Herne. Bäcker wie der Herner Familienbetrieb Brinker spüren die Folgen von Gaskrise und allgemeiner Teuerung. Das wirkt sich auf die Brötchenpreise aus.
Wer Karl Brinker in seinem Büro im Herner Stadtteil Börnig besucht, trifft auf jede Menge Bäckerei-Erfahrung. Hinter Brinkers Schreibtisch hängen Bilder seiner Vorfahren. Er selbst hat den Familienbetrieb, der seinen Nachnamen trägt, in dritter Generation übernommen. Seit 1992 führt er die Ruhrgebietsfirma, zu der 76 Filialen und rund 700 Beschäftigte gehören. Brinker hat also einen guten Überblick, wenn es darum geht, die aktuelle Krise einzuordnen. „Die Situation, in der sich unsere Branche befindet, ist schon einzigartig“, erzählt Brinker. „Das hat es in den letzten 80 Jahren so nicht gegeben. Das hat auch mein Vater nicht erlebt.“
Wohin er schaue, sehe er Entwicklungen, die nichts mehr zu tun hätten mit der jahrelangen Stabilität in seiner Branche. „Die Preise für Mehl sind massiv gestiegen, beim Rapsöl und der Butter sieht es ähnlich aus. Hinzu kommen die Strom- und Gaspreise. Das sind enorme Belastungen“, sagt der 63-Jährige, der seinen Betrieb gemeinsam mit seiner Frau Marlies führt. Jahrelang habe ein Liter Rapsöl rund 80 Cent gekostet, „jetzt müssen wir locker mehr als das Doppelte bezahlen“. Ein wichtiger Faktor seien auch die Spritpreise. „Wir müssen unsere Filialen und Kunden überall im Ruhrgebiet ansteuern.“
Nicht nur in der Produktion und bei der Logistik, sondern auch in den Filialen entstünden höhere Kosten, berichtet der Unternehmer. „Kaffee, Käse und Wurst für die belegten Brötchen, Verpackungsmaterial – alles
wird teurer.“ Und ein Ende sei wohl nicht in Sicht. „Es ist zu Preissteigerungen gekommen, und es wird noch weitere Preissteigerungen geben“, vermutet Brinker. Mit seiner Firma ist er auch Hersteller von Tiefkühl-Backwaren. „Um die Waren gefroren zu halten, ist auch viel Energie erforderlich“, sagt Brinker. „Da spielen die gestiegenen Strompreise eine wichtige Rolle.“
Brinker mit 76 Filialen in der Region vertreten
Das Herner Familienunternehmen gehört wie Bäcker Peter, Döbbe, Malzers und Backbord zu den großen Betrieben der Branche im Ruhrgebiet. Die Brinker-Filialen befinden sich in zahlreichen Ruhrgebietsstädten – in Bochum, Bottrop, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Gladbeck, Herne, Mülheim und Oberhausen zum Beispiel. Jede der 76 Filialen des Herner Betriebs werde im Schnitt von rund 350 bis 400 Menschen am Tag besucht, sagt Marlies Brinker, die sich im Familienunternehmen vor allem um die Verwaltung und den Vertrieb kümmert, während ihr Mann Karl Brinker seinen Arbeitsschwerpunkt auf das Bäckereihandwerk legt. Bis zu 30.000 Menschen täglich sind es also schätzungsweise, die der Betrieb mit Lebensmitteln versorgt.
„Mein Empfinden ist, dass wir als Bäcker systemrelevant sind“, sagt Karl Brinker. „Wir haben die Verantwortung dafür, dass die Leute ernährt werden. Wir beliefern auch Krankenhäuser, Altenheime und Schulkantinen. Daher kann ich nur hoffen, dass wir im Herbst und Winter hier in Herne ohne Unterbrechung Gas bekommen.“
Am Herner Firmensitz auf dem Gewerbegebiet Friedrich der Große befindet sich die zentrale Backstube von Brinker mit rund 200 Beschäftigten. „Damit wir hier weiter Brot und Brötchen backen können, brauchen wir Gas“, betont der Unternehmer. „Zum Teil können wir unsere Anlagen umstellen und beispielsweise Heizöl einsetzen. Das kann aber nicht die gesamte Produktion auffangen.“ Mit Blick auf einen möglichen Gasmangel spricht Brinker von einem „Damoklesschwert, das über uns allen schwebt“.
„Ein kaltes Brötchen ist ein altes Brötchen“
Auch ein weiterer Anstieg der Strompreise würde den Bäckereibetrieb belasten. „Jede Filiale ist für sich eine kleine Produktionsstätte. An allen Standorten wird gebacken. Dafür laufen Öfen, die wir mit Strom betreiben“, erklärt Brinker. „Wir sagen immer: Ein kaltes Brötchen ist ein altes Brötchen.“
Die Folgen von Corona-Krise und Ukraine-Krieg seien auch in den Bäckereifilialen zu erkennen, erzählt
Marlies Brinker. „Wir stellen fest, dass die Menschen genauer aufs Geld achten. Im Ruhrgebiet sind die Leute ja ohnehin preissensibel“, sagt sie. „Gerade beim Brötchen ist den Menschen der Preis bewusst. Und der Wettbewerb ist hart. Wenn wir die Brötchenpreise erhöhen, tun wir das nicht leichtfertig.“
Viele Jahre habe Brinker den Brötchenpreis stabil bei 30 Cent gehalten. Doch das sei zuletzt nicht mehr möglich gewesen. „Ende November haben wir den Brötchenpreis von 35 auf 38 Cent erhöht. Wir werden den Preis aber nochmal erhöhen müssen.“
Genaue Planungen seien derzeit allerdings schwierig. „Im Moment müssen wir auch Krisenmanager sein“, sagt die 51-Jährige. „Wir können gerade nicht länger als drei Monate planen.“ Ihr Mann Karl Brinker formuliert es so: „Wir müssen jeden Tag neu entscheiden, welche Konsequenzen wir aus der Preisentwicklung ziehen.“
Der erfahrende Bäckerei-Chef betont aber zugleich, er sehe auch Chancen für seine Branche in der Krise. „Brinker ist schon immer ein Brotbäcker gewesen“, sagt er mit Blick auf die Tradition des im Jahr 1919 gegründeten Betriebs. Seine Hoffnung sei, dass sich die Menschen in der aktuellen Lage „auf den Wert von Brot und Brötchen“ besinnen. „Ein Butterbrot ist gesünder und günstiger als eine gelieferte Pizza oder ein Außer-Haus-Essen. Ich denke da an das Abendbrot, aber auch die Mittagspause“, sagt Brinker. Womöglich gebe es auch eine Renaissance des Butterbrots in Krisenzeiten. Er jedenfalls wünsche sich das.