Essen. Thyssenkrupp hat erstmals seit Jahren weniger als 100.000 Arbeitsplätze. Konzernchefin Merz zeigt sich zur Halbjahresbilanz dennoch optimistisch.
Der Essener Stahl- und Industriegüterkonzern Thyssenkrupp beschäftigt erstmals seit vielen Jahren weniger als 100.000 Menschen. In der aktuellen Zwischenbilanz gab Thyssenkrupp die Zahl der Mitarbeitenden im Konzern mit 97.542 an. Das sind rund fünf Prozent beziehungsweise 4764 Stellen weniger als im vergleichbaren Quartal vor einem Jahr, als der Traditionskonzern der Bilanz zufolge noch 102.306 Beschäftigte hatte.
Der Thyssenkrupp-Vorstand erklärte, es habe in den vergangenen Monaten „weitere Fortschritte“ bei der „notwendigen Anpassung der Beschäftigung“ gegeben. Von den angekündigten mehr als 12.000 Stellen, die bis zum Geschäftsjahr 2023/2024 wegfallen sollen, habe Thyssenkrupp bereits rund 8900 Jobs abgebaut – davon etwa 1200 im ersten Halbjahr 2021/2022. Der Abbau sei „sozialverträglich“ erfolgt, also ohne betriebsbedingte Kündigungen.
Thyssenkrupp legt traditionell schon im Mai eine Halbjahresbilanz vor, da das Geschäftsjahr des Konzerns stets im Oktober beginnt. In den vergangenen Monaten hatte Thyssenkrupp unter anderem das Grobblechwerk in Duisburg geschlossen. Zahlreiche Geschäfte wurden verkauft, darunter ein Edelstahlwerk im italienischen Terni und Aktivitäten rund um Bergbau und Infrastruktur.
Thyssenkrupp-Chefin Merz zeigt sich wieder optimistischer
Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz hatte dem seit Jahren angeschlagenen Unternehmen schon vor geraumer Zeit eine harte Sanierung verordnet. So sollten insbesondere auch in der Essener Konzernzentrale die Kosten sinken. Im zurückliegenden Geschäftsquartal, über das Thyssenkrupp nun Auskunft gibt, seien die Verwaltungskosten in der Zentrale weiter verringert worden, erklärt der Konzernvorstand. Der Betriebsverlust der Verwaltungseinheit habe nicht mehr wie im Vorjahr bei 49 Millionen Euro, sondern bei 36 Millionen Euro gelegen.
Mit Blick auf das laufende Geschäft zeigt sich Konzernchefin Merz trotz des Ukraine-Kriegs wieder optimistischer. Die Umsatz- und Ergebnisprognose für das Geschäftsjahr 2021/2022 hebt der Thyssenkrupp-Vorstand an – und steckt sich damit selbst höhere Ziele. Es gebe allerdings zwei Annahmen, die der Prognose zugrunde liegen. Erstens: Notwendige fossile Energieträger – insbesondere Erdgas – und Rohstoffe „müssen weiterhin uneingeschränkt verfügbar“ sein. Zweitens: Die Preise für Rohstoffe und Energie sollten sich für das restliche Geschäftsjahr auf dem durchschnittlichen Niveau des zurückliegenden Quartals bewegen. Das heißt: Im Falle eines Lieferstopps für russisches Erdgas könnte Thyssenkrupp die Umsatz- und Gewinnziele nicht erreichen.
Thyssenkrupp-Vorstand hebt Prognose an
Unter den beschriebenen Annahmen soll der Umsatz von Thyssenkrupp nach Angaben des Vorstands voraussichtlich „deutlich“ über den Zahlen des Vorjahres liegen und „im niedrigen zweistelligen Prozentbereich wachsen“. Bisher war von einem „Wachstum im mittleren einstelligen Prozentbereich“ die Rede. Für den operativen Gewinn („bereinigtes Ebit“) erwartet der Thyssenkrupp-Vorstand um Konzernchefin Merz nun „eine deutliche Verbesserung auf einen Wert von mindestens zwei Milliarden Euro“. Bisher war das Ziel: eine Verbesserung auf einen Wert zwischen 1,5 bis 1,8 Milliarden Euro.
Darüber hinaus gibt es bei Thyssenkrupp nun auch wieder eine Prognose für die frei verfügbaren Finanzmittel („Free Cashflow vor M&A“). Diese war vom Vorstand im März nach Kriegsbeginn ausgesetzt worden. Das Management erwartet nun „eine signifikante Verbesserung gegenüber dem Vorjahr auf einen negativen Wert im mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich“. Im Vorjahr war noch ein Minus von 1,3 Milliarden Euro angefallen. Für den Jahresüberschuss rechnet der Vorstand für die Thyssenkrupp-Gruppe weiterhin mit einem Wert von mindestens einer Milliarde Euro – nach einem Verlust in Höhe von 25 Millionen Euro im Vorjahr.
„Trotz erschwerter Bedingungen“ etwa im Autozuliefergeschäft habe Thyssenkrupp „ein gutes zweites Quartal“ erlebt, sagt Thyssenkrupp-Vorstandschefin Merz. „Mit unserer dezentralen Aufstellung als Unternehmensgruppe sind wir in der Lage, schneller als in der Vergangenheit auf neue Herausforderungen zu reagieren.“