Essen. Beim Essener Chemiekonzern Evonik läuft das Geschäft trotz der Gaskrise in Deutschland rund. In der Zwischenbilanz steigen Umsatz und Gewinn.
Der Essener Konzern Evonik profitiert von Preiserhöhungen für chemische Produkte und zeigt sich trotz der Gaskrise in Deutschland optimistisch für das laufende Geschäftsjahr. „Wir hatten ein starkes erstes Halbjahr und haben die bestehenden Herausforderungen erneut erfolgreich gemeistert“, sagt Evonik-Vorstandschef Christian Kullmann mit Blick auf eine am Mittwoch (10. August) vorgelegte Zwischenbilanz des Unternehmens.
In den Monaten April bis Juni sei der Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum trotz leicht rückläufiger Mengen aufgrund höherer Verkaufspreise und positiver Währungseffekte um 31 Prozent auf 4,77 Milliarden Euro gestiegen, berichtet das Essener Unternehmen. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (bereinigtes Ebitda) habe sich um zwölf Prozent auf 728 Millionen Euro erhöht.
Kullmann spricht allerdings auch von „wachsenden Unsicherheiten insbesondere auf der Energieseite“. Er gehe davon aus, dass die „Herausforderungen erhalten bleiben und in der zweiten Jahreshälfte möglicherweise sogar noch zunehmen“.
Zu Wochenbeginn hatte Kullmann erklärt, die Energieversorgung von Evonik sei an den europäischen Standorten „auch für den Fall eines Gasstopps aus Russland weitestgehend gesichert“. Evonik sei es gelungen, sich „deutlich unabhängiger von Erdgas“ zu machen. Bis zu 40 Prozent des Erdgasbezugs in Deutschland könnten „ohne eine nennenswerte Einschränkung der Chemieproduktion“ ersetzt werden. So soll zum Beispiel am größten Evonik-Standort in Marl durch den Umstieg auf LPG-Flüssiggas und den verlängerten Betrieb des dortigen Kohlekraftwerks Erdgas vollständig ersetzt werden. Mit dem Konzernsitz in Essen und dem Chemiestandort Marl, wo das Unternehmen rund 7000 Menschen beschäftigt, ist Evonik einer der großen Arbeitgeber in NRW.
Der Krieg in der Ukraine und Lockdown-Maßnahmen in China zum Schutz vor Covid-Infektionen hätten Auswirkungen auf die Wertschöpfungsketten, erklärt das Unternehmen in seiner Zwischenbilanz. Evonik arbeite daher an logistischen Veränderungen, „um den Produktionsbetrieb und die Belieferung der Kunden sicherzustellen“.
Evonik bestätigt Gewinnprognose für das Gesamtjahr
Die Gewinnprognose für das Geschäftsjahr 2022 bestätigt Evonik. „Auf der Grundlage unseres starken ersten Halbjahres und selbst unter der Annahme einer allmählichen konjunkturellen Abschwächung in der zweiten Jahreshälfte bestätigen wir nicht nur unseren Ausblick für das bereinigte Ebitda, wir halten sogar das obere Ende der Spanne bei 2,6 Milliarden Euro für gut erreichbar“, sagt Evonik-Finanzchefin Ute Wolf. Die Umsatzerwartungen von Evonik für das Gesamtjahr liegen nun zwischen 17 und 18 Milliarden Euro. Dieser Anstieg von der bisherigen Ausblickspanne zwischen 15,5 und 16,5 Milliarden Euro sei hauptsächlich auf Preiserhöhungen zurückzuführen, betont das Management.
Bei der wichtigen Finanzkennziffer „Free Cashflow“ ist Evonik indes abgerutscht – für das erste Halbjahr steht ein Minus in Höhe von 106 Millionen Euro in der Bilanz. Die Ursache seien gestiegene Rohstoffpreise und höhere Lagerbestände, so der Vorstand. Finanzchefin Wolf kündigt an, gegensteuern zu wollen.
Evonik bündelt die Geschäfte in vier Divisionen rund um Produkte für die Pharma-, Kosmetik- und Ernährungsindustrie („Nutrition & Care“), Werkstoffe („Smart Materials“), Additive für die industrielle Anwendung („Specialty Additives“) sowie rohstoff- und energieintensive Basischemie („Performance Materials“). Als „Wachstums-Divisionen“ sieht Vorstandschef Kullmann die drei zuerst genannten Bereiche.
Zuwächse praktisch in allen Bereichen des Konzerns
In der Division „Specialty Additives“ sei der Umsatz im zweiten Quartal um 21 Prozent auf knapp 1,12 Milliarden Euro gestiegen. Dies sei vor allem auf gestiegene Preise zurückzuführen. Unter anderem mit Produkten für die Bau- und Beschichtungsindustrie und die Autobranche habe Evonik höhere Umsätze erzielt. Das bereinigte Ergebnis (Ebitda) der Division stieg im Vergleich zum Vorjahresquartal um neun Prozent auf 263 Millionen Euro.
Auch in den anderen Geschäftsbereichen des Konzerns gibt es Zuwächse. Der Umsatz der Division „Nutrition & Care“ (unter anderem Futtermittelzusätze sowie Gesundheits- und Pflegeprodukte) erhöhte sich im zweiten Quartal um 23 Prozent auf rund eine Milliarde Euro. Das bereinigte Ebitda stieg nach Unternehmensangaben um ein Prozent auf 185 Millionen Euro. Die Division „Smart Materials“ registriert ebenfalls höhere Umsätze und Ergebnisse – insbesondere aufgrund von Preiserhöhungen.
Besonders kräftig ist der Gewinnzuwachs in der Einheit „Performance Materials“. Das bereinigte Ergebnis habe um 65 Prozent auf 163 Millionen Euro zugelegt. Zu dieser Division gehört auch die sogenannte „C4-Chemie“, von der sich der Evonik-Vorstand trennen will. Rund 1000 Stellen sollen mit dem Verkauf des sogenannten C4-Geschäfts von Evonik entfallen, das insbesondere am Standort Marl beheimatet ist.
Weltweit gehören mehr als 33.000 Mitarbeiter zu Evonik. Die Mehrheit der Evonik-Aktien gehört der RAG-Stiftung, die auf dem Essener Welterbe-Areal Zollverein residiert. Aufgabe des Stiftungskonzerns ist es, Geld für die Ewigkeitskosten des Steinkohlenbergbaus zu erwirtschaften.