Die Musikindustrie leidet unter sinkenden Einnahmen, weil der Verkauf von CDs nachlässt und Lieder illegal aus dem Internet gezogen werden. Strafen allein können den Datenklau nicht stoppen, glauben Experten
Essen. Für manchen Internet-Nutzer dürfte die Piratenpartei Deutschland eine skurril-spannende Wahloption sein. Sie fordert, dass man Lieder für den Privatgebrauch gratis und legal herunterladen kann. Was Schnäppchenjäger freuen würde, muss der Musikindustrie wie die Horrorvariante eines ohnehin langen Albtraums vorkommen.
Der sieht so aus: Auf 300 illegalen Börsen tauschten "Internetpiraten" 2007 rund 312 Millionen Lieder aus; Sony, BMG und Co entgingen dadurch etliche Millionen Euro. Auf der Jahrespressekonferenz hat die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte Gema deshalb verbal die Muskeln spielen lassen. Sie werde auch künftig den Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen im Internet vehement weiterführen.
So verringerten sich die Gema-Einnahmen 2007 um 2,8 Prozent auf 850 Millionen Euro, wie Vorstand Harald Heker sagte. Für 2008 rechne er mit einem "erheblichen Rückgang der Erträge", weil die CD immer weniger Käufer findet und die Internetpiraterie die Umsätze vermasselt.
Teile der Branche sehnen sich daher nach französischen Verhältnissen im heimischen Internet: Frankreich will eifrige Raubkopierer einfach vom Netz abgeklemmen. Als "Meilenstein für die Kreativwirtschaft" lobte der Vorsitzende des Bundesverbandes Musikindustrie, Dieter Gorny, unlängst den Vorstoß. "Das würde das Recht auf Informationsfreiheit verletzen", sagt Otto Grote, Anwalt bei der auf IT-Recht spezialisierten Kölner Kanzlei Wilde & Beuger.
"So eine Regel ist nicht effektiv, weil sie das Problem nicht an der Wurzel bekämpft", glaubt Professor Rolf Schwartmann von der Forschungsstelle für Medienrecht an der Kölner Fachhochschule. Das Grundübel: Vielen Jugendlichen mangele es am Unrechtsbewusstsein, wenn sie Lieder aus dem Netz saugen. Sinnvoller wären, so Schwartmann, Kurse in Mediennutzung. Dort würden die Kids lernen, dass es "am Schutz des geistigen Eigentums nichts zu rütteln gibt". Denkbar sei auch, das Internet zeitweise zu sperren. "Damit wird der Jugendliche aber von allen Informationsflüssen abgeklemmt", sagt Schwartmann.
Auf den Schutz des geistigen Eigentums zielt auch das reformierte Urheberrecht ab. Musikrechte-Inhaber können nun von Internetbetreibern die Rechneradresse einzelner Netzpiraten verlangen. "Das wird kein Erfolg", sagt Grote. Denn der Gesetzestext sieht nur die Auskunft über die dicken Fische vor, die in gewerblichem Ausmaß herunterladen, nicht aber über die vielen kleinen Sünder im Netz.
Obwohl allein der Bundesverband Musikindustrie 2007 5000 Abmahnungen und Strafen zwischen 500 und 2000 Euro gegen Internetpiraten erwirken konnte, sieht Sch wartmann die Musikbranche auf fast verlorenem Posten: "Den Kampf gegen Internetpiraterie kann sie kaum gewinnen." Die Piratenpartei dürfte es freuen. Sie sagt ohnehin: Da die Versuche gescheitert seien, Kopien für den Privatgebrauch zu verhindern, möge man sie doch freigeben. Kommentar