Duisburg. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak im Interview zum Thyssenkrupp-Umbau: „Förderung ja, Beteiligung nein.“

Nur mit finanzieller Unterstützung des Staates, heißt es bei Thyssenkrupp, könne der Umbau des größten deutschen Stahlstandorts in Duisburg gelingen. Für den Aufbau einer klimafreundlichen Produktion sind milliardenschwere Investitionen in den kommenden Jahren erforderlich. Nicht nur Thyssenkrupp, auch Unternehmen wie ArcelorMittal hoffen auf Geld aus der Staatskasse. Die Konzerne setzen auf finanzielle Hilfe beim Bau der neuen Produktionsanlagen, aber auch später im laufenden Betrieb, da grüner Stahl in der Herstellung zunächst teurer sein dürfte als konventionelles Material. Der Duisburger Grünen-Politiker Felix Banaszak, der als Abgeordneter im Haushaltsausschuss und im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestags sitzt, befasst sich intensiv mit dem Thema. Von 2018 bis zu seinem Wechsel ins Parlament hat er gemeinsam mit der jetzigen Vize-Ministerpräsidentin Mona Neubaur die Grünen in NRW geführt. Im Gespräch mit unserer Redaktion spricht sich Banaszak für staatliche Förderung zur grünen Stahlherstellung aus. Er ist aber gegen einen Staatseinstieg bei Thyssenkrupp Steel. Hier unser Interview im Wortlaut:

Herr Banaszak, die NRW-Landesregierung will den grünen Umbau des Stahlherstellers Thyssenkrupp mindestens mit einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag unterstützen. Das Unternehmen hofft aber auch auf Geld vom Bund. Sind die Hoffnungen berechtigt?

Banaszak: Die Transformation der Stahlindustrie ist eine Mammutaufgabe. Sie kann nur gelingen, wenn die Unternehmen selbst daran glauben und investieren. Aber sowohl das Land NRW als auch der Bund müssen ein Interesse daran haben, den Stahlstandort in Duisburg zu erhalten – und werden dazu ihren Beitrag leisten. Auch Niedersachsen stellt gemeinsam mit dem Bund Fördermittel für das nachhaltige Transformationsprogramm der Salzgitter AG bereit. Das unterstreicht, wie groß die Aufgabe ist.

Der Haushalt des Bundes ist deutlich größer als der Landesetat. Heißt das für Thyssenkrupp: Die Summe, die vom Bund kommt, wird größer sein als die Förderung des Landes NRW?

Banaszak: Über die genauen Summen kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nichts sagen, aber sicher werden sie nicht gering sein. Die Mittel des Bund sind da, aber sie sind auch nicht unbegrenzt, und Thyssenkrupp wird nicht das einzige Unternehmen bleiben, das Gelder beantragen wird.

Aus welchen Fördertöpfen wird das Geld für Deutschlands größten Stahlkonzern kommen?

Banaszak: Wir stellen im Klima- und Transformationsfonds, der ein Sondervermögen des Bundes ist, überjährig Haushaltsmittel für die Dekarbonisierung der Industrie zur Verfügung. Der Fonds speist sich aus den Einnahmen aus dem CO2-Preis, dem EU-Zertifikatehandel und Zuweisungen des Bundes. Gegen 60 Milliarden Euro, die wir dem Fonds mit dem Nachtragshaushalt 2021 zugewiesen haben, klagt übrigens die CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Hätte sie – wovon ich nicht ausgehe – mit ihrer ökonomisch wirklich wahnsinnigen Klage Erfolg, wäre das auch eine Gefahr für den Umbau der Stahlindustrie.

Ist es aus Ihrer Sicht richtig, dass Steuergelder für die Stahlindustrie fließen?

Banaszak: Bis zu fünf Prozent der deutschlandweiten CO2-Emissionen entstehen allein bei Thyssenkrupp in Duisburg. Der Umbau der Stahlindustrie zur klimaneutralen Produktion ist ein riesiger Beitrag zum Klimaschutz, er ist aber auch die Bedingung dafür, dass in Deutschland produzierter Stahl auf dem Weltmarkt zukünftig noch wettbewerbsfähig ist. Die Kosten für den Umbau sind immens, das kann keins der großen Stahlunternehmen derzeit alleine stemmen. Wir haben aber ein Interesse daran, den Stahlstandort zu sichern und gleichzeitig das Klima zu schützen. Deshalb sind Subventionen gerechtfertigt.

Auf NRW-Ebene ist es eine schwarz-grüne Koalition, die Geld für den Umbau der Stahlindustrie bereitstellt. Auf Bundesebene regiert die Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP. Haben die Stahlkocher mit dem grünen Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck einen Fürsprecher?

Banaszak: Robert Habeck hat sehr bewusst schon im Februar das Stahlwerk von Thyssenkrupp in Duisburg besucht und dabei auch umfängliche Unterstützung zugesichert. Er weiß, welche Chance im Umbau der Stahlindustrie steckt – für den Industriestandort, für Arbeitsplätze und eben auch für den Klimaschutz.

Glauben Sie, der liberale Bundesfinanzminister Christian Lindner sieht das auch so?

Banaszak: Die Liberalen stehen staatlichen Subventionen in der Regel kritischer gegenüber, weil sie stärker auf die freien Marktkräfte setzen. Ich werbe aber beim Koalitionspartner dafür, mit einer aktiven Industriepolitik die richtigen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen zu setzen, und das bedeutet an dieser Stelle auch staatliche Förderung.

Nicht nur Thyssenkrupp, sondern auch andere Stahlkonzerne hoffen auf eine staatliche Förderung beim Aufbau einer grünen Produktion – zum Beispiel auch ArcelorMittal in Duisburg. Wird mit der Unterstützung für Thyssenkrupp ein Präzedenzfall geschaffen?

Banaszak: Die staatlichen Unterstützungsprogramme für Investitions- und Betriebskosten stehen selbstverständlich auch anderen Unternehmen zur Verfügung, übrigens nicht nur im Stahlsektor. Auch Chemie-, Zement- und andere energieintensive Industrien mit hohem CO2-Ausstoß stehen vor großen Umbrüchen.

Als Europas größer Stahlstandort könnte Duisburg besonders davon profitieren, wenn Geld aus dem Staatshaushalt für den Aufbau einer grünen Produktion fließt. Ist bei Ihnen auch Lokalpatriotismus im Spiel, wenn Sie sich für eine Förderung einsetzen?

Banaszak: Es ist sicherlich kein Nachteil für das Ruhrgebiet, dass der grüne Industrie- und Haushaltspolitiker im Bundestag ein Duisburger ist und weiß, welche Herausforderungen, vor allem aber: welche Potenziale diese Region hat, sich als klimaneutrale Industrieregion neu zu erfinden.

Etwas anderes wäre es, wenn sich der Staat auf direkt an Thyssenkrupp Steel beteiligen würde, wie es die IG Metall fordert. Dann wäre der Staat auch an künftigen Gewinn beteiligt. Sind Sie ein Befürworter einer Staatsbeteiligung?

Banaszak: Ich bin selbst Mitglied der IG Metall, aber hier vertrete ich eine andere Position als meine Gewerkschaft. Es ist gut, wenn die Thyssenkrupp-Stahlsparte vom Mutterkonzern unabhängig wird, aber sie sollte dann auch auf eigenen Beinen stehen. Ein Staatseinstieg – wie er bei kriselnden Unternehmen diskutiert wird – wäre aus meiner Sicht kein starkes Signal dafür, dass Stahl Zukunft hat. Deshalb wäre meine Formel: Förderung ja, Beteiligung nein.

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Das Unternehmen will schon im Herbst die Aufträge an Anlagenbauer vergeben. Gibt es bis dahin Klarheit zu einer finanziellen Unterstützung durch den Bund? Wann genau wird klar sein, worauf es hinausläuft?

Banaszak: Ich glaube, der Aufsichtsrat hat die Signale aus Land und Bund richtig gedeutet, als er die Eigenmittel für den Bau freigegeben hat. Das Ministerium arbeitet auf Hochtouren an den Förderrichtlinien, sowohl für die Unterstützung der Investitions- als auch der Betriebskosten. Ich bin optimistisch, dass es bald Klarheit geben wird.

Staatliche Förderung erhofft sich Thyssenkrupp nicht nur für den Bau der neuen Anlage, sondern später auch im fortlaufenden Betrieb, da grüner Stahl voraussichtlich teurer sein dürfte in der Herstellung. Ist es aus Ihrer Sicht richtig, wenn der Staat mit Geld einspringt?

Banaszak: Mit den sogenannten Klimaschutzverträgen entwickeln wir gerade ein Instrument, das die richtigen Anreize setzt. Noch in diesem Jahr wollen wir erste Verträge abschließen. Die Logik ist simpel: Solange die Kosten für die CO2-freie Produktion höher sind als die für die konventionelle Herstellung, zahlt der Staat die Differenz. Steigt der CO2-Preis und sinken etwa die Preise für grünen Wasserstoff, verringert sich die Differenz und damit auch die staatliche Förderung. Nach einiger Zeit kommt der Punkt, an dem die klimafreundliche Produktion auch wirtschaftlich günstiger ist – ab dann zahlt das Unternehmen die Kostenvorteile an den Staat zurück. Damit können wir Investitionsrisiken abfedern, ohne dauerhafte Subventionen zu leisten. Denn dauerhaft wird sich der Umbau für die Unternehmen rechnen.

Die Stahlwerke im Ruhrgebiet sind aus gutem Grund um die Zechen herum entstanden. Mit der Kohle war ein wichtiger Rohstoff direkt verfügbar. Nun sind die Zechen geschlossen. Für die grüne Stahlproduktion benötigen die Unternehmen in Zukunft insbesondere günstige Energiepreise und jede Menge Wasserstoff – beides ist rar. Wie soll der Standort Duisburg da im internationalen Wettbewerb mithalten?

Banaszak: Indem wir die erneuerbaren Energien mit Wucht ausbauen und darüber die Strompreise nachhaltig senken. Dann werden wir die Elektrolysekapazitäten deutlich erhöhen und die Pipelines für den Transport schnell errichten und gleichzeitig die Import-Infrastruktur für grünen Wasserstoff aus dem Ausland schneller aufbauen, als es bislang geplant ist. Und zuletzt arbeiten wir an einem europäischen CO2-Grenzausgleich, der die Verlagerung von Produktionskapazitäten etwa nach China verhindern soll. Das alles wird keine leichte Aufgabe, aber ich bin mir sicher, dass sich die Arbeit am Ende lohnt.