Essen. Galeria bittet erneut den Staat um Hilfe. Finanzchef Mager befürchtet 40 Prozent Umsatzminus durch 2G im Adventsgeschäft. HDE befürchtet Pleiten.

Bei Warnungen und Mahnungen ist es nicht lange geblieben, die verschärften Corona-Regeln für den Einzelhandel zeitigen schon jetzt ihre Wirkung: Der Essener Warenhauskonzern Galeria ruft erneut den Staat um Hilfe. Wegen der durch die 2G-Zugangsbeschränkung zu erwartenden Umsatzeinbrüche habe Galeria den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) um ein Darlehen von bis zu 220 Millionen Euro gebeten, sagte Finanzchef Guido Mager der FAZ. Man sei darüber in Berlin nicht überrascht gewesen, er erwarte „eine wohlwollende Entscheidung noch in diesem Kalenderjahr“.

Warum der Staat erneut helfen sollte, sagte Mager auch: Galeria sei „systemrelevant für die deutschen Innenstädte“, was in letzter Konsequenz bedeute: „Wenn Warenhäuser schließen, schlägt das voll auf die Innenstädte durch – besonders auf mittlere und kleine.“ Die letzte große Kaufhauskette in Deutschland hatte bereits zu Jahresbeginn 460 Millionen Euro vom Staat erhalten. Bei dem neuen Kredit handle es sich um „ein ergänzendes, verzinstes Darlehen“, das im bestehenden Vertrag mit dem WSF bereits für die weitere Pandemiewellen vorgesehen gewesen sei, so Mager.

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Vor einem Jahr hatte die zweite Corona-Welle mit dem Lockdown eine Woche vor Heiligabend dem stationären Einzelhandel das Weihnachtsgeschäft verdorben, auch Galeria Karstadt Kaufhof, wie das Unternehmen seinerzeit noch hieß. Der Konzern hatte gerade erst sein gleich zu Beginn der Corona-Krise begonnenes Schutzschirmverfahren verlassen, war selbstbewusst wie schuldenfrei ins so wichtige Adventsgeschäft gegangen. Drei Monate später hatte der Warenhausriese wieder Schulden – diesmal beim Staat.

Staat verlangt hohe Zinsen auf seine Hilfskredite

Wie unlängst auch Lufthansa-Chef Carsten Spohr im Interview mit unserer Zeitung betonte, gibt es die Corona-Hilfe des Staates nicht umsonst, sondern nur zu ansehnlichen Zinsen, weshalb die Lufthansa-Rettung für den Steuerzahler „ein gutes Geschäft“ gewesen sei. Galeria-Finanzchef Mager betonte nun ebenfalls, der Staat erhalte „mehr als die Darlehenssumme zurück“. Er bezifferte den Zinssatz auf bis zu 6,5 Prozent. Für die tatsächliche Zinslast kommt es beim WSF immer darauf an, wann der Kredit zurückgezahlt wird, der Zinssatz steigt jährlich an. Mager betonte in der FAZ, Galeria könne bis zu 220 Millionen Euro Hilfe benötigen, er hoffe aber, nicht die volle Summe zu brauchen.

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Darüber entscheide, wie schlimm die Umsatzeinbußen im zweiten Corona-Advent werden und wie lange die Beschränkungen noch andauerten. Galeria-Chef Miguel Müllenbach hatte vergangene Woche im WAZ-Podcast „Die Wirtschaftsreporter“ bereits vor massiven Einbrüchen durch die Zugangsbeschränkung auf Geimpfte und Genesene gewarnt. Wenn alle Ungeimpften draußen bleiben müssten, betreffe das etwa in Sachsen fast die Hälfte der potenziellen Kunden, in Ländern mit höheren Impfquoten entsprechend weniger.

Galeria befürchtet 40 Prozent Umsatzeinbruch im Dezember

Müllenbach konnte den möglichen Umsatzverlust durch die Verschärfungen noch nicht beziffern, prognostizierte aber: „Wenn wir bundesweit 2G haben, werden wir im Weihnachtsgeschäft noch unter das Niveau des Vorjahres fallen, das schon kein gutes war.“ Und nachdem sein Unternehmen Staatshilfe brauchte. Sein Finanzchef Mager schätze den Umsatzrückgang im Dezember nun auf rund 40 Prozent.

Es sind jedoch keineswegs nur die wegen der extrem hohen Infektionszahlen jüngst verschärften Zugangsregeln, die den stationären Handel in diesem Advent erneut darben lassen. Dem Handelsverband HDE zufolge haben die Innenstädte auch im Sommer bei niedrigsten Inzidenzen nie wieder die Kundenfrequenzen erreicht, die sie vor der Pandemie hatten.

Schon 3G im Nahverkehr hält viele Kunden fern

Mit der vierten Welle gingen die Besucherzahlen nun wieder heftig nach unten. „Die Kundenbewegungen mit dem Nahverkehr in die Innenstädte haben schon durch die 3G-Regel im ÖPNV stark nachgelassen“, sagte Müllenbach in unserem Podcast. 2G in den Läden hat das weiter verschärft: „Unter 2G-Bedingungen sind die Besucherzahlen im Innenstadthandel durchschnittlich um 41 Prozent zu 2019 gesunken“, erklärte der HDE am Montag. Wer kommt, kauft dafür offenbar mehr, denn der jüngsten HDE-Umfrage zufolge sind die Umsätze in der Woche vor dem 2. Advent „nur“ um 26 Prozent gesunken.

Nichtsdestotrotz sieht der HDE schon jetzt „eine dramatische Zäsur im Weihnachtsgeschäft“, vielen Geschäften drohe inzwischen das Aus: „Der Handel hat seine Hoffnung in das Weihnachtsgeschäft gesetzt. Doch nun rücken viele Händlerinnen und Händler erneut mit jedem Tag näher an den Rand ihrer Existenz, ein katastrophaler Ausblick“, sagte Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Der Non-Food-Handel werde im Dezember nach HDE-Schätzung rund 5,5 Milliarden Euro an Umsatz verlieren. Der HDE fordert den Staat auf, diese Verluste zu kompensieren. Er könne durch die Überbrückungshilfe nicht abgedeckt werden.

Galeria spricht von „Quasi-Lockdown“

Galeria-Finanzchef Mager spricht von einem „Quasi-Lockdown mitten im Weihnachtsgeschäft“. Galeria sei eigentlich auf einem „sehr guten Weg gewesen“, sagte er der FAZ, habe „trotz Corona im ersten Halbjahr 2500 neue Mitarbeiter eingestellt“. Insgesamt habe Galeria mit Tochtergesellschaften aktuell rund 20.000 Beschäftigte.

Als im Januar bundesweit diskutiert wurde, ob der Staat den Warenhausriesen retten solle, der dem österreichischen Milliardär René Benko gehört, hatte sich der HDE für Galeria in die Brust geworfen: Präsident Josef Sanktjohanser bat damals Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) in einem Brief, dem „Anker der deutschen Innenstädte“ zu helfen“. Galeria sichere „direkt und indirekt fast 80.000 Arbeitsplätze in Deutschland – auch bei Partnern, Lieferanten und Dienstleistern.“