Essen. Reisekonzern storniert gebuchte Reisen für vier Wochen. Danach hängen Betroffene in der Luft. Hier gibt es Anträge auf Kostenerstattung.

Europas drittgrößter Reiseanbieter FTI hat alle bereits gebuchten Pauschalreisen für die kommenden vier Wochen storniert. „Alle über FTI Touristik GmbH gebuchten Reisen mit einem Abreisedatum bis einschließlich Freitag, 5. Juli 2024, müssen leider abgesagt werden“, teilte FTI am Freitag seinen Kundinnen und Kunden auf seiner Homepage mit. Bisher war in den Reisebüros nur von Stornierungen bis 10. Juni die Rede.

Für bereits angetretene Reisen versucht der Tourismus-Riese, der am vergangenen Montag Insolvenz angemeldet hat, Lösungen zu finden. Gleichzeitig veröffentlichte FTI Links zu Onlineformularen zur Kostenübernahme durch den Reisesicherungsfonds (DRSF), auf denen Betroffene ihre Kosten zurückfordern können. Zum einen für über FTI gebuchte Reisen, zum anderen für die Konzerntochter BigXtra, für die am Donnerstag ebenfalls ein Insolvenzantrag gestellt wurde.

Wer Reisen ab 6. Juli gebucht hat, bleibt weiter im Ungewissen

Weil etliche Betroffene wissen wollen, wie es jetzt weitergeht, haben FTI und der Reisefonds DRSF nach eigenen Angaben ihre Beratungskapazitäten an den Hotlines verstärkt. Dennoch könne es nach wie vor zu längeren Wartezeiten kommen. Wer eine Reise ab dem 6. Juli gebucht hat, möge von Anrufen absehen, bittet FTI und verspricht: „Wir bemühen uns derzeit nach Kräften, Ihnen die Durchführung Ihrer Reise wie geplant zu ermöglichen.“

Das allerdings stellt die Betroffenen der Reisen ab Juli vor noch größere Ungewissheiten, was ihren Sommerurlaub angeht. „So können wir für die Kunden ja nicht aktiv werden“, gab zum Beispiel Heike Steimer vom TUI-Reisecenter Gassen in Witten gegenüber unserer Redaktion zu bedenken. Mit anderen Worten: Sie müssen hoffen, dass FTI die prekäre Lage schnell in den Griff bekommt. Oder eine andere Reise buchen und dann hoffen, dass FTI es nicht hinbekommt und sie ihre Kosten vom Reisesicherungsfonds zurückerstattet bekommen. Von Konkurrenten werden sie bereits mit Sonderangeboten für Last-Minute-Buchungen umworben.

Reisebüros im Ruhrgebiet berichten in dieser Woche von einer Flut von Anfragen ihrer Kundinnen und Kunden, die Inhaberin eines Reisebüros nannte die FTI-Pleite „eine Katastrophe für den Pauschaltourismus“. Viele Reisebüros haben über Nacht ihren größten Auftraggeber verloren. Nun werden sie überrannt von den Anfragen ihrer Kundinnen und Kunden, die über sie FTI-Pauschalreisen gebucht haben, „sekündlich“ gingen die Anrufe ein.

Von der Pleite sind alle bei FTI gebuchten Leistungen betroffen

Von der Pleite des drittgrößten Reiseanbieters in Europa sind Zigtausende Kunden nun unmittelbar betroffen. Das in München ansässige Unternehmen hat am Montag einen Insolvenzantrag gestellt. Und teilt mit, bereits ab Dienstag, 4. Juni, würden noch nicht begonnene Reisen „nicht mehr oder nur teilweise durchgeführt“ werden können.

Selbst für bereits angetretene Reisen wollte FTI am Montag nicht mehr garantieren, versprach lediglich: „Derzeit wird mit Hochdruck daran gearbeitet, dass die bereits angetretenen Reisen auch planmäßig beendet werden können.“ Demnach können auch die Urlauber nicht sicher sein, dass ihre Reisen wie geplant weiterlaufen. Auf seiner Internetseite hat FTI am Montagmittag einige wichtige Infos für seine Kundinnen und Kunden veröffentlicht.

Darin heißt es unter anderem zum Ausmaß der Insolvenz: „Generell betroffen sind alle bei dem Reiseanbieter FTI Touristik GmbH gebuchten Leistungen. Dies beinhaltet die Marken FTI in Deutschland, Österreich und den Niederlanden, die Marke 5vorFlug in Deutschland, die BigXtra GmbH sowie die Mietfahrzeugs-Marken DriveFTI und Cars and Camper.“

Nicht betroffen seien über Drittanbieter gebuchte Leistungen, etwa über TUI, Alltours, DERTOUR oder andere, bei denen FTI Touristik lediglich als Vermittler aufgetreten sei. Ebenfalls nicht betroffen seien Kunden, die über die Webseiten www.fti.de, www.fti.at, www.fti.ch, www.5vorflug.de oder www.sonnenklar.tv Reisen bei einem nicht zur FTI Gruppe gehörenden Anbieter wie TUI, Alltours oder anderen gebucht haben.

Rückholaktionen und Stornierungen für Pauschalurlauber von FTI

Pauschalreisende, die ihre Reise gerade erst angetreten haben und sich noch auf dem Weg zu ihrem Urlaubsort befinden, verweist FTI an den gesetzlichen Absicherungsschutz durch den Deutschen Reisesicherungsfonds (DRSF). Er war nach der Insolvenz des Reisekonzerns Thomas Cook im September 2019 gegründet worden und muss nun erstmals unter Aufsicht des Bundesjustizministeriums in großem Maßstab zeigen, dass er auch größere Pleiten auffangen kann. Seinerzeit musste der Staat einspringen, weil der Fonds für die Thomas-Cook-Pleite völlig unterdimensioniert war.

Konkret bedeutet das für Touristen: Sie müssen am Urlaubsort hoffen, dass tatsächlich eine konkrete Lösung gefunden wird. FTI erklärte: „In Zusammenarbeit mit dem DRSF bemühen wir uns, Sie Ihre Reise wie geplant zu Ende führen zu lassen. Wo dies nicht möglich ist, wird für Sie eine Rückreise zum ursprünglichen Abflugort organisiert werden. In Abstimmung mit Dienstleistern des Deutschen Reisesicherungsfonds werden Sie in diesem Fall direkt kontaktiert.“ Informationen dazu gibt es auf der Internetseite des Reisesicherungsfonds - https://drsf.reise

Einzelleistungen wie Hotelbuchungen oder Mietautos sind nicht abgesichert

Wer bei FTI keinen Pauschalurlaub, sondern etwa nur ein Hotel am Urlaubsort gebucht hat, fällt nicht unter den gesetzlichen Absicherungsschutz für Pauschalreisen und ist somit nicht durch den DRSF abgesichert, erklärt FTI. „Jedoch prüfen wir derzeit unabhängig davon, ob Sie bereits eingecheckt sind oder noch auf dem Weg, ob Sie Ihre gebuchten Leistungen in Anspruch nehmen können“, so das Unternehmen. Das gilt auch für alle, die über FTI etwa ein Mietauto am Urlaubsort gebucht haben.

Die Urlaube von Pauschalreisenden, die ihre Reise noch nicht angetreten haben, werden storniert. Man sei „gesetzlich gezwungen, alle gebuchten Leistungen zu stornieren“, teilt FTI seinen Kundinnen und Kunden mit. Auch für sie greife der Absicherungsschutz durch den Deutschen Reisesicherungsfonds (DRSF). Er werde „im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags dafür sorgen, dass geleistete Zahlungen erstattet werden. Er wird sich hierzu mit Ihnen in Verbindung setzen, sobald alle aktuell Reisenden zurückgeholt und die Daten ausgewertet und übertragen wurden.“ Mit anderen Worten: Urlauber, die erst in den kommenden Tagen oder Wochen starten wollten, müssen sich zunächst hintanstellen.

Der Bund wollte FTI nicht erneut mit Staatsgeld helfen

FTI mit seinen rund 11.000 Beschäftigten war in der Corona-Pandemie wie viele Konkurrenten auch in eine schwere Krise geraten. Der Bund rettete das Münchner Unternehmen mit knapp 600 Millionen Euro aus seinem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF). Während sich die Branche zuletzt erholt hat, blieben bei FTI nach eigenen Angaben die Buchungszahlen zuletzt deutlich hinter den Erwartungen zurück. Zudem hätten viele Lieferanten „auf Vorkasse bestanden“, so FTI, was zu einem „erhöhten Liquiditätsbedarf“ geführt habe.

Der hätte gedeckt werden können, bevor die geplante Übernahme des Konzerns durch ein Konsortium unter Führung des US-Finanzinvestors Certares vollzogen worden wäre, teilte FTI am Montag mit. Die Investoren wollten 125 Millionen Euro ins Unternehmen stecken. Laut Handelsblatt hat FTI zur Überbrückung erneut den Staat um Hilfe gebeten. Der Bund habe nach Verhandlungen am Wochenende erneute Hilfen aber abgelehnt. Die selbstständig geführten, aber indirekt enorm betroffenen Reisebüros haben das natürlich mitverfolgt - und sind „sehr enttäuscht von der Bundesregierung, da hätten wir mehr Unterstützung erwartet“, wie eine Inhaberin unserer Redaktion sagt.