Düsseldorf. Die Kritik an Henkel, Bayer und Metro wächst, weil sie am Russland-Geschäft festhalten. Henkel-Chef verteidigt das, hält sich Rückzug aber offen.
Die Frage, ob Geschäfte mit und in Russland angesichts des brutalen Krieges in der Ukraine noch vertretbar sind, spaltet die Wirtschaft. Viele Konzerne und Unternehmen haben sich sehr schnell zurückgezogen, ihre Filialen im Lande Putins geschlossen oder ihre Lieferketten gekappt, einige nicht. Diese sehen sich nun immer lauterer Kritik und auch Protesten ausgesetzt, so legten unlängst Demonstranten einen Kindersarg vor die Düsseldorfer Zentrale des Großhändlers Metro. Am Montag musste sich der Konsumgüter-Riese Henkel auf seiner Hauptversammlung für das Festhalten an seinem Russland-Geschäft rechtfertigen.
Der Hersteller von Traditionsmarken wie Persil, Somat, Schwarzkopf, Pattex und Prit betreibt in Russland elf eigene Werke, hat dort rund 2500 Beschäftigte und erlöste zuletzt rund eine Milliarde Euro, das sind fünf Prozent des Konzernumsatzes. Während die vier Henkel-Werke in der Ukraine mit ihren 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach Kriegsbeginn geschlossen wurden, produziert Henkel in Russland weiter. Aber nicht des Profits wegen, wie der Dax-Konzern seit Wochen betont, mit dem Rubel verfalle auch die Rendite.
Henkel-Chef sorgt sich um russische Beschäftigte
„Ein Stopp unserer russischen Geschäfte kann weitreichende Konsequenzen haben – auch für unsere Mitarbeiter vor Ort“, sagte Henkel-Chef Carsten Knobel auf dem virtuellen Aktionärstreffen. Es bestehe die Gefahr, enteignet zu werden, dann könnten die lokalen Henkel-Manager haftbar gemacht werden und der russischen Regierung „beträchtliche Vermögenswerte zufließen“. Zudem verwies Knobel darauf, dass Henkel vor allem Produkte des täglichen Bedarfs verkaufe.
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Das überzeugte nicht alle Anteilseigner und ihre Vertreter. Zumal sich neben Weltkonzernen wie Apple, Ikea und H&M auch die deutschen Autobauer VW, BMW und Mercedes sowie viele deutsche Händler aus Russland zurückgezogen haben, obwohl sie dort ebenfalls viele Beschäftigte haben. So schloss der Essener Schuhhändler Deichmann seine 37 russischen Filialen und Obi seine 27 Baumärkte. Dass Obi die Enteignung drohe, betonte vor zwei Wochen auch Christian Haub, Chef der Obi-Muttergesellschaft Tengelmann. Aber er könne sich „einfach aus moralischen Gründen nicht vorstellen, weiterhin Geschäfte in Russland zu betreiben und damit indirekt das dortige Regime finanziell zu unterstützen“, sagte Haub dem Manager Magazin.
Aktionärsschützerin sorgt sich um Henkels guten Ruf
Dagegen wirkte schwach, was Knobel an Konsequenzen aus dem blutigen Überfall Russlands auf seinen Nachbarn anführte: „Wir haben sofort die gesamte Werbung eingestellt. Wir haben alle Sponsoringaktivitäten beendet. Und alle geplanten Investitionen in Russland gestoppt.“ Was denn mit dem guten Ruf des Dax-Konzerns sei, ob er den nicht aufs Spiel setze, fragte Jella Benner-Heinacher von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Henkel verhalte sich „wie andere Firmen auch“, antwortete Knobel.
Das stimmt nur bedingt. Der Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer hält bisher ebenso an seinem Russlandgeschäft fest wie der Großhändler Metro, der Schokoladen-Hersteller Ritter Sport, der Essener Chemiekonzern Evonik und einige andere. Meist ebenfalls mit der Argumentation, ein Liefer- oder Produktionsstopp treffe die Falschen, weil man dann die Menschen in Russland nicht mehr mit Lebensmitteln, Arzneien und anderen Produkten des täglichen Bedarfs versorge.
Viele Unternehmen mit ähnlichen Verbindungen zu Russland haben diese aber gekappt und sind gewillt, auch mögliche Enteignungen in Kauf zu nehmen. Das führt in Summe dazu, dass die freiwilligen Boykottaktionen der westlichen Konzerne die politischen Sanktionen ganz wesentlich verstärken. Ein Argument dafür ist, dass die von unabhängigen Nachrichten weitestgehend abgeschnittene russische Bevölkerung zumindest im Supermarkt und in den Geschäften die Reaktion des Westens spürt – an drastisch steigenden Preisen, nicht mehr verfügbaren Westwaren, aber auch an geschlossenen McDonald’s- und Starbucks-Filialen sowie verwaisten Ikea-Möbelhäusern und Obi-Baumärkten.
Henkel prüft sein Engagement in Russland täglich
Deshalb begrüßt Aktionärsschützerin Benner-Heinacher auch, dass sich die Henkel-Führung weitere Schritte offen hält, ihr Engagement in Russland „täglich prüft“ und „nichts ausschließt“, wie Konzernchef Knobel erklärte. Bei elf Produktionsstätten sei es für Henkel schwieriger als für andere Konzerne, sich aus Russland zurückzuziehen, sagte sie unserer Redaktion. Andererseits könne die Reputation des Weltkonzerns derart leiden, dass auch dies handfeste wirtschaftliche Folgen hätte. Für einen Konsumgüterkonzern, der bewusst auch für Nachhaltigkeit stehen wolle, sei es schwierig, den Verbleib in Russland zu erklären.
Zumal auch kleine Protestaktionen in den sozialen und den unabhängigen Medien weltweit wahrgenommen werden. So erzielte etwa ein vom ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk geteilter Twitter-Beitrag zur weiteren Lieferung von Ritter-Sport-Schokolade nach Russland einige Aufmerksamkeit: „Quadratisch. Praktisch. Blut.“ steht über der „Kriegs-Edition“ des schwäbischen Schokoladenherstellers, auf die Tafel sind blutige Handabdrücke montiert. Alexander Rodnyansky, der Wirtschaftsberater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, forderte in der Rheinischen Post namentlich die NRW-Konzerne „Metro, Bayer und Henkel“ auf, nicht länger Russlands „Krieg zu finanzieren.“