Essen. Aldi will auch bei der Milch bis 2030 auf höhere Haltungsstufen umstellen. Der Mindeststandard soll bis 2024 verschwinden, bei Edeka schon 2022.
Nach Fleisch kann seit Jahresbeginn auch Milch mit den Haltungsformen 1 bis 4 gekennzeichnet werden, viele Lebensmittelketten tun dies bereits. Manche beginnen auch damit, die unteren Stufen auszusortieren: Der Discount-Marktführer Aldi hat nun angekündigt, bis 2030 nur noch Milch aus den höchsten Haltungsstufen 3 und 4 verkaufen zu wollen. Dieselbe Zielmarke hatte Aldi bereits im Sommer 2021 für Frischfleisch gesetzt.
Die größte Supermarktkette, Edeka, hatte zu Wochenbeginn angekündigt, seine Milch-Eigenmarken schon in diesem Frühjahr mindestens auf die Haltungsstufe 2 zu heben. Das stellt zumindest sicher, dass die Kühe nicht mehr ganzjährig angebunden sind. Aldi will bis 2024 auf die Haltungsform 1 verzichten. Ab dann wollen die Discountschwestern aus Essen und Mülheim zudem nur noch Milch aus Deutschland verkaufen.
Beim Fleisch geht es um bessere Haltungsbedingungen für die Masttiere, mehr Platz, Spielzeug für die Schweine und Frischluftzufuhr. Bei den Milchkühen sind das Anbinden der Tiere und ebenfalls der Zugang zu Tageslicht und Frischluft die entscheidenden Kriterien. Die Kühe müssen in der untersten Haltungsstufe, die den gesetzlichen Mindeststandards entspricht, jeweils einen Liegeplatz haben, verpflichtend wird dies aber erst 2023. In der Haltungsstufe 2 muss ihnen der Landwirt zudem Scheuerbürsten anbringen, an der sie sich kratzen können. Im Laufstall ohne Liegeplätze muss jede Kuh mindestens vier Quadratmeter Platz haben. Alternative ist eine Stallhaltung, die eine Anbindung der Kühe weiter erlaubt, aber dann in Kombination erfolgen muss mit einem zweistündigem Auslauf an mindestens 120 Tagen im Jahr – entweder auf der Weide oder einem Laufhof.
Stufen 3 und 4: 120 Tage im Jahr auf die Weide
In der Haltungsstufe 3, die Aldi mittelfristig zum Mindeststandard erheben will, kommt im Laufstall ein Quadratmeter Platz je Kuh hinzu, sie dürfen ab dieser Stufe nicht mehr angebunden werden. Die Tiere müssen einen ganzjährig nutzbaren Laufhof haben oder einen Laufstall mit offener Front. Ist der Stall geschlossen, müssen sie je sechs Stunden an 120 Tagen im Jahr auf die Weide dürfen. In der höchsten Haltungsstufe 4 wird die Weidehaltung an 120 Tagen zur Pflicht. Die Kälber dürfen in Stufe 4 nur noch in Ausnahmen vom Tierarzt enthornt werden, in den ersten drei Stufen darf das weiterhin der Bauer bei allen Kälbern tun. Ab Stufe drei sind zudem keine gentechnisch veränderten Lebensmittel mehr erlaubt. In Stufe vier, dem Bio-Standard, muss das Futter überdies zu mindestens 60 Prozent aus eigenem Anbau kommen.
Aldi gab am Donnerstag bekannt, mit der Kennzeichnung der Milchkuhhaltung auf den Verpackungen „im Laufe des ersten Quartals 2022“ beginnen zu wollen, darüber verhandelt der Discountriese derzeit mit seinen Lieferanten. Zum Start sollen vor allem Milchprodukte aus den Haltungsformen 3 und 4 gekennzeichnet werden. Die unteren sollen „zeitnah folgen“, heißt es in der Mitteilung. Bei der Kennzeichnung waren andere schneller: Rewe und Lidl etwa weisen seit Jahresbeginn ihre Biomilch mit der entsprechenden Haltungsstufe aus.
Beim Fleisch greifen Verbraucher häufiger zu höheren Stufen
Discount-Marktführer Aldi spricht von einem großen Erfolg der Fleischkennzeichnung und sieht sich dadurch ermutigt, die Haltung der Tiere auch für andere Lebensmittel auszuweisen. „Die verstärkte Nachfrage unserer Kundinnen und Kunden hat uns in unserer Entscheidung bestärkt, den Haltungswechsel auch bei der Milch umzusetzen“, erklärt Erik Döbele, Einkaufschef von Aldi Süd. „Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt: Die Nachfrage nach Tierwohl-Produkten wächst stetig“, sagt Aldi-Nord-Managerin Tanja Hacker. Mit der Ankündigung schaffe die Lebensmittelkette „marktseitig Planungssicherheit, um auch in der Milchviehhaltung den Umstieg zu mehr Tierwohl in der Breite zu erreichen.“
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Nun müssen nur noch die Landwirte mitmachen, sprich: ihre Ställe um- bzw. aufrüsten. Das wird für viele nicht einfach, die Milchbauern beklagen seit vielen Jahren die kaum und phasenweise gar nicht mehr kostendeckenden Preise. „Probleme bekommen vor allem die Landwirte, die noch ganzjährig Anbindehaltung haben“, sagt Hans-Heinrich Berghorn, Sprecher des westfälisch-lippischen Landwirtschaftsverbands (WLV). In Westfalen-Lippe treffe das rund 15 Prozent der Höfe.
Die Landwirte wollen Sicherheit, dass sie ihre hohen Investitionen in neue Ställe und größere Auslaufflächen auch über höhere Verkaufspreise wieder erwirtschaften können. Eigentlich ist das auch geregelt: Für Haltungsstufe 2 zahlt der Handel laut Tierwohl-Initiative 1,2 Cent mehr pro Liter. Allein: „Die kommen bei den Landwirten oft nicht an, weil die Molkerei sie am Grundpreis wieder abzieht“, sagt Elmar Hannen, Vorstand im Bundesverband deutscher Milchviehhalter und Landesvorsitzender für NRW.
Er begrüßt grundsätzlich die Idee, bessere Haltung besser zu bezahlen. Wäre klar und planbar, dass sich das wirklich rechnet, „würde jeder Landwirt seine Haltung umstellen“. Doch bisher komme der Mehrwert nicht an, werde die Umstellung des Handels auf höhere Haltungsstufen zur „Verkaufshilfe auf Kosten der Landwirte“, so Hannen, der selbst Milchkühe in Stufe 2 hält. Seine Forderung: Der Aufpreis müsste auf die tatsächlichen Produktionskosten, ermittelt von unabhängigen Instituten, draufkommen. Der WLV sieht aber auch die Bundesregierung in der Pflicht: „Alleine können die Landwirte den Umbau der Ställe nicht finanzieren. Da steht die Politik in der Pflicht, Lösungen zu finden“, fordert Berghorn.
Aldi: Stufenplan ermöglicht Landwirten die Umstellung
Dazu sagt Aldi-Manager Döbele: „Wir verstehen uns ausdrücklich als Partner in der Wertschöpfungskette und bieten Landwirtinnen und Landwirten mit einem realistischen Stufenplan über Jahre hinaus Planungssicherheit und verlässliche Absatzperspektiven für Tierwohlware aus Deutschland.“
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Der Stufenplan sieht einen schrittweisen Ausstieg aus den unteren Haltungsformen vor: Nach eigenen Angaben stammt bereits heute jede vierte Milchtüte der Aldi-Eigenmarken aus den Haltungsstufen 3 und 4, nämlich die Biomilch. Im Laufe dieses Jahres will Aldi diesen Anteil auf 40 Prozent erhöhen und nur noch Frischmilch aus heimischer Landwirtschaft beziehen. Das gilt ab 2024 auch für die lange haltbare H-Milch. Binnen zwei Jahren will Aldi die unterste Haltungsstufe bei Milchkühen ganz aus dem Sortiment streichen, Milch aus der Haltungsstufe 2 soll noch bis 2030 verkauft werden.
Edeka war mit seinem Verzicht auf die Stufe 1 bis zum Frühjahr vorangegangen, weitere Ziele sind aus der Hamburger Zentrale bisher nicht bekannt. Aldi-Jäger Lidl hat angekündigt, den Anteil der Haltungsstufen 3 und 4 künftig auf 65 Prozent des Trinkmilchsortiments auszubauen. Jede zweite Lidl-Filiale habe bereits Weidemilch als Mindeststandard, Lidl kooperiert hierfür unter anderem mit Bioland, dessen Milchbetriebe die Haltungsstufe 4 betreiben.
Eigeninitiative des Lebensmittelhandels
Definition und Kennzeichnung der Haltungsformen hat der Lebensmittelhandel selbst mitentwickelt, in seiner Initiative Tierwohl finden sich neben Experten alle großen Ketten wie Edeka, Rewe, Lidl, Kaufland, Netto, Penny und Aldi. Sie alle haben sich verschiedene Ziele gesetzt für mehr tierische Produkte aus besserer Haltung. Dies nicht ohne Eigennutz, denn die Verbraucherinnen und Verbraucher achten zunehmend darauf, warten auf ein funktionierendes staatliches Siegel bisher aber vergeblich.