Berlin. Die neue Frühjahrsprognose von Wirtschaftsminister Habeck ist kein Befreiungsschlag für die Wirtschaft. Was das für die Jobs bedeutet.
Deutschlands Wirtschaft befindet sich in unsicherem Fahrwasser – und die am Mittwoch von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vorgestellte Frühjahrsprognose ist noch kein Befreiungsschlag. Was die schleppende Konjunkturentwicklung für den Arbeitsmarkt bedeutet und worauf sich Beschäftigte einstellen müssen.
Wie ist die Lage am deutschen Arbeitsmarkt?
Die Arbeitslosigkeit war zuletzt gesunken, aber nicht so deutlich wie im Frühjahr üblich. Im März waren in Deutschland 2,769 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet, was zwar einen Rückgang um 45.000 im Vergleich zum Vormonat bedeutet, verglichen mit dem März des Vorjahres war die Arbeitslosenzahl aber um 176.000 höher.
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Welche Folgen hat die lahme Konjunktur für die Jobs?
Die Spuren sind inzwischen deutlich zu sehen. Insgesamt ist die Arbeitslosenzahl seit Mitte 2022 merklich angestiegen. Zudem hat der gesamtwirtschaftliche Beschäftigungsaufbau an Dynamik verloren. „Diese gespaltene Arbeitsmarktentwicklung dürfte noch bis in das kommende Jahr anhalten, das heißt, die Arbeitslosigkeit dürfte weiter, relativ langsam ansteigen und der Beschäftigungszuwachs zwar leicht positiv, aber insgesamt schwach ausfallen“, sagt Alexander Herzog-Stein, Arbeitsmarktexperte am Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.
In welchem Fall könnte es zu Massenentlassungen kommen?
Holger Schäfer, Experte für Beschäftigung und Arbeitslosigkeit am Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln), beschreibt dafür ein genaues Szenario, das an die Entwicklung der deutschen Wirtschaft im vergangenen Jahr anknüpft. Damals war das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,3 Prozent gesunken. Sollte Deutschland in eine ähnliche Lage geraten wie 2023, könnten die Folgen am Arbeitsmarkt deutlich spürbar sein.
Schäfer: „2023 sank die Wirtschaftsleistung, dabei legte das Arbeitsvolumen sogar um 0,4 Prozent zu. Es wurde also mehr gearbeitet, aber weniger produziert. Ein solches Absinken der Produktivität ist vorübergehend mal zu verkraften, aber nicht dauerhaft.“ Sollte die konjunkturelle Entwicklung erneut zurückfallen, müsse man deshalb damit rechnen, dass die Beschäftigung deutlich zurückgehe, so der Experte. Und weiter: „Unternehmen, die jetzt noch Arbeitskräfte horten, weil sie davon ausgehen, dass es bald wieder besser wird, könnten diese Strategie dann wohl nicht mehr durchhalten.“ Entlassungen im größeren Stil wären die Folge.
Was sagt das Frühjahrsgutachten?
Bundeswirtschaftsminister Habeck sieht Zeichen für eine leichte konjunkturelle Aufhellung und dafür, dass sich die Wirtschaft langsam aus der Schwächephase herausbewegt. In der Frühjahrsprojektion hat die Bundesregierung ihre konjunkturellen Erwartungen für das laufende Jahr deshalb leicht nach oben korrigiert. Es wird nun ein BIP-Wachstum von 0,3 Prozent erwartet. Als Gründe dafür nennt Habeck die gesunkenen Preise für Strom und Gas. Die günstigere Energie habe auch die Inflation sinken lassen, was sich positiv auf den privaten Konsum auswirke. Für 2025 rechnet die Regierung mit weiterer Erholung und mit einem BIP-Plus in Höhe von einem Prozent.
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Mit Blick auf die Job-Entwicklung in diesem Jahr sieht die Bundesregierung eine leicht positive Entwicklung voraus. „Im Zuge der schrittweisen Belebung dürfte sich der Beschäftigungsaufbau wieder etwas deutlicher fortsetzen und auch die Arbeitslosigkeit allmählich zurückgehen“, heißt es in dem Bericht.
Welche Entwicklung prognostizieren Experten für die Arbeitslosigkeit?
Zwei Faktoren führen in diesem Jahr zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit. Damit rechnet zumindest Fachmann Holger Schäfer vom IW Köln. Der Ökonom begründet das vor allem damit, dass das sogenannte Arbeitskräftepotenzial im Laufe dieses Jahres wohl weiter steigen wird. Einerseits liegt das an voraussichtlich weiter hohen Zuwanderungszahlen, so Schäfer. „Selbst, wenn sich die Zahlen von 2023 nicht wiederholen, kann man noch von einem kräftigen Plus ausgehen“, sagt er. Im vergangenen Jahr lag der Wanderungsüberschuss bei rund 652.000 Personen.
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Andererseits sieht der IW-Wissenschaftler auch in den Ukrainern, die 2022 vor dem russischen Angriff nach Deutschland flohen, einen Grund für eine womöglich höhere Arbeitslosigkeit in diesem Jahr. „Nach Integrations- und Sprachkursen stehen diese Ukrainer nun dem deutschen Arbeitsmarkt zur Verfügung. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass alle auf einmal in Jobs gebracht werden können“, so Schäfer, der auch darin einen Grund für steigende Arbeitslosenzahlen sieht.
Welchen Einfluss haben Stellenabbaupläne deutscher Konzerne?
Eher eine untergeordnete. Zwar haben zahlreiche deutscheGroßkonzerne, darunter Volkswagen, Continental, Bayer, BASF und auch SAP, angekündigt, Personal abbauen zu wollen. Arbeitsmarktexperte Schäfer sieht in den Plänen aber keinen Grund, in Panik zu verfallen. „Selbst, wenn ein paar große Firmen Tausende Stellen streichen, macht sich das bei einer Erwerbstätigenzahl in Deutschland von über 45 Millionen Menschen nicht unbedingt bemerkbar“, so Schäfer.
Darüber hinaus seien die Pläne der Unternehmen häufig langfristig angelegt und würden auch eine natürliche Fluktuation – zum Beispiel Arbeitnehmer, die in Rente gehen – mit einbeziehen. „Bei solchen Ankündigungen kommt es deshalb ganz häufig zu gar keinen Reaktionen auf den Arbeitsmarkt, weil sich die Effekte über mehrere Jahre verteilen“, erklärt er. Angekündigte Entlassungen stünden aber nicht unbedingt in Zusammenhang mit der konjunkturellen Lage, sondern vielmehr mit Transformationsprozessen innerhalb der jeweiligen Industrien, sagt Arbeitsmarktökonom Sebastian Link vom Ifo-Institut.
Wie stehen die Chancen, einen neuen Job zu finden?
Ganz gut. „Der Bedarf an Arbeitskräften ist weiterhin hoch“, so Link. Auch Hans-Böckler-Forscher Herzog-Stein schätzt die Chancen gut ein. Insbesondere ausgebildete Fachkräfte seien weiterhin stark nachgefragt. Bereits längerfristig arbeitslose Personen hätten es mittlerweile jedoch deutlich schwerer, eine neue Beschäftigung zu finden.
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