Essen/Dortmund. Der Netzbetreiber Amprion plant ein neues Umspannwerk in Gelsenkirchen-Scholven. In Meerbusch ist ein vergleichbarer Konverter umstritten.
Es ist ein milliardenschweres Projekt mit großer Bedeutung für das Ruhrgebiet: Um Strom aus dem Norden Deutschlands in die industriellen Zentren des Landes zu transportieren, plant der Dortmunder Netzbetreiber Amprion zwei insgesamt mehr als 700 Kilometer lange Trassen von Schleswig-Holstein über Niedersachsen ins Ruhrgebiet. „Korridor B“ heißt das komplexe Vorhaben, das im Jahr 2030 realisiert sein soll. Die Planungen für den Bau der unterirdischen Stromleitungen laufen, doch einige Fragen sind noch offen. Dabei geht es im nördlichen Ruhrgebiet unter anderem um einen möglichen Standort für ein Umspannwerk in Gelsenkirchen. Der sogenannte Konverter wird gebraucht, um Wechsel- in Gleichstrom umzuwandeln. Für die Anlage benötigt Amprion eigenen Angaben zufolge eine acht bis zehn Hektar große Fläche.
„Wir haben noch kein Grundstück“, berichtet Amprion-Projektleiter Arndt Feldmann in einer Online-Pressekonferenz zum Stand der Planungen. Es gebe erste Gespräche mit den Kommunen vor Ort. Auch zum Düsseldorfer Energiekonzern Uniper habe Amprion Kontakt aufgenommen, um über den Kraftwerksstandort Gelsenkirchen-Scholven als möglichen Ort für den geplanten Konverter zu sprechen. Amprion-Projektleiter Feldmann räumt ein, es werde „nicht einfach“, einen Standort im dicht besiedelten nördlichen Ruhrgebiet zu finden. Sein Unternehmen wolle „vorsichtig und sensibel“ vorgehen. In Meerbusch-Osterath zwischen Düsseldorf und Krefeld sieht sich das Unternehmen seit Jahren mit Bürgerprotesten gegen den Bau einer Konverter-Anlage konfrontiert.
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Zum Großprojekt „Korridor B“ gehören zwei Stromverbindungen: Ein rund 440 Kilometer langer Abschnitt soll vom schleswig-holsteinischen Heide nach Marl-Polsum zwischen Gelsenkirchen, Dorsten und Recklinghausen reichen. Hinzu soll eine etwa 270 Kilometer lange Verbindung von Wilhelmshaven nach Hamm kommen. Die Leitungskapazität von vier Gigawatt entspricht Unternehmensangaben zufolge der elektrischen Leistung von fünf großen Kohlekraftwerken.
Auf einer mit einem Amprion-Logo versehenen Deutschlandkarte, die das Unternehmen bei der Projektpräsentation veröffentlicht, steht: „Damit die Lichter immer leuchten“. Insbesondere große industrielle Kunden wie Thyssenkrupp und der Chemiepark Marl seien künftig mehr als bisher auf große Mengen grünen Stroms angewiesen, wird bei Amprion betont.
„Die Windräder werden im Norden zugebaut“
Anders als in der Vergangenheit werde der Strom künftig vor allem dort erzeugt, wo das Wetter dafür günstig sei – und nicht mehr dort, wo es den größten Bedarf gebe, betont Amprion-Manager Klaus Wewering. „Die Windräder werden im Norden zugebaut“, sagt er. Gleichzeitig gehen Kohlekraftwerke in NRW vom Netz. Amprion stellt sich bereits darauf ein, dass die Erdkabel, die nun verlegt werden sollen, in einigen Jahren nicht mehr ausreichen werden, um den Hunger auf grünen Strom zu stillen. Zu den Planungen gehöre auch, dass leere Rohre verlegt werden, um später zusätzliche Stromkabel einsetzen zu können, erklärt Wewering.
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Das Projekt „Korridor B“ sei geplant und vom Bundestag beschlossen worden, um den Kohleausstieg zu realisieren. „Aber der Bedarf wird noch weiter wachsen“, sagt der Amprion-Manager voraus und verweist unter anderem auf die Wasserstoff-Wirtschaft, die auf viel erneuerbare Energie angewiesen sei.
Dass voraussichtlich zehn Jahre vergehen, bis eine neue Stromtransport-Achse entstehen könne, bezeichnet Wewering als „viel zu langsam“. Allein das Genehmigungsverfahren nehme sechs Jahre in Anspruch. Der Amprion-Manager lässt durchblicken, dass sein Unternehmen auf mehr Tempo durch eine mögliche neue Ampel-Koalition auf Bundesebene hofft.
Korridor mit zunächst rund 1000 Metern Breite
Für das aktuelle Amprion-Projekt gibt es noch keinen exakten Trassenverlauf, sondern lediglich Pläne für einen Korridor mit zunächst rund 1000 Metern Breite. In die Planungen seien bereits zahlreiche Informationen etwa zur Besiedelung oder zu Naturschutzgebieten eingeflossen, berichtet der Netzbetreiber, an dem auch der Essener Energiekonzern RWE beteiligt ist. Im Jahr 2026 will Amprion mit dem Bau für die neue Stromverbindung beginnen. Im Ruhrgebiet und im Münsterland sind den Planungen zufolge unter anderem Städte beziehungsweise Kreise wie Bottrop, Wesel, Soest, Coesfeld, Borken und Münster betroffen.
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Die Gesamtkosten für das Projekt veranschlagt Amprion mit rund sieben Milliarden Euro. Ein Großteil des Geldes sei für die Bauarbeiten an der mehr als 700 Kilometer langen Strecke eingeplant, sagt Feldmann. Weitere große Kostenblöcke sind die Kabel aus Kupfer sowie die Konverter-Anlagen.
„In den kommenden Wochen suchen wir das Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern ebenso wie mit Behörden und Verwaltungen entlang der Trassenkorridore“, sagt Projektleiter Feldmann. Auch regionale „Dialogtermine“ seien geplant. Der Netzbetreiber bereitet sich zudem auf Verhandlungen mit Landwirten vor, die Felder für den Bau der Erdkabel zur Verfügung stellen sollen. Entschädigungszahlungen sind fest eingeplant.