Essen. Der Energiekonzern Steag verzeichnet wegen der Gaskrise einen Gewinnsprung. Kohlestrom ist gefragt. Aber ein Abschied der Stadtwerke rückt näher.

Ein Verkauf des Essener Energiekonzerns Steag rückt näher. „Die Investmentbank Morgan Stanley ist damit befasst, potenzielle Investoren anzusprechen“, berichtet Steag-Chef Andreas Reichel im Gespräch mit unserer Redaktion. „Rund 30 Finanz- und Infrastrukturinvestoren sowie mögliche Käufer aus der Energiebranche sind bereits kontaktiert worden.“ Offiziell soll der Verkaufsprozess im Herbst starten und Mitte kommenden Jahres abgeschlossen sein.

Derzeit gehört die Steag mehreren Stadtwerken aus dem Ruhrgebiet, die vor mehr als zehn Jahren eingestiegen sind. Für insgesamt rund 1,2 Milliarden Euro übernahmen die kommunalen Betriebe den traditionsreichen Essener Energieversorger vom Chemiekonzern Evonik. Mittlerweile wollen die Steag-Städte – Essen, Bochum, Duisburg, Dortmund, Oberhausen und Dinslaken – wieder aussteigen.

Im Frühjahr hat Reichel eine Zweiteilung der Steag auf den Weg gebracht. Durch die Aufspaltung sollen zwei Teilkonzerne entstehen: ein Unternehmen mit Geschäften rund um erneuerbare Energien und ein Betreiber von Kohlekraftwerken. Das sollte die Möglichkeit eröffnen, auch Teile des Essener Energiekonzerns an Investoren abzugeben. Da auch die deutschen Steag-Kohlekraftwerke angesichts der Gaskrise gut laufen, werde ein Komplettverkauf nun aber wahrscheinlicher, berichtet Reichel. „Die Chancen auf einen Verkauf der Steag als Ganzes haben sich deutlich verbessert“, sagt er und verweist auf die Sondierungsphase bei potenziellen Investoren. „Beinahe ausnahmslos gibt es die Rückmeldung, dass die Steag auch als Ganzes attraktiv sein könnte.“

An der Zweiteilung der Steag in „einen grünen und einen schwarzen Bereich“ wolle das Management indes festhalten, erklärt Reichel. „Damit sind wir weiterhin für jedes denkbare Investorenszenario vorbereitet.“ Mit den Plänen zur Zweiteilung des Konzerns werden sich seiner Darstellung zufolge bald auch die Stadträte der Steag-Kommunen befassen. „Bislang ging es in den Stadträten vor allem um die Frage, ob es einen Steag-Verkauf geben sollte. Nun geht es auch um das Wie“, sagt Reichel. „Wir sind guter Dinge, dass unsere Pläne Zustimmung finden.“ Rund 5700 Arbeitsplätze hat die Steag. Etwa 1900 Beschäftigte sollen zum schwarzen und 3800 zum grünen Bereich gehören.

Gewinnsprung in der Gaskrise

Sein Unternehmen sieht Reichel im Aufwind. In den ersten sechs Monaten des laufenden Geschäftsjahres habe der Steag-Konzern seinen Umsatz auf rund 2,41 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Im Vorjahreszeitraum lagen die Umsatzerlöse Unternehmensangaben zufolge lediglich bei etwas mehr als einer Milliarde Euro. Das Konzernergebnis nach Steuern vervielfachte sich auf rund 320 Millionen Euro – nach knapp 39 Millionen Euro im Vorjahreshalbjahr.

„Das Unternehmen erholt sich in einem Maße, wie es bis vor Kurzem nicht zu erwarten gewesen wäre“, sagt Reichel. Die Stromerzeugung aus Steinkohle, über Jahrzehnte hinweg das klassische Geschäftsmodell der Steag, ist wieder gefragt, um Gas zu sparen. „Im Winter wollen wir zwei weitere Steinkohlekraftwerke aus der Netzreserve holen und wieder am Markt teilnehmen“, kündigt Reichel an. „Unser Ziel ist, spätestens zum 1. November mit den saarländischen Kohlekraftwerken Bexbach und Weiher auf den Markt zu gehen – zusätzlich zu unseren Anlagen im nordrhein-westfälischen Bergkamen und in Völklingen-Fenne im Saarland, die eigentlich kurz vor der Stilllegung standen, nun aber weiterhin laufen sollen.“

Bevor die Kraftwerke Bexbach und Weiher wieder ans Netz gehen können, müssten aber noch logistische Fragen geklärt werden. „Für die Kohleversorgung benötigen wir Züge. Derzeit gibt es an dieser Stelle Engpässe“, berichtet Reichel. „Es ist aber realistisch, dass wir den Kraftwerksbetrieb Anfang November starten können.“

„Wir sehen uns nicht als Krisengewinnler“

Dank der Gewinne aus dem Betrieb der deutschen Kohlekraftwerke sei die Steag nun in der Lage, verstärkt in den Ausbau des Geschäfts mit erneuerbaren Energien zu investieren. „Wir haben Spielraum bekommen, den Wandel des Konzerns deutlich voranzubringen“, sagt Reichel. Eine Gewinnausschüttung an die Stadtwerke, die über eine Beteiligungsgesellschaft Eigentümer der Steag sind, sei derzeit kein Thema. „Wir haben klare Spielregeln für die Sanierung der Steag formuliert“, so Reichel. „Eine Gewinnausschüttung ist da nicht vorgesehen. Zunächst einmal geht es darum, bestehende Kredite abzuzahlen.“

Ein Kandidat für eine Übergewinnsteuer, die politisch heiß diskutiert wird, sei der Essener Energiekonzern mit seinem Gewinnsprung nicht, beteuert Reichel. „Wir sehen uns nicht als Krisengewinnler“, sagt er. „Wir sollten realistisch bleiben. Noch im Jahr 2020 befand sich das Unternehmen in einer tiefen Krise. Wegen der Pläne für den Kohleausstieg waren wir am Rand unserer Existenzfähigkeit. Wir sehen nun eine deutliche Erholung.“