Essen. Das Netz in Deutschland schwächelt nach wie vor. Nutzer können Anbieter aber unter Druck setzen – mit einem Online-Tool der Verbraucherzentrale.

Wer auf die Versprechen von Internetanbietern vertraut, kann schnell enttäuscht werden: Nach Behördenangaben liefert das Netz in Deutschland häufig nur einen Teil seiner zugesicherten Leistungen. Gerade einmal jeder dritte Nutzer (36,5 Prozent) bekam 2020/21 die vereinbarte Download-Rate im Festnetz – bestenfalls sogar noch mehr. Für die restlichen Verbraucher bedeutete das: Rund Zweidrittel mussten sich mit weniger zufrieden geben. Fast jeder Sechste hatte sogar weniger als die Hälfte der Datenrate zur Verfügung. Dabei wurden die Rechte von Kunden vor kurzem noch gestärkt.

Die Zahlen gehen aus dem kürzlich vorgestellten „Jahresbericht Breitbandmessung“ der Bundesnetzagentur hervor, der einen Zeitraum vom Oktober 2020 bis zum September 2021 umfasst. Die Angaben beziehen sich auf rund 484 000 Festnetz-Messungen, die von den Verbrauchern selbst durchgeführt wurden. „Die Ergebnisse sind noch nicht zufriedenstellend“, sagte der Präsident der Bundesnetzagentur Klaus Müller. „Kunden erreichen weiterhin oft nicht die versprochene Internetgeschwindigkeit.“

Verbraucherzentrale: Online-Tool erstellt Anschreiben für die Nutzer

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Betroffene können sich seit Ende 2021 jedoch selbst helfen. Durch eine Novelle des Telekommunikationsgesetzes haben sie einen Anspruch auf reduzierte Monatszahlungen, wenn das heimische Netz nicht den Vertrag erfüllt. Das Gesetz bietet sogar die Möglichkeit zur Kündigung. Wer dieses Recht in Anspruch nehmen will, muss aber Beweise vorlegen.

Unterstützung kommt von der Verbraucherzentrale. „Damit Verbraucher etwas in der Hand haben, haben wir ein Tool entwickelt“, erklärt Felix Flosbach, Referent für Telekommunikationsrecht. Per Online-Generator wird ein Anschreiben erstellt, mit dem sich Kunden an ihren Anbieter wenden können. Dabei haben die Nutzer zwei Optionen: Entweder verlangen sie eine Minderung oder setzen dem Anbieter eine Frist, um das Problem zu lösen. Sollte dieser Termin ohne Besserung verstreichen, darf ohne eine weitere Frist außerordentlich gekündigt werden.

Für das Tool: Messprotokoll von der Bundesnetzagentur dringend nötig

Um das Tool der Verbraucherzentrale zu nutzen, braucht es vorab ein Messprotokoll der Bundesnetzagentur. Das Programm dafür kann online heruntergeladen werden. Die Bedienung könnte einfacher sein, merkt Flosbach an, trotzdem führe es einen gut durch die insgesamt 30 Messungen. Diese sind an drei unterschiedlichen Tagen durchzuführen, dazwischen muss ein Mindestabstand von jeweils einem Tag liegen. Da die Anbieter nur bis zum „Netzabschlusspunkt“ liefern, sprich bis zur Dose in der Wand, muss der Computer währenddessen per Kabel mit dem Router verbunden sein.

Andere Tools, um die Netzgeschwindigkeit zu testen, bieten keine Alternative. Sie seien zur ersten Einordnung aber in Ordnung, erklärt Flosbach, und empfiehlt dafür Dienste von bekannten Branchenseiten. Wer ein signiertes Protokoll hat, muss die Ergebnisse nur noch in das Tool der Verbraucherzentrale eingegeben. Der Generator berechnet daraus einen Minderungsbetrag, der aus Sicht der Verbraucherzentrale angemessen ist. Sonst kann eine Frist gesetzt werden. „Die Verbraucher können damit die Anbieter unter Druck setzen“, sagt Flosbach.

Unendliche Fehlerquellen bei schlechter Internetverbindung

Und das Tool lohnt sich, das zeigen die Erfahrungen der Zentrale. Denn: Viele Firmen würden versuchen ihre Kunden mit zu geringen Beträgen abzuspeisen. So hatte sich etwa in Lüdenscheid ein Verbraucher mit dem offiziellen Messprotokoll an seinen Anbieter gewandt, der bot daraufhin eine Minderung von 2,50 Euro pro Monat. Die Verbraucherzentrale ermittelte hingegen einen Anspruch von 13 Euro. Der Jahresbericht der Bundesnetzagentur legt nun nahe, dass es hier noch weiteres Potenzial gibt. Wer also nicht zu denjenigen gehört, die sich auf ihren Vertrag verlassen können, sollte handeln. „Unser Ziel ist es natürlich, dass die Anbieter liefern“, sagt Flosbach.

Stellt sich heraus, dass die Geschwindigkeit dem Vertrag entspricht, gilt es weitere Fehlerquellen zu prüfen. „Die sind fast unendlich“, erklärt der Experte. Laut Verbraucherzentrale können zum Beispiel veraltete Treiber der Netzwerkkarte, ein schlechter WLAN-Empfang, zu viele Cookies im Browser, falsche Router-Einstellungen, ungeeignete Kabel oder Antivirenprogramme die Qualität drosseln. Manchmal ist die Lösung aber auch simpler als gedacht: den Router aus- und wieder anschalten.