Hagen. Es reicht nicht, die Schäden der Flut zu beseitigen, warnen Hagener Unternehmer. Sie fühlen sich unvorbereitet und fürchten ein neues Hochwasser.

Eine Engstelle im Bachlauf war es, wegen der das Wasser bei der Flutkatastrophe Mitte Juli nicht richtig ablaufen konnte. Das BWS-Kaltwalzwerk in Hohenlimburg wurde deswegen gleich zweimal überschwemmt. Erst am Tag und dann wieder in der Nacht, eineinhalb Meter hoch stand das Wasser im Gebäude, erzählt Geschäftsführer Andreas Wallberg – und hat eine deutliche Forderung: „Wir wollen nicht nur wiederaufbauen, sondern wir wollen sicherstellen, dass sich sowas nicht wiederholt.“

Seine Worte richtet er an Fritz Jaeckel, den NRW-Sonderbeauftragten, der im Hörsaal der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer zu Hagen (SIHK) sitzt, um den anwesenden Unternehmern zuzuhören, wie er sagt, und um Lösungen zu finden, auch gemeinsam mit der Stadt Hagen. Allein dort waren und sind rund 800 Betriebe von der Flut betroffen, manche von ihnen wissen noch immer nicht, wie sie weitermachen können.

Betriebe sollen den Mut nicht verlieren

„Wir müssen versuchen, dass die Unternehmen schnellstmöglich wieder am Markt teilnehmen können“, sagt Fritz Jaeckel. Und zieht nach: „Aber das ist eine Herausforderung.“ Denn das ganze Ereignis sei extrem komplex, auch für ihn, der bereits in den Jahren 2002 und 2013 am Wiederaufbau in Sachsen mitgewirkt hat, nachdem die Elbe und andere Flüsse dort immense Schäden angerichtet hatten. Aber: „Es wird gehen!“, lauten seine Worte an die Hagener.

Er sei optimistisch, denn hier gelinge gerade, was in Sachsen nur in Teilen umgesetzt worden sei: Die Stadtverwaltung bringe sich mit ein und sehe sich in der Pflicht, etwas zu tun. Das sei wichtig, um voran zu kommen, sagt Jaeckel. Vor allem, um schnell voranzukommen. Doch das Wichtigste sei, dass die Betriebe den Mut nicht verlieren, sagt er. „Und das tun sie hier nicht, sie alle wollen weitermachen. Das habe ich auch schon anders erlebt.“

Unsicher, ob Betrieb am gleich Standort weitergehen kann

Doch einfach so weitermachen, das funktioniere nicht, entgegnen die Firmenchefs. Mit dem Geld aus dem Wiederaufbaufonds könne zwar ein großer Teil des Schadens ersetzt werden, und die Betriebe sollen die Möglichkeit bekommen, alles 1:1 wiederaufzubauen, wenn sie jetzt bald die Anträge stellen. Doch wie genau das abgewickelt wird und wie die Gutachten auszusehen haben, das ist vielen Betroffenen noch nicht klar. Und selbst wenn das im Herbst erledigt sein sollte: Bis das Geld da ist, wird noch einige Zeit vergehen, sagt auch Jaeckel. „Das sind viele Unsicherheiten bis dahin“, sind sich die Betroffenen einig.

Denn viele von ihnen wissen noch nicht, ob der Betrieb am gleichen Standort überhaupt weitergehen kann. Weil die Gefahr groß sein könnte, dass er von einem weiteren Hochwasser getroffen wird. Die Unsicherheit sei auch bei vielen Kunden groß, weil zu viele Fragen einfach noch ungeklärt seien. Schon jetzt habe er deshalb erhebliche Probleme, sagt ein Hagener Geschäftsführer aus der Automobilbranche, der nicht namentlich genannt werden möchte. Weil die Kunden wissen wollten, ob der Standort gefährdet sei. Und sich damit auch ihr Risiko erhöhe. „Wenn wir das nicht bald nachweisen können, haben wir ein Problem“, sagt er. „Denn dann haben wir bald keinen Lieferanten mehr.“

Springen die Versicherer ab?

Und überhaupt: Wer garantiere ihnen, dass ihr Standort in Zukunft überhaupt noch versichert werde? „Das ist ein wirklich dickes Brett“, räumt Fritz Jaeckel ein. Denn dass Versicherungen abspringen könnten, weil das Risiko zu groß ist, das sei durchaus denkbar. Eine Garantie gebe es nicht, aber die Politik werde sich damit beschäftigen, verspricht er.

Jetzt sei aber erstmal eins wichtig: Loslegen und keine Zeit verlieren. Denn mit dem Aufbaufonds könnten zwar die Standorte der Betriebe etwas sicherer gemacht werden, sagt Jaeckel. Für einen umfassenden Hochwasserschutz könne er aber nicht in die Pflicht genommen werden. Das sei auch Aufgabe der Stadt. Klar sei: Geld und Zeit seien die großen Faktoren.

Mittel für den Wiederaufbau stehen zur Verfügung

Bundestag und Bundesrat haben ein Aufbauhilfegesetz 2021 für die betroffenen Regionen der Starkregen- und Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 in Höhe von 30 Milliarden Euro beschlossen. Betroffene in Nordrhein-Westfalen können jetzt Förderanträge für den Wiederaufbau stellen. Für den Wiederaufbau stehen in Nordrhein-Westfalen Mittel in Höhe von rund 12,3 Milliarden Euro aus dem Aufbaufonds 2021 bereit.