Düsseldorf. Der Schuhhandel gehört zu den größten Corona-Verlierern. Die Kunden holen viele Käufe aber jetzt nach, bestätigt auch Branchenführer Deichmann.

Die Schuhhändler suchen dieser Tage auf der Fachmesse Gallery Shoes in Düsseldorf gut verkäuflichen Nachschub für ihre Regale. Doch auch fünf Monate nach dem Ende des Lockdowns sucht die gesamte Branche vor allem den Weg zurück in die Normalität. Der Schuhhandel und mit ihm auch die deutsche Schuh- und Lederwarenindustrie zählen zu den größten Verliererinnen der Pandemie. Das zeigen die jetzt vorgestellten Halbjahresbilanzen.

Weil der Verkauf noch bis Mai wegen der Corona-Bedingungen in den Läden nur eingeschränkt möglich war, büßten die Schuhhändler in den ersten sechs Monaten 2021 auch im Vergleich zum bereits schlechten Vorjahres-Halbjahr weitere 21,5 Prozent an Umsatz ein, teilte der Bundesverband des Deutschen Schuheinzelhandels (BDSE) mit. Gegenüber dem Vorkrisenniveau von 2019 betrug das Minus des stationären Handels 44 Prozent. Damit erlitten die Schuhläden die zweitgrößten Einbrüche aller Einzelhandelsbranchen – noch härter erwischte es nur den Textilhandel. Bereits im ersten Corona-Jahr verloren die Schuh-Fachgeschäfte 1,7 Milliarden Euro Umsatz.

Seit Juni strömen die Kunden wieder in die Läden

Seit Juni strömen die Kundinnen und Kunden wieder in die Läden. Auch wenn die Onlineverkäufe sowohl der etablierten Plattformen wie Zalando & Co. als auch der noch auf den stationären Handel fokussierten Händler deutlich zugelegt haben, wollen die meisten Menschen neue Schuhe doch vorher anprobieren. „Der Nachholbedarf war groß, so dass im Juni ein zweistelliges Umsatzplus erzielt werden konnte“, sagte BDSE-Präsidentin Brigitte Wischnewski anlässlich des Branchentreffs bei der Gallery Shoes in Düsseldorf. Das verschaffe den Händlern bei der Liquidität und mit Blick auf die großen Lagerbestände etwas Erleichterung.

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Auch der Essener Schuhhändler Deichmann, mit mehr als 4000 Filialen die Nummer eins in Europa, hat sein Online-Geschäft während der Pandemie stark ausgebaut und will dieses Rad auch nicht mehr zurückdrehen: „Unser Online-Geschäft wächst weiter stark. Diese positive Entwicklung hält auch seit der Öffnung der Geschäfte nach dem Lockdown weiter an“, erklärte das Unternehmen auf Anfrage unserer Redaktion. Deichmann treibe seine Expansion im Onlinehandel weiter voran, glaube aber trotzdem „nach wie vor auch an unser stationäres Geschäft“. Die Läden würden wieder gut besucht, „die Umsätze entwickeln sich sehr erfreulich“, so das Familienunternehmen.

Heimische Schuhindustrie kommt besser durch die Krise

Zwar wird nur eines von zwanzig hierzulande verkauften Paar Schuhe noch in Deutschland gefertigt, doch auch die deutsche Schuhwaren- und Lederindustrie hat sehnsüchtig auf die Normalisierung der Einkaufsbestimmungen gewartet. Und offenkundig griffen die Kunden nach langer Abstinenz öfter als üblich nach den meist teureren Schuhen made in Germany: Der Inlands-Umsatz der deutschen Schuhhersteller stieg im ersten Halbjahr 2021 um 12,5 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro. Auch die Exporte zogen an – um 11,7 Prozent auf 257 Millionen Euro, teilte der Bundesverband der Schuh- und Lederwarenindustrie (HDS/L) am Montag mit.

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Wie der Handel sind auch die Hersteller noch weit entfernt von ihren Erlösen aus der Zeit vor Corona. Doch die verbliebenen deutschen Hersteller wie Salamander, Sioux oder Wortmann traf die Pandemie nicht so hart wie den Handel, weil sie im wichtigsten Segment der Freizeitmodeschuhe nicht mehr stark vertreten sind. Sie werden zum allergrößten Teil im Ausland produziert, vor allem in China und Vietnam – entsprechend spiegelte sich der Einbruch im Handel vor allem in geringeren Schuh-Importen wider.

Produktion weitgehend nach Asien abgewandert

In weniger preisempfindlichen Nischen wie Arbeitsschuhen, orthopädischen Produkten, Kinderschuhen wie die von Däumling und hochwertigen Sandalen etwa von Birkenstock behaupten sich deutsche Hersteller dagegen noch. So konnten die Produzenten von Sport-, Sicherheits- und Kinderschuhen ihre Absätze annähernd stabil halten, berichtet ihr Branchenverband. Dennoch kostete die Corona-Krise auch in der hiesigen Schuhindustrie weitere Arbeitsplätze: Die Zahl der Beschäftigten sank um rund 900 auf 14.600. In den 70er-Jahren haben vor der großen Abwanderung der Schuhproduktion gen Asien in Deutschland einst mehr als 130.000 Frauen und Männer Schuhe gefertigt.

Die Verwerfungen in der Pandemie schlugen sich auch in den Verbraucherpreisen nieder – die bleiben aufgrund der weggebrochenen Nachfrage stabil, Herren- und Damenschuhe waren sogar etwas günstiger zu haben. Dagegen zogen die Preise für Kinderschuhe erneut an – um 2,3 Prozent. Bei den Erzeugerpreisen deutscher Hersteller ging es für Sicherheitsschuhe nach oben.

Der Optimismus in der Branche wächst wieder

Auf die kommenden Monate blickt die Branche wieder optimistischer. Der BDSE geht davon aus, dass die Schuhgeschäfte die Umsatzverluste der ersten fünf Monate zu einem großen Teil wieder reinholen können. Was Handel wie Schuhindustrie am meisten fürchten, sind erneute Zwangsschließungen oder starke Corona-Einschränkungen. „Einen erneuten Lockdown würden die meisten Unternehmen des Schuheinzelhandels wohl nicht überleben“, warnt der BDSE. Der Verband der Schuhindustrie formuliert es nicht weniger dramatisch: Ein weiterer Lockdown wäre für die Hersteller in Deutschland „absolut existenzbedrohend“, so der HDS/L.