Essen. Steag, Uniper und Evonik: Im Ruhrgebiet sollen mehrere Gaskraftwerke in Betrieb gehen – trotz der angespannten Lage an den Gasmärkten.

Im Ruhrgebiet sollen mehrere neue Gaskraftwerke ans Netz gehen. Der Essener Energieversorger Steag will im September in Herne den kommerziellen Dauerbetrieb beginnen. In Gelsenkirchen-Scholven plant der Düsseldorfer Konzern Uniper im Herbst den Start des Probebetriebs eines neuen Gaskraftwerks. Auch der Essener Chemiekonzern Evonik setzt auf Erdgas zur Energieerzeugung – und zwar am wichtigen Produktionsstandort Marl. Wie geplant will Evonik in diesem Jahr alle drei Blöcke eines kürzlich errichteten Gaskraftwerks in Betrieb nehmen, für zwei Blöcke sei dies „bereits weitestgehend erledigt“, so das Unternehmen.

Dabei will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eigentlich erreichen, dass der Gasverbrauch in Deutschland angesichts gedrosselter russischer Lieferungen sinkt. Denn bis zum Winter sollen die deutschen Gasspeicher möglichst gut gefüllt sein. Derzeit sind sie es nur zu knapp 60 Prozent.

Die Revierkonzerne arbeiten indes schon seit Jahren daran, Kohlekraftwerke durch Anlagen auf Basis von Erdgas zu ersetzen – späterer Umstieg auf Wasserstoff nicht ausgeschlossen. Die Arbeiten am Neubauprojekt „Scholven 3“ in Gelsenkirchen laufen „auf Hochtouren“, erklärt Uniper auf Anfrage. Ursprünglich wollte Uniper in Scholven bereits im Sommer bereit für den Betrieb sein. „Wir sind bisher gut durch die Corona-Zeit gekommen, aber trotzdem hat das Projekt einige Verzögerungen erfahren.“

Stadtwerke Duisburg benötigen Gaskraftwerk für Wärmeversorgung

Die Produktion von Wärme für Privathaushalte spielt bei den Gaskraftwerken im Ruhrgebiet in aller Regel eine wichtige Rolle – so auch am Standort Wanheim der Stadtwerke Duisburg. „Das Gaskraftwerk in Duisburg-Wanheim ist ein zentraler Baustein für die Wärmeversorgung von rund 70.000 Haushalten in Duisburg“, betont Michael Arnold, der Geschäftsführer des Energiehandels der Stadtwerke. „Vor vier Jahren haben wir unser letztes Kohlekraftwerk vom Netz genommen. Wir können also nicht kurzfristig von Erdgas auf Kohle umsteigen.“ Durch den Umstieg von Kohle auf Gas sei die Klima-Bilanz stark verbessert worden.

Um Versorgungsengpässe zu verhindern, will die Bundesregierung darauf hinwirken, dass möglichst wenig Erdgas zur Stromerzeugung verbrannt wird. Strafzahlungen sind im Gespräch. Auch die Wärmeversorgung könnte damit verteuert werden, heißt es bei den Stadtwerken Duisburg. „Es ist für uns nicht nachvollziehbar, warum Betreiber von Gaskraftwerken, die der Wärmeversorgung dienen, finanziell bestraft werden sollen“, sagt Stadtwerke-Manager Arnold. Gerade im Ruhrgebiet sei die Fernwärme, die auch mit Hilfe des Kraftwerks in Wanheim geliefert werde, wichtig.

„Wir haben derzeit keine Hinweise auf Versorgungsengpässe“, berichtet Stadtwerke-Manager Arnold. Das Duisburger Gaskraftwerk ist ans Pipelinenetz der Ruhrgas-Nachfolgefirma Open Grid Europe (OGE) angeschlossen.

Uniper: Kohlekraftwerk Datteln läuft „fast ohne Unterbrechung“

Auch der Energieversorger Uniper verweist im Zusammenhang mit dem konzerneigenen Gaskraftwerk in Gelsenkirchen-Scholven auf die Bedeutung der Fernwärme für Haushaltskunden. Die Anlage Scholven 3 werde „einen wichtigen Beitrag zur Fernwärmeversorgung im Ruhrgebiet leisten“. Angesichts der hohen Gaspreise wird bei Uniper allerdings auch erwartet, dass in absehbarer Zeit mehr Kohlestrom und entsprechend weniger Strom in Gaskraftwerken produziert wird.

In Datteln betreibt die frühere Eon-Tochter Deutschlands größtes Steinkohlekraftwerk. Der riesige Komplex im Norden des Ruhrgebiets mit einem knapp 180 Meter hohen Kühlturm ist zu einem Symbol für das Ringen um einen Ausstieg aus der Kohleverstromung in Deutschland geworden. „Das Kraftwerk war schon immer strategisch höchst bedeutend“, hebt Uniper hervor. Das Kraftwerk Datteln laufe aktuell „fast ohne Unterbrechung“. Mit mehr als 1000 Megawatt decke es fast zwei Prozent des derzeitigen Stromverbrauchs in Deutschland und liefere ein Viertel des deutschen Bahnstroms.

Falls das Erdgas knapp wird, soll auch bei der Steag die Kohle zur Versorgungssicherheit beitragen. Direkt neben dem neuen Gaskraftwerk läuft eine alte Kohleanlage. Der Betrieb laufe erst einmal weiter, heißt es bei der Steag, „bis auf Weiteres“.

RWE setzt auf Braunkohle, aber nicht mehr auf Atomkraft

RWE-Chef Markus Krebber rechnet nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine noch jahrelang mit hohen Gas- und Strompreisen. „Es wird vermutlich drei bis fünf Jahre dauern“, sagt der Manager in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ zu den Energie-Engpässen. „Denn es braucht Zeit, bis neue Kapazitäten geschaffen sind und andere Staaten zusätzliche Energie liefern können.“

Einen Weiterbetrieb der letzten Atomkraftwerke in Deutschland über Ende 2022 hinaus schließt Krebber aus. Allerdings setze RWE wie geplant auf die Erweiterung des Braunkohle-Tagebaus Garzweiler im Rheinischen Revier. „Der planmäßige Tagebaufortschritt ist wichtig“, betont Krebber, „vor allem, wenn wir uns auf Szenarien vorbereiten, in denen Gas gespart werden soll“.