Essen. Eine Essenerin zahlt nach einem Fehler von Vonovia jahrelang zu hohe Nebenkosten. Der Konzern lehnt eine Erstattung erst ab, dann lenkt er ein.
Eine betagte Essener Rentnerin hat wegen eines Abrechnungsfehlers fast anderthalb Jahrzehnte überhöhte Betriebs- und Heizkosten für ihre kleine Mietwohnung in Rüttenscheid bezahlt. Der erst vor kurzem entdeckte Schaden hat sich im Laufe der Zeit auf mehrere Tausend Euro summiert: ein schmerzhafter Verlust für die 92 Jahre alte Frau.
Der große Wohnungskonzern Vonovia weigert sich mit Hinweis auf Verjährungsfristen zunächst, der alten Dame auch nur einen Cent zu zahlen. Erst als sich die Presse einschaltet, lenkt das Unternehmen mit Sitz in Bochum ein und erstattet zumindest einen Teil des zu viel kassierten Geldes zurück.
Folgenschwerer Abrechnungsfehler passiert im Jahr 2006 – und fällt erst 2021 auf
Zur Chronologie der Ereignisse: Der folgenschwere Fehler passiert im Jahr 2006. In diesem Jahr setzt sich die Essenerin (* Name der Redaktion bekannt) in dem Rüttenscheider Mietshaus kleiner. Sie gibt ein zusätzlich gemietetes Einzelzimmer in dem Mehrfamilienhaus ab und beschränkt sich auf ihre 59,43 Quadratmeter große Drei-Zimmer-Wohnung. Das 16 Quadratmeter große Einzelzimmer geht über an eine Nachbarin.
Zwar verringert sich die gemietete Wohnfläche dadurch erheblich, trotzdem stellt Vonovia der Essenerin unverändert dieselben Betriebs- und Heizkosten in Rechnung wie für ehedem gut 75 Quadratmeter Wohnfläche. Grob geschätzt zahlt sie zwischen 2006 und 2020 Jahr für Jahr offenbar rund 400 Euro zu viel: Macht unterm Strich einen Schaden von rund 6.000 Euro.
Aufgefallen ist der grobe Abrechnungsfehler erst im vergangenen Herbst, als Vonovia die Mietwohnung der Rentnerin an einen anderen Mieter im selben Haus verkauft, einen Nachbarn der 92-Jährigen. Dieser ist es, der beim Wohnungskauf gewissenhaft die Nebenkostenrechnungen der letzten Jahre unter die Lupe nimmt und sofort erkennt, dass Vonovia seit 2006 zu viel Geld kassiert hatte. Seiner Meinung nach hätte die Vonovia Hausverwaltung und die Vonovia Eigentumsgesellschaft über die niedrigeren Nebenkosten nach dem Wegfall des Einzelzimmers informieren müssen.
Vonovia verweist aufs Mietrecht und lehnt Kostenerstattung zunächst ab
„Ich habe bei Vonovia angerufen und auf den Irrtum hingewiesen“, berichtet der Essener. Doch nichts passiert. Im November beschwert sich die Rentnerin dann schriftlich bei Vonovia über die ihrer Ansicht nach zu Unrecht entrichteten Kosten. Doch zu ihrer großen Enttäuschung weist das Unternehmen die Entschädigungsforderung kategorisch ab. „Die Abrechnungsergebnisse der Nebenkostenabrechnung 2006-2020 behalten ihre Gültigkeit“ teilt die Vonovia Kundenservice GmbH der 92-Jährigen am 14. Februar 2022 mit.
Die Krux an diesem Fall: Zwar räumt Vonovia sogar ausdrücklich ein, bei der Rentnerin zu viel kassiert zu haben. Aber die Sachbearbeiterinnen weisen die Forderung ab mit dem Hinweis auf die längst verstrichene Einspruchsfrist. Begründet wird die Ablehnung mit einem Passus aus dem Mietrecht: „Nachdem dem Mieter die Nebenkostenabrechnung zugegangen ist, wird diesem gemäß § 556 BGB, Absatz 3, eine Frist von zwölf Monaten zugesprochen, in denen er die Nebenkostenabrechnung auf ihre Richtigkeit hin kontrollieren kann.“ Einwände müsse er „spätestens mit Ablauf des 12. Monats nach Erhalt der Nebenkostenabrechnung“ geltend machen.
Der Nachbar der Rentnerin ärgert sich über die Unerbittlichkeit des Wohnungskonzerns und sagt: „Rechtlich ist das so in Ordnung, aber moralisch natürlich äußerst verwerflich.“ Für ihn ist es „Abzocke“.
Am Ende geht der Wohnungskonzern doch noch auf die langjährige Mieterin zu
Er wendet sich deshalb an diese Zeitung, um darauf hinzuweisen, wie fragwürdig das Wohnungsunternehmen mit der hochbetagten Frau umgeht. Einer Mieterin zumal, die schon seit Mitte der 1950er-Jahre in dieser kleinen Rüttenscheider Wohnung lebt. Der Essener bittet darum, behilflich zu sein, „den großen Konzern zu einem gütlichen Einlenken zu bewegen“.
Die Redaktion konfrontiert Vonovia am Montag (28. Februar) mit dem Abrechnungsfall – aus Sicht der Rentnerin immerhin mit einem Teilerfolg. Denn das Wohnungsunternehmen teilt schon am darauffolgenden Tag (1. März) per E-Mail mit, dass die Mieterin eine Gutschrift von exakt 1017,07 Euro erhalten werde. Die Vonovia-Sprecherin sagt ebenfalls, dass „keine rechtliche Verpflichtung zur Korrektur der Abrechnung für vorherige Jahre“ bestanden habe. Aber sie betont auch: „Da es sich jedoch um eine langjährige Mieterin handelt, möchten wir der Dame natürlich entgegenkommen.“