Essen. RWE-Chef Markus Krebber setzt künftig auf viele neue Gaskraftwerke statt auf die Braunkohle. Im Interview spricht er auch über Lützerath.
Der Essener RWE-Konzern will bereits 2030 und damit acht Jahre früher als bisher geplant seine Tagebaue und die Braunkohlekraftwerke im Rheinischen Revier aufgeben. Über das Warum und die in diesen Zeiten merkwürdig klingende Alternative, viele neue Gaskraftwerke zu bauen, sprach RWE-Chef Markus Krebber im Interview mit unserer Redaktion.
Herr Krebber, zuerst ein Comeback der Braunkohle, dann ein beschleunigter Ausstieg – klingt nach einem guten Deal für den RWE-Konzern, der im Moment viel Geld mit Kohlestrom verdient, sich an den Finanzmärkten aber lieber von seiner grünen Seite präsentiert.
Markus Krebber: Für mich ergibt sich ein gemischtes Bild: Es ist richtig, kurzfristig alle Kapazitäten zu nutzen und Kraftwerks-Stilllegungen auszusetzen. Aber wir denken mit dem frühen Kohleausstieg auch ans Ende der 20er Jahre. Hier gilt es schnellstmöglich klimaverträglichere Absicherungen für Zeiten zu schaffen, in denen zu wenig Grünstrom ins Netz fließt. Dafür sind moderne Gaskraftwerke, die perspektivisch mit grünem Wasserstoff betrieben werden können, die beste Lösung. Dass wir dafür früher aus der Braunkohle aussteigen, macht diesen Tag aber auch zu einem wehmütigen für unsere Beschäftigten im Rheinischen Revier.
Ab 2030 kohlefrei zu sein, lässt sich an der Börse gut verkaufen, kommt Ihnen der frühere Ausstieg nicht sehr gelegen?
Krebber: Wir müssen uns aus dieser aktuellen Energiekrise und auch aus der Klimakrise herausinvestieren. Dafür muss sich Deutschland zunächst unabhängig von russischem Gas machen, indem etwa Flüssiggas-Terminals gebaut werden, wo wir unterstützen. Und es muss endlich in neue Technologien investiert werden. Wir können nicht immer nur alles abschalten, wir müssen auch etwas anschalten: Erneuerbare Energien, Speicher, flexible Backup-Kapazitäten.
Tausende verlieren im Rheinischen Revier nun früher ihre Arbeitsplätze. Wie verkaufen Sie vor allem den Jüngeren dort diese Entscheidung?
Krebber: Ich habe zunächst einmal hohen Respekt vor der Bereitschaft vieler, jetzt länger zu arbeiten, um die Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten. Einige Tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind aber auch früher vom Kohleausstieg betroffen, für sie gilt unsere Zusage, dass wir alles dafür tun, dass sie nicht schlechter gestellt werden. Dafür gibt es die Zusicherung der Bundesregierung, das Anpassungsgeld für die Frühverrentung zu flexibilisieren. Und wir werden Qualifizierungsangebote machen und wollen unsere Mitarbeiter von Arbeit in Arbeit bringen. Niemand soll ins Bergfreie fallen.
Um die Kohle zu ersetzen, wollen Sie nun viele neue Gaskraftwerke bauen. Wie passt das denn in diese Zeit, da Gas so knapp und teuer ist wie nie?
Krebber: Das mutet inmitten der größten Gaskrise sicher seltsam an. Doch wir müssen das vom Ende her denken. Wir tun alles dafür, dass diese Gaskrise spätestens 2024 beendet ist. Wir brauchen in einer Energiewende, wo der Strom vor allem durch Wind und Sonne erzeugt wird, auch gesicherte Leistung. Das soll nicht mehr Kernenergie und nicht mehr Kohlestrom sein, also bleibt am Ende nur Gas, und zwar so schnell wie möglich grüner Wasserstoff als klimaneutrales Gas.
Wie viele Gaskraftwerke wollen Sie bauen – und wo?
Krebber: Was wir an Braunkohle-Kapazität früher aus dem Markt nehmen, also drei Gigawatt, wollen wir an perspektivisch grüner Gaskapazität neu schaffen. Diese Kraftwerke planen wir vor allem in NRW, an den Standorten der bisherigen Braun- und Steinkohlekraftwerke. Aber wir können uns als RWE auch vorstellen, in Deutschland mehr wasserstofffähige Gaskraftwerke zu bauen, wenn das notwendig ist, wovon ich ausgehe. Gesichert muss aber sein, dass an den Standorten auch Wasserstoff ankommt, darüber brauchen wir sehr schnell Klarheit über den Ausbaupfad des Wasserstoffnetzes.
Zur Einigung gehört auch, dass Lützerath der Braunkohle weichen muss. Erwarten Sie dort ähnlich heftige Proteste wie im Hambacher Forst?
Krebber: Ich hoffe es nicht. Ich habe gleichwohl absolutes Verständnis für andere Meinungen und Proteste, solange sie friedlich bleiben. Aber ganz ehrlich: Einen Ort, der schon verlassen ist, jetzt zum Symbol zu machen, kann ich nicht nachvollziehen. Uns ist es gelungen, eine Lösung zu finden, die der Versorgungssicherheit und dem Klimaschutz gleichermaßen Rechnung trägt. Wir lassen 280 Millionen Tonnen Braunkohle im Boden liegen. Und die Einigung ermöglicht, dass für den Tagebau Garzweiler keine Bürger mehr umsiedeln müssen – die Orte des dritten Umsiedlungsabschnitts bleiben erhalten.