Essen. Habecks Idee, zwei Atomkraftwerke in Notreserve zu schicken, nennt Eon technisch unmöglich. Kernkraft-Chef weigert sich. Minister schlägt zurück.
Eon hält die Pläne von Wirtschaftsminister Robert Habeck, die beiden Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim zum Jahresende herunterzufahren, aber als Notreserve bereit zu halten für nicht machbar. Das bestätigte der Essener Stromkonzern, dessen Tochter Preussen Elektra Isar 2 betreibt, unserer Zeitung. Der baden-württembergische EnBW hielt sich zunächst zurück. Die Betreiberin von Neckarwestheim hatte nach der Einigung im Koalitionssauschuss auf den Akw-Reservebetrieb angekündigt, die Machbarkeit dieser Idee prüfen zu müssen. Zuvor hatte EnBW aber bereits erklärt, auch ein Streckbetrieb sei nur für wenige Wochen über den Jahreswechsel hinaus möglich.
Eon: „Technisch nicht machbar“
„Wir haben am Montagabend kommuniziert, dass Kernkraftwerke in ihrer technischen Auslegung keine Reservekraftwerke sind, die variabel an- und abschaltbar sind“, erklärte Eon. Gleichzeitig ließ die Konzernzentrale in Essen durchblicken, dass dies noch nicht das letzte Wort sein muss. Denn: „Sie können davon ausgehen, dass wir hierzu im engen Austausch mit dem Bundeswirtschaftsministerium sind, um eine umsetzbare Lösung zu finden.“
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Der Chef der Eon-Kernkrafttochter Preussen Elektra, Guido Knott, war zuvor ungleich deutlicher geworden und hatte Habecks Kompromisslösung für nicht umsetzbar erklärt. Dass sich ein Akw auch im Streckbetrieb nicht flexibel einfach hoch- und runterfahren lasse, habe man dem Ministerium bereits im August mitgeteilt. Werde es ganz heruntergefahren, sei das erst recht nicht möglich. „Dann nämlich ist mit den eingeschränkten Möglichkeiten eines solchen Reaktorkerns ein Wiederanfahren im fortgeschrittenen Streckbetrieb nicht und schon gar nicht kurzfristig innerhalb einer Woche machbar“, schreibt Knott in einem Brief an Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen vom Dienstag, aus dem der „Spiegel“ zitiert.
Preussen-Elektra-Chef Knott gibt Habeck harte Abfuhr
Der Chef der Eon-Kernkrafttochter wird noch deutlicher und weigert sich offen, Habecks Plan umzusetzen. Preussen Elektra habe keinerlei Erfahrungswerte mit einem solchen Vorgehen und werde das jetzt auch nicht versuchen. „Das Austesten einer noch nie praktizierten Anfahrprozedur sollte nicht mit einem kritischen Zustand der Stromversorgung zusammenfallen“, schreibt er. Kurzum: Der von Habeck ersonnene Kompromiss zwischen Stilllegung und Streckbetrieb werde von Preussen Elektra „nicht praktiziert“.
Der Wirtschaftsminister wies die Kritik am Mittwoch zurück. „Ich habe den Brief von Preussen Elektra mit einiger Verwunderung zur Kenntnis genommen“, erklärte Habeck in Berlin und und warf dem Konzern vor, das Konzept der Notfallreserve nicht verstanden zu haben. Denn ein Hoch- und Herunterfahren der Anlagen sei nicht geplant. Vorgesehen sei vielmehr „einmal zu entscheiden, ob man die Kraftwerke braucht oder nicht“. Das könne im Dezember, Januar oder Februar geschehen. „Das ist offensichtlich an den Technikern von Preussen Elektra vorbeigegangen“, sagte der Grünen-Politiker.
Minister Habeck: Eon hat das Reserve-Konzept nicht verstanden
Zudem verwies Habeck auf einen früheren Brief des Energiekonzerns von August, in dem dieser mitgeteilt habe, dass es auch im Fall eines längeren Streckbetriebs einen kurzfristigen Stillstand brauche. Nach Habecks Darstellung widersprechen sich diese Angaben des Konzerns. Nun solle in neuen Gesprächen geklärt werden, was gelte, so Habeck.
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Der neue Stresstest der Bundesnetzagentur hatte ergeben, dass die Akw in Süddeutschland wahrscheinlich nicht über das vorgesehene Laufzeitende in diesem Dezember hinaus gebraucht werden, um die Stromversorgung zu sichern, das RWE-Akw im Emsland ohnehin nicht. Eine stundenweise krisenhafte Situation im Stromsystem im Winter 22/23 sei „sehr unwahrscheinlich“, könne aber auch „nicht vollständig ausgeschlossen werden“. Im ungünstigsten Szenario mit regionalen Engpässen könnten die Akw demnach noch einen Beitrag leisten. Habeck hatte das so interpretiert, dass der von vielen Experten empfohlene, der grünen Basis aber abgelehnte Streckbetrieb bis April nicht nötig sei. Für den schlimmsten Fall will er aber die Akw in Bereitschaft halten.
Der entscheidende Punkt ist, wie schnell die Kernkraftwerke wieder Strom liefern können, wenn sie einmal ganz runtergefahren wurden. Habeck geht von mehreren Tagen aus und davon, dass mögliche Engpässe auch so weit im voraus von den Netzbetreibern vorherberechnet werden können. Eon erklärt nun, eine Woche sei zu wenig, bei EnBW hält man sich noch bedeckt, im Umfeld des in staatlicher Hand befindlichen Konzerns kursierten aber ebenfalls längere Anlaufzeiten. Dennoch gibt man sich bei EnBW entspannter und optimistisch, eine Lösung zu finden.