Brüssel. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) redet gerne Klartext, wenn er in Brüssel verhandelt. Das schätzen seine EU-Ministerkollegen. Und es hieß, Glos sei geradezu „explodiert“, als er vom plötzlich angekündigten Verkauf der Eon-Stromnetze erfuhr.
Während sein Staatssekretär in Brüssel zeitgleich gegen Netzverkäufe politische Koalitionen schmiedete. Doch seither herrscht Stille. Im Kampf um die Strom- und Gasnetze laufen die Verhandlungen nur noch hinter den politischen Kulissen in Brüssel. Die Endphase soll im Juni erreicht sein. Dann treffen sich die 27 Wirtschaftsminister der EU-Staaten in Luxemburg und wollen dort entscheiden, wer Strom und Gas künftig in die Haushalte und zum Kunden transportieren darf. Sollen weiter europäische Energiekonzerne wie Eon, RWE oder EDF (Frankreich) die Macht über die Netze haben? Sollen die Netze an private Investoren verkauft werden, oder sollen sogar kommunale und staatliche Betriebe die Verantwortung für den Energietransport übernehmen?
Es ist ein hochsensibles Thema, sowohl im Berliner Kanzleramt, für Bundeswirtschaftsminister Michael Glos und für EU-Energiekommissar Andris Piebalgs in Brüssel. Doch vergeblich hofft Piebalgs derzeit auf klare Signale von Glos aus Berlin: „Es gibt große Fragezeichen, was die deutsche Position sein wird“, so Piebalgs Sprecher, Ferran Tarradellas in Brüssel. „Seit der Ankündigung von Eon hat sich sehr viel geändert“.
Alles hängt in der Schwebe. Denn nicht nur Eon, sondern auch RWE oder andere europäische Stromkonzerne könnten unerwartet noch einen Verkauf ihrer Netze ankündigen. Dann etwa, wenn die Brüsseler Wettbewerbshüter wie im Fall Eon auch andere Versorger der Kartellbildung bezichtigen und mit hohen Kartellstrafen drohen oder stattdessen den Netzverkauf verlangen. „Das sind Spekulationen, die wir nicht kommentieren“, heißt es in Glos Ministerium abwehrend.
Weiter Eigentümer bleiben
Auch Schlagzeilen, denenzufolge RWE -Vorstandschef Jürgen Großmann die Stromnetze von Firmen aus Deutschland, Frankreich oder den Benelux-Staaten in eine gemeinsame europäische Gesellschaft einbringen wolle, werden in der RWE-Zentrale ganz anders gelesen: Man wolle auf jeden Fall weiter Eigentümer der RWE-Netze bleiben.
Glos Ärger über den Eon-Netzverkauf hat sich derweil etwas gelegt: „Wenn Unternehmen freiwillig zu dem Ergebnis kommen, ihre Netze zu verkaufen, dann ist das deren Entscheidung“. Aber einem von Brüssel verordneten Netz-Verkauf werde man natürlich nicht zustimmen, sagt eine Sprecherin von Glos in Berlin. In Paris blickt man derweil recht entspannt auf die Lage in Deutschland, ist doch in Frankreich sowohl Stromproduktion als auch das Stromnetz in Staatshand und damit voll unter staatlicher Aufsicht, die Piebalgs verlangt. Auch EU-Recht hilft den Franzosen, es verbietet Brüssel, ein Land zur Privatisierung von Unternehmen zu zwingen.
Der gemeinsame Brief von acht europäischen Ministern, darunter Glos und Frankreichs Umweltminister Jean-Louis Borloo, an EU-Kommissar Piebalgs gelte natürlich weiter, betonen französische Diplomaten in Brüssel. Darin hätten Paris und Berlin doch entscheidende Zugeständnisse gemacht: Wenn ein Netzbetreiber „nicht gewillt ist, eine als notwenig erkannte Infrastruktur zu realisieren“, dann könnten die Behörden die Betreiber zwingen, zu investieren oder andere Investoren für das Netz-Investment anzulocken. Das helfe zum Beispiel, mehr erneuerbare Energie ins Netz zu speisen. Diese Linie vertritt auch RWE. Windenergie aus Norddeutschland könne zum Beispiel in viel größerer Menge abtransportiert werden, wenn die Netze dort wie geplant vergrößert würden. Das genau will EU-Kommissar Piebalgs. Auch die Pariser Vorschläge, „regionale Netzbetreiber“ dort zu stärken, wo viel Strom transportiert und auch grenzüberschreitend verkauft wird, begrüßt der EU-Kommissar. Nur an einem Punkt offenbar scheiden sich die Geister weiter: Piebalgs will eine machtvolle Kontrolle der Stromversorger - und was will Berlin? Im Wirtschaftsministerium heißt es nur: „Wir verhandeln weiter“. Zugleich ist man dort etwas überrascht, dass sich in Brüssel zwar alles um die Stromnetze dreht, doch offenbar ein besserer Zugang von Gasanbietern zu Gas-Netzen kaum noch diskutiert wird.