Essen. Zwei Start-ups haben Software entwickelt, die Nebenkosten-Abrechnungen optimieren sollen. Über 80 Prozent der Bescheide seien fehlerhaft.

Millionen Haushalte sehen nicht nur wegen der explodierenden Energiekosten ihrer nächsten Nebenkosten-Abrechnung mit gemischten Gefühlen entgegen. Einer aktuellen Erhebung zufolge sind über 80 Prozent der Auflistungen überdies fehlerhaft. Die Start-ups Objego und Mineko haben sich aufgemacht, das Geschäft mit den Nebenkosten-Abrechnungen für Mieter und Vermieterinnen zu erleichtern und zu verbessern.

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Philip Rodowski ist im Sauerland aufgewachsen und lebt in Düsseldorf. Sein Start-up Objego hat er aber aus guten Gründen 2020 im Ruhrgebiet gegründet. „Wir halten Essen für einen attraktiven Standort, da wir Mitarbeiter durch die zentrale Lage sowohl im Ruhrgebiet als auch im Rheinland ansprechen können“, sagt der Jungunternehmer. Er und sein Team haben eine Software geschaffen, die Vermieterinnen und Vermieter bei der oft mühsamen Aufstellung von Nebenkosten wie Heizung, Wasser, Gartenpflege und mehr unterstützt.

Nur ein Achtel der Vermieter nutzt Software

„Das größte Problem der Vermieter im Verhältnis zu ihren Mietern sind die Nebenkosten-Abrechnungen. Hier können viele Fehler auftreten“, sagt Rodowski. Aus einer Umfrage aus dem Jahr 2020 wisse man, dass „nur ein Achtel der Vermieter Software zur Berechnung der Nebenkosten nutzen“.

Philip Rodowski, Mitgründer des Start-ups Objego.
Philip Rodowski, Mitgründer des Start-ups Objego. © Tonka Communications | Tonka Communications

Das 40-köpfige Team von Objego will ihnen den Schritt in die Digitalisierung erleichtern und schmackhaft machen. „Unsere Software ersetzt die Kostenberechnung auf Papier und in Excel-Tabellen. Über eine Schnittstelle hat der Nutzer gleich eine Verbindung zu seinem Bankkonto, kann Dokumente digital hochladen und verwalten, und am Ende die Anlage V für die Steuererklärung beim Finanzamt erstellen“, erläutert der Gründer das Geschäftsmodell.

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Im Fokus haben die Essener vor allem private Vermieter. „Die Bandbreite ist groß. Unsere Kunden verwalten im Schnitt drei bis 50 Wohnungen“, sagt Rodowski. Das Kundenpotenzial für Objego sei gewaltig. Bundesweit gibt es grob geschätzt vier Millionen Vermieter mit 15 Millionen Wohnungen. Das Start-up verzichtet in der Anfangsphase aber darauf, das monatliche Nutzungsentgelt für die Software zu kassieren. „Zur Zeit ist der Service noch kostenlos. Das Angebot hilft uns dabei, schneller zu wachsen und gleichzeitig von den Erfahrungen unserer Kunden zu lernen“, betont Rodowski.

Steigende Energiepreise treiben Nebenkosten

Dem jungen Unternehmen helfen dabei zwei potente Gesellschafter, diese Strategie wirtschaftlich durchzuhalten. „Unsere Investoren sind der Essener Energiedienstleister Ista und die Aareal Bank“, berichtet der Geschäftsführer und sieht sich auf dem richtigen Weg: „Durch die steigenden Energiepreise und die Einführung der CO2-Steuer befassen sich jetzt immer mehr Vermieter intensiver mit dem Thema Nebenkosten-Abrechnung.“

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Parallel dazu tut sich auch etwas auf der Mieterseite. „In unserer Software sind rund 40.000 Gerichtsurteile rund um Nebenkosten enthalten. Wir haben bereits 95.000 Abrechnungen geprüft“, erklärt Chris Möller, Mitgründer des Berliner Start-ups Mineko. Über eine App laden Nutzerinnen und Nutzer ihren Mietvertrag und die Dokumente rund um die Nebenkosten hoch.

Chris Möller ist Geschäftsführer des Start-ups Mineko.
Chris Möller ist Geschäftsführer des Start-ups Mineko. © Tonka Communications | Tonka Communications

Innerhalb weniger Tage soll dann die Reaktion kommen. „Der Prüfbericht ist 24 bis 30 Seiten lang, enthält Erklärungen und ein Widerspruchsschreiben, das der Mieter seinem Vermieter schicken kann. Damit setzen wir auf eine deeskalierende Strategie“, sagt der Geschäftsführer. „Wir stützen uns auf eine Mischung aus künstlicher und natürlicher Intelligenz. Es schaut auch immer ein Experte auf die Abrechnungen.“

Fehler bei Verteilerschlüssel für Wasser und Heizung

Auf diese Weise will Mineko Fehler identifizieren, die nach Möllers Einschätzung „meist beim Verteilerschlüssel für Wasser und Heizung oder in der Umlegbarkeit“ liegen. Oft werde nach Fläche und nicht nach Verbrauch abgerechnet. Streitpunkte seien vielfach auch Investitionen in Haus oder Garten, die „in der Regel nicht auf die Mieter umgelegt werden“ sollten.

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Möller ist sich sicher, dass sein Start-up einen Nerv in der breiten Bevölkerung treffe: „Nebenkosten sind ein Riesenthema in Deutschland. Jeder Haushalt zahlt dafür im Schnitt 3000 Euro pro Jahr – und das dauerhaft wiederkehrend. Das ist mehr, als die Menschen für Urlaub oder Bekleidung ausgeben“, sagt er.

Schon vor den rasanten Energiepreissteigerungen spürte sein 24-köpfiges Team, dass das Thema für viele Menschen existenziell sein kann. „Wenn Mieter 3500 Euro für die Heizung nachzahlen müssen, schlägt das natürlich voll durch. Sie weinen am Telefon“, berichtet der Geschäftsführer. Je nach Größe ihrer Wohnung zahlen Kunden zwischen 49 und 89 Euro für die Prüfung. Für Rechtsschutzversicherte mit dem Baustein Wohnen sei sie kostenfrei, so Möller.

Die Erfahrung zeige, dass die Konflikte um die Nebenkosten oft glimpflich verlaufen. „Unser Eindruck ist, dass die Fehler nicht absichtlich gemacht werden, sondern dem komplexen Thema geschuldet sind. Die Vermieter korrigieren rasch die Fehler und verschicken Gutschriften.“

>>> Ruhrsummit am 14. Juni in Bochum

Start-ups, Investorinnen und Unternehmen treffen sich am 14. Juni zum Ruhrsummit auf dem Gelände der Jahrhunderthalle in Bochum. Nach zwei Jahren Pandemie planen die Organisatoren des Essener Ruhrhubs die viel beachtete Konferenz als Präsenzveranstaltung. Einige Events sollen aber auch online zu verfolgen sein. Informationen und Tickets unter https://ruhrsummit.de/