Moskau. Wladimir Putin hält in Russland alle Fäden in der Hand.
Bis zuletzt lässt er offen, welche Rolle er künftig in Russland zu spielen gedenkt. Aber dass Wladimir Putin weiterhin die Fäden der Macht in der Hand halten will, daran besteht kein Zweifel. Als Spitzenkandidat der Partei Einiges Russland tritt er am Sonntag bei der Parlamentswahl an: «Ich oder das Chaos» lautet der Tenor seiner Fernsehansprache kurz vor der Wahl. Die Opposition werde nichts als «Erniedrigung, Abhängigkeit und Zerfall» über Russland bringen.
Die russische Verfassung untersagt dem seit 2000 amtierenden und 2004 wiedergewählten Statschef ein drittes Mandat. Doch an der Spitze seiner mächtigen Partei könnte er durchaus Regierungschef oder Parlamentspräsident werden. Manche Beobachter schließen sogar nicht aus, dass er selbst wieder Herr im Kreml wird - nach einem mehr oder weniger langen Zwischenspiel eines von ihm ausgewählten Nachfolgers an der Staatsspitze.
Der vom Kreml drangsalierte Putin-Kritiker und ehemalige Schachweltmeister Garri Kasparow sieht die Herrschaft des Präsidenten, dessen Nachfolger am 2. März gewählt wird, auf dem Weg in die Diktatur. Die Kritiker werden dem Kremlchef vor, er habe die Macht in den Händen einer kleinen Clique konzentriert und eine Art Ein-Parteien-Herrschaft nach sowjetischem Vorbild etabliert. Aber der Vorwurf, ein Diktator zu sein, begleitet Putin schon lange. Viel anhaben konnte er ihm nicht, ebenso wenig wie der Umstand, dass regierungskritische Medien systematisch mundtot gemacht werden.
Im Wahlkampf verwies der in den Medien omnipräsente Staatschef immer wieder auf das kräftige Wirtschaftswachstum, das vor allem durch die sprudelnden Einnahmen aus den Öl- und Gasexporten gespeist wird. Er warnte vor einem Rückfall in das Chaos der 90er Jahre, als nach dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums in Russland der ungezügelte Kapitalismus herrschte. Bei vielen Russen ist der 55-jährige Putin auch deshalb höchst beliebt, weil er unablässig die Karte nationaler Stärke spielt. Die Supermacht USA lässt er bei allen internationalen Konfliktthemen deutlich spüren, dass sich ohne Zustimmung Russlands wenig bewegt. Seine Gegner nennt er schlicht «Schakale», die vom Westen gesponsert würden.
Der kometenhafte Aufstieg des Judo-Kämpfers und einstigen KGB-Agenten begann an Silvester 1999, als ihn der von Krankheiten zerrüttete Präsident Boris Jelzin zunächst zum Übergangspräsidenten ernannte. Wladimir Putin war zu diesem Zeitpunkt ein Nobody, doch machte er sich vor allem mit markigen Sprüchen im Konflikt mit den tschetschenischen Rebellen alsbald einen Namen.
Geboren wurde Putin am 7. Oktober 1952 in Leningrad, dem heutigen St. Petersburg. Er ist seit 1983 mit der Philologin Ludmilla verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter. Nach dem Jura-Studium an der Leningrader Universität trat er 1975 in den Auslandsgeheimdienst ein, der damals Teil des KGB war. Von 1985 bis 1990 arbeitete er als Agent in der damaligen DDR und spricht seitdem fließend Deutsch. Acht Jahre später stieg er zum Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB auf. Im August 1999 berief ihn Jelzin überraschend zum Ministerpräsidenten und machte ihn zu seinem Kronprinzen. Die Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2000 gewann Putin in einem Erdrutschsieg.
Den «Anti-Terror-Kampf» führte Putin nicht nur in Tschetschenien mit aller Härte. Dem Parlament entzog er zahlreiche Befugnisse, unbotmäßige Medien ließ er schließen oder auf Linie bringen. Auch mit widerspenstigen Oligarchen legte er sich immer wieder an. Russlands reichster Mann, Michail Chodorkowski, ist ein Beispiel für viele. Er wurde 2003 verhaftet und sitzt heute wegen Unterschlagung und Steuerhinterziehung in einem sibirischen Gefängnis.
Getreu seiner Devise, Russland zu einer starken Weltmacht zu machen, ist Putin in jüngster Zeit beständig von den USA abgerückt. Auch das Verhältnis zu Deutschland ist nicht mehr so ungetrübt wie zu Zeiten des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD), der Putin einmal als «lupenreinen Demokraten» bezeichnete. (afp)