Düsseldorf. Der Staat steigt groß beim angeschlagenen Energiekonzern Uniper ein. Das hat weitreichende Folgen – für die Verbraucher und das Management.
Jahrzehntelang liefen die Geschäfte der deutschen Energiewirtschaft mit dem russischen Staatskonzern Gazprom reibungslos. Der Düsseldorfer Konzern Uniper, eine ehemalige Eon-Tochter, in der ein großer Teil des traditionsreichen Essener Gashändlers Ruhrgas aufgegangen ist, verließ sich darauf, dass die Russen ihre langfristigen Lieferverpflichtungen erfüllen würden. Bis Mitte der 30er Jahre, so berichtet es Uniper, laufen die Verträge mit Gazprom. Doch nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs kommt es zum Bruch. Seit einigen Wochen liefert Gazprom nicht mehr das, was vereinbart worden sei, berichtet Uniper-Chef Klaus-Dieter Maubach.
Die hohe Abhängigkeit von Gazprom hat Uniper in eine brenzlige Lage gebracht. Um Verträge mit Dutzenden Stadtwerken zu erfüllen, muss die ehemalige Eon-Tochter im großen Stil Erdgas zu hohen Preisen einkaufen. Er schätze die Kosten für die Ersatzbeschaffung bis Ende August auf 4,5 Milliarden Euro, berichtet Maubach. Für den September rechne er mit weiteren 1,7 Milliarden Euro. Es hätten sich Verluste angehäuft, die „existenzbedrohend“ seien.
Groß ist daher die Erleichterung im Unternehmen, dass nun die Bundesregierung mit einer Rettungsaktion einspringt. Überraschend eilt am Freitag Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aus dem Allgäu-Urlaub nach Berlin, um den Einstieg des Bundes bei Uniper zu verkünden. Scholz betont, das Unternehmen aus NRW sei von „überragender Bedeutung“ für die Energieversorgung von Deutschland.
Neun Milliarden Euro Kredite
Groß sind die Summen, um die es geht. Allein die Kredite, die von der deutschen Staatsbank KfW zur Verfügung gestellt werden sollen, sind neun Milliarden Euro schwer. Zwei Milliarden Euro hat die KfW dem Energiekonzern bereits beschafft, weitere sieben Milliarden Euro können nun hinzukommen.
Zudem wird die Bundesrepublik Deutschland bei Uniper als Aktionärin einsteigen. Der Bund beteiligt sich mit 30 Prozent. Bislang ist der finnische Staatskonzern Fortum tonangebend. Nach Angeben von Fortum ist geplant, dass der deutsche Staat rund 157 Millionen neue Uniper-Namensaktien zum Nennwert von jeweils 1,70 Euro gegen eine Bareinlage von rund 267 Millionen Euro zeichnet. Die Bundesregierung habe sich auch dazu verpflichtet, bei Bedarf weiteres Kapital in Höhe von bis zu 7,7 Milliarden Euro gegen Ausgabe von sogenannten Pflichtwandel-Instrumenten zur Verfügung zu stellen, um potenzielle Verluste bei Uniper zu decken. Es könnten Szenarien entstehen, bei denen die Bundesrepublik zur Mehrheitsaktionärin werde, erklärt Konzernchef Maubach auf Nachfrage.
Gaspreise dürften weiter steigen
Auch die Gaspreise dürften nach der Uniper-Rettung weiter steigen. Die Bundesregierung beabsichtigt nach Unternehmensangaben, ab dem 1. Oktober einen Mechanismus zur Weitergabe von 90 Prozent der Mehrkosten für die Ersatzbeschaffungen von Gas aufgrund von russischen Lieferkürzungen einzuführen. Kanzler Scholz sagt, damit sei auch eine Erhöhung der Gaspreise verbunden. Dies könne für einen durchschnittlichen Haushalt eine Zusatzbelastung von „200 oder 300 Euro“ pro Jahr bedeuten.
Uniper-Chef Maubach sagt, es sei ihm bewusst, dass sein Konzern mit Hilfe von „Geld der deutschen Steuerzahler“ gerettet werde. In den vergangenen Tagen hat auch die Gewerkschaft Verdi Druck gemacht. Mit zahlreichen Lieferverträgen bei Stadtwerken sei Uniper „systemrelevant“, hieß es. Verdi-Konzernbetreuer Immo Schlepper warnte vor einer Kettenreaktion auf dem deutschen Energiemarkt, sollte Uniper zahlungsunfähig werden. „Vor dem Szenario einer Insolvenz ist sehr zu warnen“, betonte Schlepper. „Es droht ein Domino-Effekt für die gesamte deutsche Energieversorgung, sollte Uniper die zahlreichen Kunden wie Stadtwerke und Mittelständler nicht mehr beliefern. Das wäre ein Moment vergleichbar mit der Lehman-Pleite als Auslöser der Finanzkrise.“
Eine Insolvenz als Alternative?
Was wäre im Fall einer Insolvenz geschehen? Hätten die Stadtwerke – trotz branchenüblicher milliardenschwerer Absicherung der Energiegeschäfte – kein Erdgas mehr erhalten? Über das Szenario einer Insolvenz will Uniper-Chef Maubach in der Telefonkonferenz nicht spekulieren.
Der Verband der kommunalen Unternehmen, der die Interessen von mehr als 1500 Stadtwerken und kommunalen Betriebe vertritt, sieht in dem Staatseinstieg jedenfalls einen richtigen Schritt. Indem der Bund die Handlungsfähigkeit von Uniper sichere, „schützt er auch die Endkundinnen und Endkunden“, sagt VKU-Chef Ingbert Liebing.
„In dieser Krise muss der Staat alles tun, um einen Kollaps des Systems zu verhindern“, sagt Michael Vassiliadis, der Chef der Industriegewerkschaft IGBCE, mit Blick auf die Uniper-Rettung. Die Gewerkschaft Verdi lobt ebenfalls die Entscheidung der Bundesregierung, Uniper durch eine direkte Beteiligung und weitere Kredite zu unterstützen. Die Energieversorgung in Deutschland und Europa werde so stabilisiert, betont auch Verdi-Bundesvorstand Christoph Schmitz.
Kraftwerk Datteln ohne Bedeutung bei Verhandlungen mit Bund
Mit dem Staatseinstieg sind nach Darstellung von Uniper-Chef Maubach auch Auflagen verbunden. Beispielsweise soll es keine Bonus-Zahlungen für den Vorstand geben. Ob nun Stellenabbau kommt? Welche weiteren Konsequenzen mit der Rettungsaktion verbunden seien, wolle das Management nun prüfen.
Zu Uniper gehören rund 11.500 Mitarbeitende in mehr als 40 Ländern. Große Standorte befinden sich unter anderem im Ruhrgebiet, das Steinkohlekraftwerk in Datteln etwa und der Standort Gelsenkirchen-Scholven, an dem Uniper in diesem Jahr ein neues Gaskraftwerk in Betrieb nehmen will. Das Kraftwerk Datteln habe in den Verhandlungen mit der Bundesregierung zum Staatseinstieg „nie eine Rolle gespielt“, sagt Maubach.
Einstweilen bleibt der finnische Staatskonzern Fortum der Mehrheitsaktionär von Uniper. Infolge der Rettungsaktion der Bundesregierung werde der derzeitige Fortum-Anteil von rund 80 Prozent an Uniper bei der ersten Kapitalzuführung auf 56 Prozent reduziert, erklärt der Konzern. Fortum bleibe damit Mehrheitsaktionär und werde Uniper weiterhin als Tochtergesellschaft in der Bilanz führen.
Im Verhältnis von Uniper zu Gazprom zeichnet sich ein Rechtsstreit ab. Gazprom berufe sich mit Blick auf die Lieferkürzungen auf „höhere Gewalt“ – ein Argument, das Uniper-Chef Maubach nicht akzeptieren will. Es läuft auf eine juristische Auseinandersetzung hinaus. Uniper will Gazprom haftbar machen – und darüber hinaus auch die Beziehungen zum russischen Konzern grundsätzlich neu bewerten.