Essen. Haus & Grund fordert eine Gaspreisbremse schon zum 1. Dezember. Sonst gerieten auch Vermieter in Zahlungsnot, meint Präsident Kai Warnecke.

Die Folgen der Energiekrise und das Chaos bei der Neufestlegung der Grundsteuer bekommen auch die mehr als 900.000 privaten Vermieter in Deutschland zu spüren, die der Verband Haus & Grund vertritt. Präsident Kai Warnecke und Walter Eilert, Vorsitzender des in Essen ansässigen Landesverbands Ruhr, fordern im Interview eine rückwirkende Gaspreisbremse zum 1. Dezember und warnen davor, dass private Eigentümer in Liquiditätsengpässe geraten könnten, weil sie hohe Heizungsabschläge für ihre Mieterinnen und Mieter vorstrecken müssen.

Der Bund will Vermieterinnen und Vermieter ab 2023 an der CO2-Abgabe beteiligen. Bislang kamen Mieterinnen und Mieter dafür allein auf. Ein richtiger Kompromiss der Bundesregierung?

Kai Warnecke: Das ist nichts weiter als Populismus und macht die Menschen in diesem Lande arm. Die Verteilung des CO2-Preises führt erst einmal dazu, dass die Lenkungswirkung – nämlich weniger zu heizen – geringer wird. In einem gut gedämmten Haus machen 50 Prozent der Heizkosten Ausgaben für warmes Wasser beim Duschen und Baden aus. Der Vermieter hat aber keinen Einfluss darauf, wie lange seine Mieter duschen oder baden. Deshalb kann es nicht sein, dass der CO2-Preis zur Hälfte bei den Vermietern landet. Das ist ein Riesen-Aufreger-Thema.

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Was wäre aus Ihrer Sicht eine gute Alternative und wie werden Sie jetzt reagieren?

Warnecke: Der Vorstand von Haus & Grund hat bereits beschlossen, Klagen bis hin zum Bundesverfassungsgericht zu führen. Die einzig richtige Lösung wäre es, die entrichtete Abgabe allen Bürgerinnen und Bürgern als Klimageld wieder zurückzugeben. Das wäre sozial. Aber der Staat will die Einnahmen ja behalten. Der CO2-Preis darf die Menschen aber nicht arm machen.

Für den Dezember übernimmt der Bund als zeitnahe Entlastung den Abschlag für die Heizkosten. Im Frühjahr soll dann die Gaspreisbremse kommen. Sind Vermieter darauf vorbereitet?

Warnecke: Erst einmal ist es ein Kardinalfehler, dass die Gaspreisbremse erst zum 1. März kommen soll. 80 Prozent der Heizkosten entstehen übers Jahr gerechnet von Dezember bis März. Wir brauchen deshalb eine Gaspreisbremse rückwirkend zum 1. Dezember. Da müssen die knapp 1000 Energieversorger in Deutschland auch mal Überstunden machen, um das zu ermöglichen. Es ist doch bürokratischer Wahnsinn, den Dezember-Abschlag nicht einzuziehen.

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Große Konzerne haben die Heizkosten-Abschläge erhöht. Fürchten Sie dennoch, dass Eigentümer erst einmal auf den höheren Rechnungen der Versorger sitzen bleiben?

Walter Eilert: Man kann die Mieterinnen und Mieter nur bitten, ihre Abschläge zu erhöhen. Das versucht man in einem freundlichen Schreiben. Der Rücklauf ist durchwachsen: Manche erhöhen, manche nicht. Deshalb erwarten wir schon Liquiditätsprobleme bei Vermietern, die etwa ein Acht-Familien-Haus besitzen. Bei ihnen liegt die größte Last. Sie müssen jeden Monat vierstellige Summen vorstrecken. Die Nachzahlungen für die Mieter kommen ja frühestens im März, wenn die Nebenkosten-Abrechnungen verschickt werden.

Sind Vermieter auf diese Durststrecke vorbereitet?

Warnecke: Man kann nur hoffen, dass die Vermieter eine Rücklage gebildet haben, um liquide zu bleiben. Manche zahlen die Abschläge für ihre Mieter aus dem eigenen Einkommen. Bei acht Millionen Wohnungen in Deutschland, die sich in privatem Eigentum befinden, wird es auch ein Stück weit Fleißarbeit sein, den Dezember-Abschlag und die Gaspreis-Bremse in den Nebenkosten-Abrechnungen abzubilden.

Eilert: Die Abrechnungs-Dienstleistungen, die Haus & Grund anbietet, werden im Moment stark nachgefragt. Unsere Geschäftsstellen im Ruhrgebiet haben damit gerade sehr gut zu tun. Wir rechnen mit einem absoluten Daten-Wahnsinn. Der Energieversorger kennt ja nur den Gasverbrauch des gesamten Hauses. Die Nebenkostenabrechnung, die Vermieter für jede Wohnung erstellen, beruhen dann auf den Werten, die Ablesedienste wie Ista, Techem und andere ermitteln.

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Zu den Preissteigerungen bei der Energie kommen höhere Bauzinsen und Baukosten. Kommt der Neubau nun zum Erliegen?

Warnecke: Der Bau von selbst genutzten Einfamilienhäusern ist bereits komplett weggebrochen. Das kann man auch an den Zahlen für Baugenehmigungen sehen. Neubau ist kaum noch für jemanden zu finanzieren. Und es ist kein Ende in Sicht: Es ist völlig unklar, wann Bürger wieder Eigentum bilden können. Das ist ganz bitter. Aber auch das Ziel der Bundesregierung, jährlich 400.000 Wohnungen zu schaffen, ist völlige Fantasterei. Es ist nicht ehrlich und irritierend, dass Kanzler Scholz trotzdem an dem Ziel festhält.

Eilert: Unter zwölf Euro pro Quadratmeter kann man nicht mehr bauen und vermieten. Das können sich aber viele Menschen einfach nicht mehr leisten.

Wird sich die Wohnungsnot in Deutschland auch angesichts der zu uns kommenden Flüchtlinge weiter verschärfen?

Warnecke: Von einer Wohnungsnot sind wir weit entfernt. Seit 2012 sehen wir Jahr für Jahr, dass der Wohnflächenverbrauch pro Kopf immer weiter zunimmt. Die Wohnungen werden also immer größer. Massive Probleme, eine bezahlbare Wohnung zu finden, haben allerdings Alleinerziehende, alleinstehende Rentner und Studierende. Deshalb sollte Politik nicht nur über die Höhe der Kaltmiete diskutieren, sondern auch die Höhe der Nebenkosten. Wir kommen an einen Punkt, an dem wir akzeptieren müssen, dass klimafreundliches Wohnen Wohlstand kostet.

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Mitten in diese krisenbedingte Unsicherheit kommt jetzt auch noch die Reform der Grundsteuer. Wie ist die Stimmung unter den Eigentümern?

Eilert: Die ersten Bescheide der Finanzämter sind da und stoßen unangenehm bei den Eigentümern auf. Mit den Festsetzungen können sie aber nichts anfangen, weil die Kommunen erst in einigen Jahren die Hebesätze festlegen werden. Und bei den Mieterwartungen tauchen Zahlen auf, die mit den tatsächlichen Mieten gar nichts mehr zu tun haben, weil sie erheblich über den wirklichen Einnahmen liegen. Das bedeutet, dass der Wert der Immobilie und damit auch die Grundsteuer steigen.

Warnecke: Der Unmut ist groß. Rund 50 Prozent der Eigentümer haben den Antrag noch gar nicht ausgefüllt. Man muss einfach zu viele Angaben machen. Haus & Grund ist gerade dabei, eine Klage gegen die Reform der Grundsteuer vorzubereiten.