Essen/Berlin. Geld für Fernstraßen fließt meist nach Bayern, ergab Grünen-Anfrage an CSU-Minister Scheuer. „Kein Zufall, dass die Brücken in NRW kollabieren.“

Aus dem Bundesverkehrsministerium fließt weiter deutlich überproportional viel Geld in den Fernstraßenbau nach Bayern. Das ergab eine parlamentarische Anfrage der Grünen im Bundestag. Aus der Antwort des vom bayrischen CSU-Politiker Andreas Scheuer geführten Ministeriums geht hervor, dass wie schon 2018 und 2019 auch im vergangenen Jahr mehr als zwei Milliarden Euro (2,14 Milliarden) an den Freistaat gingen. Für den Ausbau der Bundesfernstraßen in NRW gab der Bund 1,66 Milliarden Euro. Nach dem Königssteiner Schlüssel, der die Aufteilung von Bundesmitteln an die Länder regelt, hätte es umgekehrt sein müssen.

Die tatsächlichen Ausgaben liegen zudem deutlich über dem eigentlich für den Fernstraßenbau vorgesehenen Etat, im vergangenen Jahr um rund eine Milliarde Euro. Bayerns Anteil an diesen Extra-Mitteln ist noch weit größer als am Gesamtbudget: Ein Drittel (323 Millionen Euro) floss nach Bayern, den Rest teilen sich die übrigen 15 Länder. Dieses zusätzliche Geld für Autobahnen und Bundesstraßen stammt aus Töpfen, die nicht ausgeschöpft wurden, etwa für den Radwegebau.

Geld aus anderen Töpfen umgeleitet

Dass diese kurzfristig frei werdenden Mittel besonders oft nach Bayern gehen, ist für den Grünen-Politiker Oliver Krischer kein Zufall: „Der Verkehrsetat des Bundes wird gezielt zur Machtsicherung der CSU in Bayern eingesetzt“, sagte Krischer unserer Redaktion, und: „Dass Bundesbrücken in NRW und Hessen und nicht in Bayern kollabiert sind, ist definitiv kein Zufall“. Die Grünen hatten auch nach dem Zustand der Brücken gefragt. Aus der Antwort geht hervor, dass in Bayern deutlich mehr Brücken Bestnoten erhalten als in den anderen West-Flächenländern NRW, Niedersachsen und Hessen.

Grünen-Verkehrspolitiker Oliver Krischer kritisiert die sehr bayernlastige Mittelvergabe der Bundesverkehrsminister.
Grünen-Verkehrspolitiker Oliver Krischer kritisiert die sehr bayernlastige Mittelvergabe der Bundesverkehrsminister. © dpa | Tim Brakemeier

Krischer betont, der starke Geldabfluss Richtung Bayern habe nichts damit zu tun, dass die Straßenbauverwaltung im Freistaat besser arbeite als in den anderen Ländern. Sondern: „Die CSU hat die Spielregeln mit Sonderprogrammen verändert und nutzt gezielt Geldreste aus anderen Töpfen, um Verkehrsprojekte in Bayern zu finanzieren.“

Die CSU stellt seit 2009 den Bundesverkehrsminister. In dieser Zeit haben sich die Bundesmittel für Fernstraßen in Bayern verdoppelt: 2010, im Jahr nach dem Amtsantritt von Peter Ramsauer, waren es 1,1 Milliarden Euro, kaum mehr als seinerzeit nach NRW gingen (994 Millionen). Die Ausgaben des Bundes sind seither um rund drei Milliarden Euro gestiegen – eine davon ging nach Bayern. Die größten Steigerungen gab es nach Bayern in NRW und Hessen, andere Bundesländer wie Rheinland-Pfalz oder Schleswig-Holstein erhalten heute kaum mehr Geld für ihre Bundesstraßen und Autobahnen als vor zehn Jahren.

Grüne: Laschet will sich nicht mit Söder anlegen

Krischer gibt dem Unions-Kanzlerkandidaten Laschet daran eine Mitschuld: „Armin Laschet als Ministerpräsident in NRW guckt diesem Treiben zu und lässt die Infrastruktur im eigenen Bundesland vergammeln, weil er sich nicht mit Markus Söder in diesem Punkt anlegen will“, sagt der Grünen- Fraktionsvize und Verkehrsexperte. Auch der SPD-Kanzlerkandidat und Bundesfinanzminister Olaf Scholz habe schweigend zugeschaut.

Die Grünen haben auch danach gefragt, bei welchen Spatenstichen für den Neubau oder Ausbau von Bundesfernstraßen Scheuer in dieser Legislatur zugegen war. Aus der Antwort des Ministeriums geht hervor, dass der CSU-Politiker fünf seiner acht Spatenstiche als Bundesverkehrsminister in Bayern gemacht hat. „Besonders viele Ortsumgehungen von Bundesstraßen werden in bayrischen Wahlkreisen gebaut, aus denen CSU-Promis kommen“, sagt dazu Grünen-Politiker Krischer.