Essen. Evonik-Chef Christian Kullmann gibt das Amt des VCI-Präsidenten ab. Markus Steilemann von Covestro folgt. Kullmann sagt „magere Zeiten“ voraus.
Nach zweieinhalb Jahren an der Spitze des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) gibt Evonik-Chef Christian Kullmann das Amt als führender Repräsentant der Branche mit mehr als 530.000 Beschäftigten ab. Seine Nachfolge tritt der Chef des Leverkusener Kunststoff-Konzerns Covestro, Markus Steilemann, an. Kullmann hatte das Amt beim VCI mitten in der Corona-Krise im März 2020 übernommen. Mit Blick auf die Folgen des Ukraine-Kriegs zeigte sich der scheidende Branchen-Präsident bei einer online übertragenen Veranstaltung des Verbands in Berlin besorgt. „Das, was vor uns liegt, werden magere Zeiten – mit großen, mit argen Herausforderungen“, sagte Kullmann.
Deutschlands Gesellschaft müsse sich mit Verzicht vertraut machen, sagte der Chef des Essener Chemiekonzerns. Derzeit werde der Sozialstaat insbesondere „durch eine starke Industrie“ mit „gut bezahlten Jobs“ finanziert. Doch die Industrie stehe derzeit durch hohe Energiepreise „brutal unter Druck“, gab Kullmann zu bedenken. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Chemieindustrie verdienten im Durchschnitt 75.000 Euro. „Die leisten wesentliche Beiträge für unseren Sozialstaat“, sagte Kullmann mit Blick auf die Chemie-Beschäftigten. „40 Prozent der Jobs, die wir in Deutschland haben, sind im Dienstleistungsbereich. Da liegt das Durchschnittsgehalt bei 30.000 Euro. Die leisten faktisch keinen Beitrag.“ Für die Chemieindustrie schlussfolgerte Kullmann: „Wir sind wichtig – auch um den Sozialstaat zu finanzieren.“
Kullmann: „Ohne uns dreht sich halt kein Windrad“
Zugleich sei ohne Chemie keine ökologische Transformation der Industrie möglich, so der Evonik-Chef. „In 90 Prozent aller Produktionsprozesse ist Chemie drin. In Zukunft wird es noch mehr werden“, betonte er. „Ohne uns dreht sich halt kein Windrad, ohne uns gibt es keine Leichtbauweise.“ Auch für Elektrobatterien und die Wärme-Isolierung von Immobilien werde die Chemieindustrie benötigt. Daher sei die Branche auch „voller Chancen“.
Der VCI vertritt nach eigenen Angaben die Interessen von rund 1900 Unternehmen aus der chemisch-pharmazeutischen Industrie. Im vergangenen Jahr setzten die Mitgliedsunternehmen des VCI rund 220 Milliarden Euro um. Covesto-Chef Markus Steilemann folgt turnusgemäß auf Kullmann, der als Mitglied des VCI-Präsidiums bestätigt worden ist. Steilemanns Amtszeit dauert zwei Jahre.
Neuer VCI-Chef Steilemann: Firmen drosseln Produktion
Für die deutsche Chemie seien die Zeiten „noch nie so ernst und herausfordernd“ gewesen wie jetzt, so Steilemann. Seit Monaten sei die Branche im Krisenmodus. „Niemand darf mehr die Augen davor verschließen, dass auch solide geführte Unternehmen wegen Energiepreisen auf einem nie da gewesenen Rekordniveau mit dem Rücken zur Wand stehen, ihre Produktion drosseln oder gar einstellen“, warnte der neue VCI-Präsident. „Wenn Unternehmen nicht mehr rentabel produzieren können, sind die Folgen für unsere gesamte Gesellschaft fatal.“
Trotz einer drohenden Rezession bleibe die nachhaltige Transformation ein Leitthema für die Branche. „Natürlich liegt unser Fokus momentan darauf, die Energiekrise zu bewältigen und den Industriestandort Deutschland zu erhalten“, betonte Steilemann. „Die durch den russischen Angriffskrieg hervorgerufene Energiekrise zeigt aber, wie wichtig es ist, die Zukunft unserer Industrie klimaneutral, digital und zirkulär zu gestalten.“
Steilemann ist seit Mitte 2018 Vorstandschef des Kunststoffherstellers Covestro. Der promovierte Chemiker und Diplom-Betriebswirt begann seine berufliche Laufbahn im Jahr 1999 beim Bayer-Konzern. Von 2013 bis 2015 stand der 52-Jährige an der Spitze eines Konzernsegments mit Hauptsitz in China, wo er mehrere Jahre lebte. Steilemann ist verheiratet, Vater von zwei Kindern und lebt mit seiner Familie in Köln.