Berlin/Essen. Die Privatbahn Abellio will das Verlustgeschäft RRX ohne Chaos in NRW beenden – und erhält dafür Millionenhilfen aus den Niederlanden.

Die in Finanznot geratene Privatbahn Abellio plant einen geordneten Rückzug aus dem verlustreichen Bahngeschäft in NRW. Der Betreiber mehrerer Linien des Rhein-Ruhr-Expresses (RRX) und der S-Bahn Rhein-Ruhr will sich nach Informationen unserer Redaktion mit den öffentlichen Aufgabenträgern darauf verständigen, die Linien noch für zwei Jahre zu betreiben.

„Damit können die Aufgabenträger eine geordnete Neuausschreibung der Verkehrsverträge RRX und S-Bahn Rhein-Ruhr durchführen“, sagte der gerichtlich bestellte Sachwalter Rainer Eckert unserer Redaktion. Über ein entsprechendes Angebot sollen die Verbände am 5. November beraten.

„Das Angebot sieht vor, dass der Gesellschafter – die niederländische Staatsbahn – einen unteren dreistelligen Millionenbetrag zur Verfügung stellt als Kompensation für anfallende Verluste“, sagte Eckert. Es handele sich dabei unter anderem um Verlustausgleiche und Barzuzahlungen. „Damit soll die Durchführung der Verkehrsverträge RRX und S-Bahn Rhein-Ruhr für die nächsten zwei Jahre gesichert werden“, erklärte der Sachwalter.

„Im großen Maße defizitär“

Der Deutsche-Bahn-Konkurrent hatte Kostensteigerungen etwa durch Schienenersatzverkehr bei Bauarbeiten und höhere Personalkosten beklagt. Dadurch sei der Betrieb der Züge „im großen Maße defizitär geworden“, so Eckert.

Die öffentlichen Aufgabenträger hätten sich nicht für Nachverhandlungen bereit gezeigt, beklagte er: „Abellio will und kann diese hochdefizitären Verträge nicht noch rund zehn Jahre weiterführen.“ Ob sich die Privatbahn an der Neuausschreibung der Linien in NRW beteiligen werde, bezeichnete Eckert als „unklar“. Die Deutsche Bahn könnte damit wieder zum Fast-Monopolisten in NRW werden.

Abellio betreibt neben anderen die fürs Ruhrgebiet wichtigen Linien RE 1 (RRX) und RE 11 des Rhein-Ruhr-Express sowie die Linien S 2, S 3, S 9, RB 32, RB 40 und RE 49 des S-Bahn-Netzes Rhein-Ruhr. Ende Juni war der finanzielle Druck beim deutschen Ableger der niederländischen Staatsbahn so groß, dass Abellio ein Schutzschirmverfahren beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg beantragen musste.

Dabei handelt es sich um ein Sanierungsverfahren im Rahmen des Insolvenzrechts. Der Geschäftsführung wird dabei ein Sachwalter zur Seite gestellt.

Teure Notvergabe wäre vom Tisch

Wegen der Krise bei Abellio stand zuletzt auch eine Notvergabe der wichtigen Pendlerstrecken in NRW an ein anderes Bahnunternehmen im Raum. Diese für die Steuerzahlenden besonders teure Lösung wäre vom Tisch, stimmen die Verbände dem Angebot von Abellio zu.

Die Züge des Unternehmens sind auch noch auf weiteren Strecken in NRW unterwegs. Hier will sich Abellio nicht vorzeitig zurückziehen. „Die drei anderen Verkehrsverträge (Ruhr-Sieg-Netz, Niederrhein-Netz und S7) sind für die jeweilige Restlaufzeit abgesichert, es besteht also langfristige Planungssicherheit und Kontinuität im Fahrgastbetrieb“, sagte Eckert.

Abellio hat in Deutschland rund 3100 Beschäftigte, die Züge rollen auf 52 Linien in NRW, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Baden-Württemberg.

Kritiker werfen der Privatbahn vor, sie hätte mögliche Kostensteigerungen nicht ausreichend berücksichtigt, um Ausschreibungen mit Kampfpreisen zu gewinnen. „Es ist branchenweit festzustellen, wie schwierig dieses Geschäftsmodell ist“, sagt dazu Sachwalter Eckert. „Beispielsweise der französische Wettbewerber Keolis zieht sich aus Deutschland zurück.“

Die Tochter der französischen Staatsbahn SNCF ist in NRW mit der Marke Eurobahn unterwegs. Keolis gibt das Geschäft in Deutschland zum Jahresende auf. Ein neuer Aktionär soll den Betrieb übernehmen.