Düsseldorf. Die 68.000 Stahlarbeiter in Nordwest-Deutschland erhalten deutlich mehr Geld und haben den Einstieg in die 32-Stunden-Woche erkämpft.

Der Tarifkonflikt in der nordwestdeutschen Stahlindustrie ist beigelegt. Die 68.000 Beschäftigten erhalten deutlich mehr Geld. Ihr Maximalziel, die generelle Einführung der 32-Stunden-Woche, hat die Gewerkschaft IG Metall allerdings nicht erreicht.

Der Druck war riesig. Mit 24-Stunden-Streiks unter anderem in Duisburg, Dortmund und Bochum wollten die rund 68.000 Beschäftigten der nordwestdeutschen Stahlindustrie in den vergangenen Tagen ihre Tarifforderungen unterstreichen. Dazu gehörte die Einführung der 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich und 8,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt.

Nach einem 14-stündigen Verhandlungsmarathon einigten sich Arbeitgeber und IG Metall am frühen Samstagmorgen auf einen Kompromiss. Nach Angaben der Gewerkschaft erhalten die Beschäftigten zum 1. Januar 2024 eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 1500 Euro netto. Für Auszubildende sind es 1000 Euro. Von Februar bis November gibt es monatliche Zahlungen in Höhe von 150 Euro netto (Auszubildende 80 Euro). Teilzeitbeschäftigte erhalten die Inflationsausgleichprämie jeweils anteilig. Ab 1. Januar 2025 steigen die Entgelte und Auszubildendenvergütung um 5,5 Prozent. Der Tarifvertrag läuft bis zum 30. September 2025.

Drei Stunden hoch, drei Stunden runter

Zudem setzte die IG Metall zumindest einen Einstieg in die 32-Stunden-Woche durch. Bei Druck auf die Beschäftigung im Zuge der Transformation hin zur klimaneutralen Stahl- und Eisenerzeugung mit Wasserstoff statt Kohle können die Betriebsparteien - ausgehend von der Regelarbeitszeit von 35 Stunden - die Arbeitszeit um drei Stunden pro Woche absenken. Sollte aus Gründen der Transformation temporär ein Mehrbedarf nötig sein, kann die Arbeitszeit auch um bis zu drei Stunden erhöht werden. Dieses Szenario könnte etwa beim Parallelbetrieb von alten und neuen Technologien entstehen, teilte die IG Metall mit. In diesem Fall soll eine Vergütung für Mehrarbeit gezahlt werden.

Es soll aber auch individuelle Regelungen geben: Dem Wunsch der Beschäftigten auf Absenkung der individuellen Arbeitszeit auf 33,6 Stunden könne entsprochen werden, sofern dem betriebliche Belange nicht entgegen stehen. Dafür gebe es aber „grundsätzlich keine Entgeltsicherung“. Entgeltsicherung erhalten ab dem 1. Januar 2025 jedoch Beschäftigte mit einem Alter 60 Jahre und älter, die im Schichtdienst arbeiten. In den Jahren 2026 und 2027 wird die Altersgrenze jeweils um ein Jahr abgesenkt. Im Jahr 2027 soll eine Bewertung der Regelung stattfinden.

IG Metall: Hätten uns mehr gewünscht

Knut Giesler, Bezirksleiter der IG Metall NRW und Verhandlungsführer, zeigte sich mit dem Ergebnis zufrieden: „Wir geben den Beschäftigten in der Transformation Sicherheit. Kommt es zum Druck auf Beschäftigung, kann durch die Arbeitszeitverkürzung bei Teilentgeltausgleich die noch vorhandene Arbeit auf mehrere Schultern verteilt werden“, sagte er. Beim individuellen Wunsch nach Verkürzung der Arbeitszeit habe die Gewerkschaft einen Einstieg geschafft. „Wir hätten uns aber mehr gewünscht“, räumte Giesler ein.

Die Arbeitgeber bewerteten die Regelungen dagegen als „sehr positiv“. Es sei gemeinsam mit der IG Metall gelungen, eine passgenaue Regelung zur Arbeitszeit und zur Beschäftigungssicherung während der ökologischen Transformation zu schaffen, betonte der Vorsitzende des Arbeitgeberverbands Stahl, Reiner Blaschek. Die Regelung zur individuellen Arbeitszeit eröffne den Beschäftigten mehr Flexibilität. „Wichtig war uns, dass hierfür im Regelfall kein Entgeltausgleich gezahlt wird.“ Genau das hatte die IG Metall ursprünglich gefordert.

Ausgleichsprämie wird gestaffelt gezahlt

Die Ausgleichsprämie wird gestaffelt gezahlt: 1500 Euro soll es im Januar geben, jeweils 150 Euro dann in den Monaten Februar bis November. Auszubildende erhalten insgesamt 1800 Euro, ebenfalls gestaffelt. Nach der Anhebung der Gehälter ab Januar 2025 läuft der Gehaltstarifvertrag bis zum 30. September 2025. Die Gewerkschaft war ursprünglich mit einer Forderung nach einem Lohnplus von 8,5 Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten in die Verhandlungen gegangen.

Die Arbeitgeber äußerten sich dennoch skeptisch: „Die vereinbarte Entgelterhöhung strapaziert angesichts der sich rapide verschlechternden Rahmenbedingungen für die deutsche Stahlindustrie die Möglichkeiten der Unternehmen maximal“, so Blaschek. Giesler, der auch Bezirksleiter der IG Metall Nordrhein-Westfalen ist, sprach hingegen von einer „nachhaltigen Steigerung der Einkommen“.