Dortmund. Kabinett bestätigt Habecks Nein zum Verkauf einer Elmos-Chipfabrik an einen Investor aus China. Dortmunds OB Westphal sieht 225 Jobs in Gefahr.
Dortmunds Oberbürgermeister zürnt: „Wenn die Chinesen alle Trabi-Motoren in Deutschland kaufen würden, wäre das auch keine Gefahr für die deutsche Autoindustrie“, sagte Thomas Westphal (SPD) zum seit Tagen absehbaren Nein der Bundesregierung in Sachen Elmos. Nun sieht er 225 Arbeitsplätze in Gefahr. „Mit dem Verkauf wäre das nicht der Fall gewesen – jetzt muss Elmos überlegen, wie man weiter vorgeht“, sagte das Stadtoberhaupt.
Das Kabinett hat am Mittwoch dem Dortmunder Unternehmen den geplanten Verkauf seiner Chipfertigung für 85 Millionen Euro an Silex, eine Tochter des chinesischen Sai-Konzerns, untersagt. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sah darin eine Gefahr für „die öffentliche Ordnung und Sicherheit Deutschlands“. In Dortmund heißt es dagegen, es handle sich um Chips veralteter Bauart, denen keinerlei Geheimnis innewohne, das vor den Chinesen geschützt werden müsste.
Übernahme sollte Arbeitsplätze sichern
Elmos betonte am Mittwoch, die Übernahme der Chipfabrik durch Silex sollte in erster Linie die Arbeitsplätze sichern. „Durch den Transfer von neuen Mikromechanik-Technologien aus Schweden und erheblichen Investitionen in den Standort Dortmund wäre die Halbleiterfertigung in Deutschland nachhaltig gestärkt worden“, erklärte Elmos. Beide Unternehmen bedauerten die Entscheidung der Regierung.
„Wir müssen bei Firmenübernahmen dann genau hinschauen, wenn es um wichtige Infrastrukturen geht oder wenn die Gefahr besteht, dass Technologie an Erwerber aus Nicht-EU-Ländern abfließt“, begründete Habeck die Entscheidung. Und betonte: „Mildere Mittel, wie zum Beispiel eine Genehmigung des Erwerbs mit Auflagen, waren nicht geeignet, die identifizierten Gefahren zu beseitigen.“ Bei der Frage, welche Gefahren genau er sehe, blieb der Wirtschaftsminister im Ungefähren: „Gerade im Halbleiterbereich ist es uns wichtig, die technologische und wirtschaftliche Souveränität Deutschlands und auch Europas zu schützen. Natürlich ist und bleibt Deutschland ein offener Investitionsstandort, aber wir sind eben auch nicht naiv.“
Elmos überprüft rechtliche Schritte
In der Westfalenmetropole zeigte man sich überrascht, mit seiner vergleichsweise kleinen Dortmunder Chipfabrik in der Regierung plötzlich offenbar als Technologieführer gehandelt zu werden. Elmos stellt hier so genannte Wafer her, die auf einer vergleichsweise alten Technologie basieren und etwa noch in einfachen medizinischen Testgeräten eingesetzt werden. Für die eigenen Produkte braucht Elmos sie nicht mehr und stellte die Fertigung deshalb zum Verkauf.
IFür den 85-Millionen-Euro-Deal mit der schwedischen Sai-Tochter Silex hatte Habecks Wirtschaftsministerium Elmos zufolge bisher stets eine Genehmigung in Aussicht gestellt. „Nach dem rund zehn Monate dauernden intensiven Prüfungsprozess wurde eine Genehmigung unter Auflagen avisiert und bereits eine Entwurfsfassung der Genehmigung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz übermittelt“, erklärte Elmos. Die Untersagung sei nun „ohne vorherige Anhörung von Silex und Elmos unmittelbar vor dem Ende der Prüfungsfrist“ erfolgt. Man werde den Ablehnungsbescheid nun „sorgfältig prüfen, auch im Hinblick darauf, ob eine erhebliche Verletzung der Rechte der Parteien vorliegt, und entscheiden, ob rechtliche Schritte gegen den Bescheid eingeleitet werden“.
China-Deals werden derzeit besonders kritisch beäugt
Warum also die 180-Grad-Wende des Ministeriums in der Causa Elmos? Der Verdacht liegt nahe, das könne mit den jüngst eskalierten Debatten um zu großen Einfluss Chinas zusammenhängen. Vor kurzem hatte das Kabinett gegen den Widerstand mehrerer Ressorts, auch Habecks, und auf sehr einsames Drängen von Kanzler Olaf Scholz (SPD) beschlossen, dass der chinesische Cosco-Konzern eine Beteiligung von 24,9 Prozent an einem Terminal im Hamburger Hafen übernehmen darf. Das sind zwar weniger als die geplanten 35 Prozent, was zu viel Mitsprache der Chinesen verhindern soll. Doch Habeck und Finanzminister Christian Lindner (FDP) wollten den Einstieg komplett verbieten.
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Mitten in diesem Konflikt um zu großen Einfluss chinesischer Investoren geriet der Elmos-Deal ins Rampenlicht. Für Habeck, der schon länger angekündigt hatte, Übernahmen deutscher Firmen in Schlüsseltechnologien erschweren und so die Abhängigkeit von und den Technologieabfluss nach China verringern zu wollen, war die Elmos-Entscheidung dann doch nicht mehr so klar wie zuvor aus seinem Hause signalisiert. Eine Zustimmung hätte dem chinakritischen Minister auf die Füße fallen können. Er untersagte auch einen zweiten Deal mit einem chinesischen Investor, ohne die Namen zu nennen. Laut Handelsblatt geht es dabei um die bayrische ERS Electronic, einen Zulieferer für Halbleiter-Produktionsanlagen.
Außenhandelsverband warnt vor „Hysterie“
„Es ist gerade viel Hysterie im Spiel und es wäre schön, wenn wir zu mehr Sachlichkeit zurückfinden könnten“, sagte Andreas Mühlberg, Geschäftsführer des Außenhandelsverbands NRW, unserer Zeitung. Gleichwohl hält er es für richtig, bestimmte Konstellationen kritisch zu hinterfragen. Grundsätzlich fordert der Außenhandelsverband schon lange von der Bundesregierung, in Peking auf gleiche Investitions-Bedingungen in beiden Ländern zu drängen. Wenn sich chinesische Firmen in Deutschland beteiligen könnten, müsse dies zu gleichen Bedingungen auch für deutsche Unternehmen in China erlaubt werden.
Doch davon ist man sehr weit entfernt. Im Zuge des jüngsten Fünf-Jahres-Plans aus 2021 hat die kommunistische Ein-Parteien-Regierung die Auflagen für ausländische Investitionen noch stärker an ihren Eigeninteressen ausgerichtet. Laut einer Analyse des Kieler Instituts Weltwirtschaft (IfW) heißt China noch stärker als bisher ausländische Partner vor allem dann willkommen, wenn sie ihr Wissen mit nach China transferieren und so technologische Rückstände in der Volksrepublik verringern helfen.
Keine Chancengleichheit für deutsche Firmen in China
Umgekehrt macht Peking in Bereichen, wo China bereits vorne mitspielt oder führt, lieber dicht. China ist demnach weniger an gleichberechtigtem Handel und Wissenstransfer interessiert als daran, die Konkurrenz zu überholen und abzuhängen. Der gigantische Binnenmarkt mit 1,4 Milliarden Menschen soll künftig vor allem Hightech und Autos made in China kaufen statt BMWs und iPhones. Deutsche Unternehmen dürfen seit jeher im Riesenreich selbst nur fertigen, wenn sie jeweils einen chinesischen Partner mit ins Boot holen. Gleichwohl bleibe China „ein wichtiger Absatz- und Beschaffungsmarkt für Europa“, betont Außenhandels-Experte Mühlberg.
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In diese bilateralen Fallstricke sieht sich Elmos zu Unrecht verwickelt. Seit sich das Nein der Regierung abzeichnet, verlor die in Frankfurt notierte Elmos-Aktie mehr als 11 Prozent. Das Dortmunder Unternehmen entwickelt seit knapp 40 Jahren Halbleiter, vor allem für die Autoindustrie. Für die heute gefragten Produkte kann es die Wafer-Fertigung nicht mehr gebrauchen. Stattdessen sollen Rohchips gekauft und für die Autoindustrie weiterverarbeitet werden. Angesichts des weltweiten Halbleitermangels in den vergangenen Monaten will Minister Habeck die Importabhängigkeit Deutschlands aber grundsätzlich nicht noch weiter wachsen lassen, sondern senken, auch das schwingt in seiner Entscheidung mit.
Alternative Wirtschaftspartner in Asien gesucht
Das Ziel, sich angesichts der geopolitischen Spannungen unabhängiger von China zu machen, teilt indes auch der Außenhandelsverband (AHV). „Wir raten den Unternehmen zu einer ,China-plus-1’-Strategie. Das heißt: Wer in China aktiv ist, sollte sich eine zusätzliche Bezugsquelle in der Region sichern, etwa in Vietnam oder Kambodscha“, sagt AHV-Geschäftsführer Mühlberg. Es gehe nicht darum, sich aus China zurückzuziehen, aber darum, die Abhängigkeit für den Ernstfall zu verringern.