Essen. Krupp-Stiftungsvorstand Volker Troche im Podcast: Kriegsbedingt sind Osteuropa-Projekte gestoppt. Bei Thyssenkrupp mahnt er eine Dividende an.

Volker Troche spricht vom Déjà-vu eines Lebensgefühls. Kalter Krieg, Aufrüstung und atomare Bedrohung – eine beängstigende Weltlage habe ihn, Jahrgang 68, als jungen Mann in den 80ern geprägt. Noch gut könne er sich an die Demonstrationen in seiner damaligen Heimatstadt Hannover erinnern, erzählt Troche. Die Krupp-Stiftung wiederum, für die er als Vorstandsmitglied arbeitet, setzt sich schon seit Jahrzehnten für die Völkerverständigung ein. 1999 hat Troche als persönlicher Referent beim langjährigen Stiftungschef Berthold Beitz auf dem Hügel in Essen angefangen. Da war Beitz, der trotz Westbindung der Bundesrepublik schon früh in den Kreml reiste, schon eine lebende Legende.

In der Tradition, die noch auf Beitz zurückgeht, hat die Krupp-Stiftung in den vergangenen Jahren regelmäßig Stipendiaten in osteuropäische Länder geschickt, auch zu Universitäten in der Ukraine und Russland. Derzeit sind die Programme unterbrochen, berichtet Troche im Podcast „Die Wirtschaftsreporter“. Wegen des Krieges habe die Stiftung alle Teilnehmenden aufgefordert, in ihre Heimat zurückzukommen. Rückreisen seien organisiert und finanziert worden. „In solchen Situationen steht die Sorge um den Menschen an erster Stelle“, sagt Troche. Die Unterbrechung sei bitter, aber es werde „hundertprozentig der Tag kommen“, an dem die Stiftung ihre Aktivitäten im Sinne einer Völkerverständigung wieder aufnehmen könne. Davon sei er überzeugt.

Die Krupp-Stiftung ist eine ganz besondere Institution im Ruhrgebiet, um die sich viele Geschichten und Mythen ranken – und die auch heute noch Einfluss hat auf einen der großen deutschen Konzerne: auf Thyssenkrupp. Seit ihrer Gründung im Jahr 1968 hat die Stiftung nach eigenen Angaben mehr als 680

Volker Troche im Podcast „Die Wirtschaftsreporter“ im Gespräch mit Ulf Meinke.
Volker Troche im Podcast „Die Wirtschaftsreporter“ im Gespräch mit Ulf Meinke. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Millionen Euro in Förderprojekte gesteckt. Als größte Einzelaktionärin des heutigen Stahl- und Industriegüterkonzerns will die Stiftung die Erträge aus dem Unternehmen ausschließlich für gemeinnützige Zwecke verwenden. „Das ist der Maßstab unseres Handelns“, betont Troche, der für das Tagesgeschäft der Stiftung zuständig ist – in Abstimmung mit dem prominent besetzten Kuratorium, das von Ursula Gather geführt wird.

„Diese Aktie hat ein Versprechen“

Angesichts der Krise des Konzerns blieben in den vergangenen Jahren mehrfach Dividendenzahlungen von Thyssenkrupp aus. „Diese Aktie hat ein Versprechen – nämlich, dass aus dieser Aktie ein Ertrag resultiert, eine Dividende. Nur auf dieser Basis können wir existieren“, sagt Troche. Die Stiftung sei zwar in der Lage, einige Jahre auch ohne Dividendeneinnahmen ihrer Tätigkeit nachgehen, aber: „Es wird Zeit für eine Dividende.“

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Zu Thyssenkrupp gehört auch ein beträchtliches Rüstungsgeschäft, die Sparte Marine Systems, die unter anderem Kriegsschiffe herstellt: U-Boote, Fregatten und Korvetten. Passt ein solches Geschäft zu einem Unternehmen mit der Geschichte, die Thyssenkrupp mitbringt? „Ja und nein“, antwortet Troche. „Wir wünschen uns alle, dass keine Waffen mehr produziert werden müssen“, sagt der Stiftungsvorstand. Aber Thyssenkrupp liefere „keine Waffen, um kriegerische Auseinandersetzungen zu betreiben“. Hinzu komme, dass sämtliche Rüstungsgeschäfte und Exporte nur in Abstimmung mit der demokratisch legitimierten Bundesregierung erfolgten.

Troche verweist auch darauf, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gerade erst ein 100 Milliarden Euro schweres Investitionsprogramm für die Bundeswehr angekündigt habe. „Das dient einer gewissen Abschreckung“, sagt Troche, auch um die eigenen Werte gegen Angriffe schützen zu können. „Wenn es dazu Waffen braucht, dann ist das bedauerlich, aber ein Teil der Realität.“

„Thyssenkrupp wird auch die Folgen dieses Krieges spüren“

Der Krieg in der Ukraine werde auch bei Thyssenkrupp zu Belastungen führen, so Troche. „Thyssenkrupp wird auch die Folgen dieses Krieges spüren“, sagt er voraus. Rohstoffe würden teurer, der Konzern sei auf Energie angewiesen. Ob er die Erwartung habe, dass sich Thyssenkrupp aus Russland zurückzieht? „Auch Thyssenkrupp wird sich verhalten müssen“, merkt Troche an. Er sei aber dafür, auch in einer solchen Krisensituation die Kanäle zu nutzen, die vorhanden seien. Mit „Kriegstreibern“ könne eine solche Kommunikation zwar nicht gelingen, wohl aber mit Akteuren aus anderen gesellschaftlichen Bereichen. „Es sind immer Menschen, die handeln“, sagt Troche.

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Er ordnet auch ein, warum sich die Stiftung derzeit neu mit der Vergangenheit ihres Stifters, Alfried Krupp, beschäftigt. Dass Krupp nach dem Zweiten Weltkrieg als Kriegsverbrecher verurteilt worden ist, sei eine der vielen Facetten des Essener Industriellen, sagt Troche. Vor wenigen Tagen hat die Stiftung ein Rechercheprojekt vorgestellt: Der Marburger Geschichtsprofessor Eckart Conze soll im Auftrag der Stiftung das Verhältnis von Alfried Krupp zum Nationalsozialismus beleuchten. Die Frage, wie sich Unternehmer verhalten sollten, wenn die Freiheit in Gefahr ist: dieses Thema wirkt plötzlich wieder überaus aktuell.

Dieser Tage stellt sich die Frage, ob der russische Präsident Putin ein Kriegsverbrecher ist. „Aus dem Bauch heraus würde man sagen: Na, sicherlich“, urteilt der Jurist Troche. „Die Befehle kommen von ganz oben.“ Putin wisse, was er tue. „Man stempelt ihn ja schnell als Irren oder Wahnsinnigen ab. Juristisch wäre das ein Einfallstor für das Fehlen von Schuld.“ Er hoffe, sagt Troche, dass es eines Tages zu einem Verfahren komme, das „Gerechtigkeit herstellt“.