Essen. Der Energiekonzern RWE verbucht einen Milliardengewinn und erhöht die Dividende. Konzernchef Krebber fordert indes ein Ende der Übergewinnsteuer.
Lützerath? Darüber spricht RWE-Chef Markus Krebber nicht gerne bei der Jahresbilanz des Essener Energiekonzerns. In seiner vorformulierten Rede taucht ein Rückblick auf die Räumung im rheinischen Braunkohlegebiet gar nicht erst auf. Rund um den Tagebau schlug RWE Anfang des Jahres heftiger Protest von Klimaaktivisten entgegen, die den Kohleabbau stoppen wollten. In einem tagelangen Großeinsatz der Polizei wurde das Örtchen Lützerath, unter dem sich Braunkohle befindet, geräumt.
Erst auf Nachfrage äußert sich Krebber zu dem Thema, das RWE in Atem gehalten hat. „Ich glaube, es ist unglaublich wichtig, dass wir jetzt nach vorne gucken“, sagt der RWE-Chef. „Jetzt geht es darum, die Energiewende schneller voranzutreiben.“ Die Zukunft der Energieversorgung werde jedenfalls nicht in Lützerath entschieden, argumentiert Krebber. Die Kohlekraftwerke würden nur dann laufen, wenn die Erneuerbaren nicht ausreichen. Maßgeblich sei also, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien vorankomme. „Wenn das schneller geht“, so Krebber, „kann auch noch mehr Kohle im Boden bleiben“.
Hinter Krebber leuchtet der Slogan „Growing green“ in einem Konferenzraum am Essener Firmensitz, um zu unterstreichen, dass der von Kohle und Kernkraft geprägte RWE-Konzern künftig „grün wachsen“ will. Im Geschäftsbericht des Energieversorgers dominiert die Windrad-Optik. Schon heute gehöre sein Unternehmen „international zu den führenden Unternehmen bei erneuerbaren Energien“, betont Krebber. Durch Investitionen von mehr als 50 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030 wolle RWE diese Position stärken. „Alles bei RWE“ sei auf den Aufbau einer klimaneutralen Energieversorgung ausgerichtet.
RWE-Chef Krebber: „Die Unsicherheit war gewaltig“
Die Kasse des Konzerns ist gut gefüllt, auch angesichts hoher Energiepreise infolge des Krieges von Russland gegen die Ukraine. „Die Unsicherheit war gewaltig“, konstatiert Krebber. „Das hat die Preise enorm angeheizt.“ Das Kalkül des russischen Präsidenten Wladimir Putin sei aber nicht aufgegangen. „Russlands Plan, die Abhängigkeit von russischem Pipeline-Gas zu nutzen, um Europa zu spalten, ist gescheitert“, urteilt Krebber. In Deutschland sei es schnell gelungen, Alternativen zum Gas aus Russland aufzubauen – insbesondere schwimmende Terminals für Schiffe mit Flüssiggas. Hinzu kommen Kohlekraftwerke, die eigentlich längst stillstehen sollten, um das Klima nicht weiter zu belasten.
Das Kapitel Kernenergie in Deutschland wird nach Einschätzung von Krebber in wenigen Wochen beendet sein. „Die Entscheidung ist politisch getroffen“, sagt der Konzernchef. RWE stelle sich darauf ein, das eigene Kernkraftwerk im Emsland am 15. April herunterzufahren.
Überraschend hat RWE bereits Ende Januar Geschäftszahlen für das Jahr 2022 veröffentlicht. Demnach ist das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) im Vergleich zum Vorjahr um knapp 73 Prozent auf 6,3 Milliarden Euro gestiegen. Insbesondere im Energiehandel liefen die Geschäfte für RWE rund. Der Nettogewinn schnellte insgesamt von 721 Millionen auf 2,72 Milliarden Euro in die Höhe. Für das laufende Geschäftsjahr geht der RWE-Vorstand davon aus, an die Ergebnisse von 2022 „anknüpfen zu können“.
Übergewinnsteuer belastet RWE mit rund 250 Millionen Euro
Dabei berücksichtigt sind Unternehmensangaben zufolge bereits rund 250 Millionen Euro, die RWE als Übergewinnsteuer zahlen muss. In Deutschland und in den Niederlanden habe die neue Steuer erst ab Dezember 2022 ihre Wirkung entfaltet, in Ländern wie Italien und Spanien schon früher. „Wir erwarten eine höhere Abschöpfung“, sagt RWE-Finanzchef Michael Müller mit Blick auf 2023. Prognosen seien schwierig und unter anderem von der Entwicklung der Energiepreise abhängig.
RWE-Chef Krebber plädiert für ein rasches Ende der Übergewinnsteuer. Derzeit seien die Strompreise an den Großhandelsmärkten gefallen und die Steuer entfalte damit nur noch eine geringe Wirkung, sagt der Manager: „Wir haben kaum noch Abschöpfung, aber den ganzen administrativen Aufwand.“
Zur Entwicklung der Energiepreise äußert sich Krebber bei der Bilanzpressekonferenz auch auf Nachfrage lediglich allgemein. „Erfreulicherweise ist die Marktlage im Moment entspannt – entspannter, als wir alle gedacht haben“, sagt er. „Aber ich kann nur davor warnen zu glauben, wir sind durch.“ Die neue Infrastruktur für Flüssiggas-Lieferungen nach Deutschland könne den Ausfall des russischen Pipeline-Gases noch nicht vollständig ersetzen. „Wir haben zwar eine Entspannung, aber das System ist immer noch sehr anfällig“, so Krebber. „Es ist zu früh, um da Entwarnung zu geben.“
Trotz der staatlichen Preisbremsen für Strom und Gas kommen auf viele Bürger und Betriebe deutliche Preissteigerungen zu. RWE ist – anders als der Konzernnachbar Eon – nicht im Endkundengeschäft tätig, profitiert aber als Strom- und Wärmeproduzent von hohen Energiepreisen. Zudem ist RWE an Eon mit 15 Prozent beteiligt.
Dividenden-Versprechen für die RWE-Aktionäre
Den Aktionären gibt der RWE-Vorstand ein Dividenden-Versprechen. Nach 0,90 Euro für 2022 peilt das Management 1,00 Euro je Aktie an. „Diese Größenordnung betrachten wir zugleich als Untergrenze für die kommenden Jahre“, sagt Finanzchef Müller.
Davon profitiert unter anderem der Staatsfonds von Katar: Die Qatar Investment Authority (QIA) ist mit 9,1 Prozent mittlerweile die größte Einzelaktionärin des Essener Konzerns. Auch eine Reihe von Ruhrgebietsstädten sind seit Jahren an RWE beteiligt, darunter Dortmund, Essen und Mülheim.
Zu den Aufsichtsratsmitgliedern von RWE gehören unter anderem Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) und der frühere SPD-Oberbürgermeister von Dortmund, Ullrich Sierau. Ob auch ein Vertreter von Katar in das RWE-Kontrollgremium komme? Bei der nächsten Hauptversammlung im Frühjahr stehe jedenfalls keine Neuwahl an, so Krebber. Erst 2024 sei der nächste planmäßige Termin dafür.
Bei der Bilanzpressekonferenz zeigt sich Krebber offen für das finanzielle Engagement des neuen Großaktionärs aus Katar. „Generell würde ich sagen, es entwickelt sich alles in der Region, nicht nur in Katar, in die richtige Richtung“, so Krebber, auch wenn manches nicht so schnell gehe, „wie wir uns das wünschen würden“. Wenn Deutschland im Mittleren Osten Gas einkaufe, sagt Krebber, sei es auch sinnvoll, dass Geld aus Katar zurück in die Bundesrepublik fließe, um damit Investitionen in die Energiewende zu ermöglichen.