000 Dollar eingependelt.

„Nickel ist wertvoll. Deshalb sollte man daran sparen“, meint Mauss. Edelstahl be­steht zwar nur zu acht Prozent aus Nickel (plus 74 Prozent Eisen und 17 Prozent Chrom). Wegen der hohen Nachfrage vor allem in China ist aber dieser vergleichsweise kleine An­teil Nickel inzwischen ein wertvolles Gut. Daher ist der Oryx-Vorstand davon überzeugt, dass nur der verstärkte Schrott-Einsatz bei der Edelstahl-Herstellung die Preisspirale zu bremsen vermag.

Edelstahl könnte billiger werden

Derzeit liegt der Anteil weltweit im Schnitt bei 50 Prozent. Mauss hält 75 Prozent Schrott-Anteil für möglich. Das könnte den Edelstahl um zehn Prozent billiger machen, da sein Preis pro Tonne rund zehn Prozent unter dem der neu gewonnen Rohstoffe liege.

AAuch eine Prüfung des Magnetismus gehört vor der Weiterverwertung dazu.
AAuch eine Prüfung des Magnetismus gehört vor der Weiterverwertung dazu. © WAZ FotoPool

Ein Szenario, das zurück in den Mülheimer Hafen führt. Oryx kauft von namhaften Herstellern wie WMF, Fissler, Bosch oder Volkswagen Edelstahl-Abfälle – für derzeit rund 2000 Euro die Tonne.

Im Schnitt verbleibt jede Lieferung drei Wochen auf dem gesicherten Betriebsgelände. Während dieser Zeit analysieren Mitarbeiter den angelieferten Schrott – op­tisch, magnetisch, mit einem Röntgengerät und in manchen Fällen auch mit dem Spektrometer. Denn der Schrott, der im Hochofen zusammen mit „frischen“ Rohstoffen zu neuem Edelstahl eingeschmolzen wird, darf kein Kupfer oder Blei enthalten und muss über einen Mindestanteil von Nickel verfügen.

Schrott schont die Umwelt

In ausrangierten Küchenspülen oder Produktionsresten kommen diese „Verunreinigungen“ aber vor. Die Oryx-Mitarbeiter haben dafür zu sorgen, dass der Schrott sortiert nach unterschiedlichen Qualitäten für mehr als 1500 unterschiedliche Edelstahl-Typen dann Mülheim verlässt – per Schiff, Lkw oder Zug in Richtung Hochöfen.

Das Recycling spart nicht nur Kosten, es schont auch die Umwelt. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik Umsicht in Oberhausen. Oryx hatte die Forscher Ende vergangenen Jahres mit einer entsprechenden Untersuchung beauftragt.

ABevor der Schrott sortiert werden kann, muss eine Probe entnommen werden: Dann muss der Trennschleifer ran.
ABevor der Schrott sortiert werden kann, muss eine Probe entnommen werden: Dann muss der Trennschleifer ran. © WAZ FotoPool

Die Quintessenz fasst Markus Hiebel, stellvertretender Geschäftsfeldleiter bei Um­sicht, zusammen: „Mehr als 4,5 Tonnen Kohlendioxid werden pro genutzter Tonne Edelstahlschrott eingespart.“ Bei der Nutzung von Edelstahlschrott entstehe weniger CO2, weil vor allem weniger Nickel der Produktion zugesetzt werden müsse. Die Gewinnung etwa in Russland, Australien oder Kanada gilt als sehr aufwändig. Zudem sind die Nickel-Vorkommen begrenzt.

Das Markforschungsinstitut Steel and Metals Market Research sagt einen rasanten Anstieg der Edelstahlproduktion in der Welt voraus: von 21 Millionen Tonnen 2009 auf 32 Millionen Tonnen 2015. Würde die Industrie nicht – wie derzeit – 50 Prozent Schrott bei der Edelstahl-Produktion einsetzen, sondern 75 Prozent, könnte sie 2015 so viel Kohlendioxid-Ausstoß einsparen, wie er in einer Mega-Stadt mit mehr als zehn Millionen Einwohnern jährlich anfällt.

Einsparungen möglich

Laut Oberhausener Fraunhofer-Institut könnte die Edelstahl-Industrie dabei 3,4 Milliarden Euro einsparen, weil entsprechend weniger Verschmutzungskosten anfielen.

Oryx-Vorstand Mauss ist zuversichtlich: „Der Einsatz von Schrott kann zur Dämpfung der Rohstoff-Preisexplosion beitragen. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich niemand abschottet und der Zugriff auf Schrott weltweit gesichert ist.“