Gelsenkirchen/Düsseldorf. Am Standort Gelsenkirchen-Scholven läuft der Umbau: Der Energiekonzern Uniper hat große Pläne. Auf Kohle folgt Gas – und vielleicht Wasserstoff.

Wenn Lars Wiese darüber spricht, was sich gerade am Standort Gelsenkirchen-Scholven tut, zeigt er gerne ein Luftbild, auf dem eine große Baustelle zu sehen ist. 150 Beschäftigte seien dieser Tage damit befasst, in Scholven ein neues Gas- und Dampfkraftwerk zu errichten, erzählt der Standortchef des Düsseldorfer Energiekonzerns Uniper. „Diese Woche wird eine der Gasturbinen angeliefert“, sagt Wiese. In zwei oder drei Monaten rechne er mit bis zu 500 Mitarbeitern auf der Baustelle.

Läuft alles so, wie es den Planungen des Konzerns entspricht, ist die Kohleverstromung am traditionsreichen Kraftwerksstandort im nördlichen Ruhrgebiet in absehbarer Zeit Geschichte. Einst ist in Gelsenkirchen-Scholven so viel Energie aus Kohle wie an kaum einem anderen Ort in Europa erzeugt worden. Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte haben die Uniper-Vorgängerkonzerne Veba und Eon die Stromproduktion bereits Stück für Stück gedrosselt. Bis Ende 2022 will Uniper auch die verbliebenen Anlagen zur Kohleverstromung stilllegen.

„Wir sind schon sehr weit im Bau“, berichtet Uniper-Kraftwerksleiter Wiese mit Blick auf die neue Gas- und Dampf-Anlage (GuD). Trotz Corona habe es keine Ausfälle aufgrund der Pandemie gegeben. Auch ein eigenes Corona-Testzentrum für die Beschäftigten aus unterschiedlichen

Uniper-Standortchef Lars Wiese berichtet über Fortschritte beim Bau des neuen Gas- und Dampfkraftwerks in Gelsenkirchen-Scholven: „Wir gehen davon aus, dass der Bau bis zum Frühjahr nächsten Jahres vollständig abgeschlossen ist.“
Uniper-Standortchef Lars Wiese berichtet über Fortschritte beim Bau des neuen Gas- und Dampfkraftwerks in Gelsenkirchen-Scholven: „Wir gehen davon aus, dass der Bau bis zum Frühjahr nächsten Jahres vollständig abgeschlossen ist.“ © Funke Foto Services GmbH | Olaf Ziegler

Ländern habe in Gelsenkirchen dazu beigetragen, Infektionsketten zu verhindern. „Wir gehen davon aus, dass der Bau bis zum Frühjahr nächsten Jahres vollständig abgeschlossen ist“, sagt Wiese. Er erwarte, dass die neue GuD-Anlage im Spätsommer oder Herbst 2022 vollständig in Betrieb sein werde.

„Zeichen für die Energiewende im Revier“

„Gelsenkirchen-Scholven liegt in einem sogenannten strukturschwachen Gebiet“, betont Uniper-Vorstandsmitglied David Bryson. „Wir sind entschlossen, gerade deshalb an dieser Stelle ein Zeichen für die Energiewende im Revier zu setzen.“ Mit der Stadt Gelsenkirchen und den Geschäftspartnern vor Ort wolle Uniper Ideen für einen Umbau des Standorts Scholven entwickeln. „Wenn es hier gelingt, kann es auch in anderen Städten des Reviers gelingen“, sagt Bryson mit Blick auf den angestrebten Wandel der Industrie.

Zu den Zielen von Uniper gehört, bis zum Jahr 2035 in Europa klimaneutral zu wirtschaften. Durch die Umstellung des Standorts Scholven von Kohle auf Gas werde der Kohlendioxid-Ausstoß erheblich gesenkt, heißt es bei Uniper. Später sei auch eine Verbrennung von Wasserstoff statt Gas zur Erzeugung von Strom und Wärme denkbar. Ein Vorteil des Standorts sei zudem eine Anbindung an ein vorhandenes Pipelinenetz.

Standort Scholven mit „herausgehobener strategischer Bedeutung“

Das Areal in Gelsenkirchen-Scholven gehört zu den größten industriellen Standorten im Ruhrgebiet. Direkt neben dem Kraftwerk befindet sich die Raffinerie des Aral-Mutterkonzerns BP – wie Uniper einst ein Teil des Veba-Konzerns. Auch Chemiebetriebe und Baustoffhersteller wie das Unternehmen Rigips haben sich rund um das Kraftwerk angesiedelt. Gelsenkirchens Wirtschaftsdezernent Christopher Schmitt spricht von einer „herausgehobenen strategischer Bedeutung“ des Standorts für die Ruhrgebietsindustrie. Allein Uniper hat nach eigenen Angaben rund 1000 Beschäftigte im nördlichen Ruhrgebiet. BP gehört ebenfalls zu den großen Arbeitgebern in Gelsenkirchen.

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Durch den Abschied von der Kohleverstromung gehen zunächst einmal Jobs verloren, wie der für die Uniper-Kraftwerke zuständige Betriebsratsvorsitzende Holger Grzella berichtet. Rund 150 Arbeitsplätze baue Uniper in Scholven ab – ohne betriebsbedingte Kündigungen, betont der Arbeitnehmervertreter. Für die Zukunft zeigt sich Grzella durchaus optimistisch. „Die Erneuerung ist in vollem Gange“, sagt er.

„Masterplan“ mit Ideen zu Wasserstoff und nachhaltigen Baustoffen

Im Auftrag von Uniper hat das Beratungsunternehmen Arcadis einen „Masterplan“ für das Scholven-Areal erstellt, in dem Ideen für einen künftigen Technologiepark rund um das Gaskraftwerk skizziert sind. „Es gibt ein sehr großes Flächenangebot“, sagt Arcadis-Projektmanager Michael Fischer. Große Teile des Uniper-Kraftwerks – darunter Schornsteine und Kühltürme – müssten allerdings abgerissen werden, um das volle Potenzial zu entfalten. Dabei hofft Uniper auch auf staatliche Unterstützung, wie Standortchef Wiese einräumt. „Eine Förderung wird notwendig sein“, sagt er. Auch ein Gelände, das bisher als Kohlenhalde dient, könnte Platz für die künftige Ansiedlung von Betrieben bieten.

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„Wir haben eine Vision“, sagt Uniper-Manager Arne Bayer und verweist unter anderem auf Pläne des Konzerns, den Einsatz von Wasserstoff in der Energieerzeugung zu testen. Auch die Entwicklung nachhaltiger Baustoffe gehört zu den Ideen, die im „Masterplan“ für Scholven zu finden sind. Das Ziel sei, ein „breites Spektrum von Arbeitsplätzen“ anzusiedeln. „Nichts ist final bei diesen Projekten“, betont Uniper-Vorstandsmitglied Bryson. Manches in den Plänen sei „heute noch Zukunftsmusik“. Aber dem Unternehmen sei es wichtig, einen Anfang zu machen, sagt Bryson. „Wir brauchen Offenheit für die Zukunft.“