Essen. Zwischenbilanz von Thyssenkrupp: Vorstandschefin Merz zeigt sich zufrieden mit dem Konzern-Umbau. Doch an der Börse wird der Konzern abgestraft.

Vorstandschefin Martina Merz sieht den angeschlagenen Essener Industriekonzern Thyssenkrupp bei der Sanierung auf einem guten Weg. „Die Zahlen zeigen, dass unsere zahlreichen Restrukturierungen und Maßnahmen bei der Performance greifen“, sagte Merz mit Blick auf die aktuelle Zwischenbilanz des Unternehmens, das mehr als 101.000 Menschen weltweit beschäftigt. „Die Richtung stimmt, wir sind gut unterwegs. Aber wir legen auch nach und lassen nicht locker“, betonte die Managerin, die seit Oktober 2019 Vorsitzende des Thyssenkrupp-Vorstands ist.

Vor wenigen Tagen hatte Thyssenkrupp den Verkauf des konzerneigenen Bergbaumaschinen-Geschäfts mit rund 3400 Beschäftigten an das dänische Unternehmen FLSmidth verkündet. Kurz darauf teilte der Vorstand zudem mit, auch für das Geschäft von Thyssenkrupp Infrastructure mit knapp 500 Beschäftigten sei ein neuer Eigentümer gefunden worden. Eine Beteiligungsgesellschaft aus Bremen übernimmt den Anbieter im Tief-, Hafen- und Spezialtiefbau. Vorstandschefin Merz sieht in den Verkäufen „wichtige Meilensteine“ beim Umbau von Thyssenkrupp.

Gespräche zum Verkauf des konzerneigenen Edelstahlwerks

Trennen will sich Merz auch vom konzerneigenen Edelstahlwerk im italienischen Terni (AST). Bei der nun vorgelegten Quartalsbilanz berichtet das Thyssenkrupp-Management von „konstruktiven Gesprächen mit mehreren Kaufinteressenten“, ohne Namen der Bieter zu nennen. Zum Edelstahlgeschäft von Thyssenkrupp gehören rund 2000 Arbeitsplätze. Der offizielle Sitz der Thyssenkrupp Stainless GmbH befindet sich in Essen.

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Im Tagesgeschäft profitiert der Revierkonzern davon, dass die Konjunktur nach der schweren Corona-Krise wieder angesprungen ist. Das macht sich positiv bei den Auftragseingängen und Umsätzen bemerkbar. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern (bereinigtes Ebit) im dritten Quartal des Geschäftsjahres 2020/2021 betrug Unternehmensangaben zufolge 266 Millionen Euro. Ein Jahr zuvor war noch ein Verlust in Höhe von 693 Millionen Euro angefallen. Zu der positiven Entwicklung hätten „nahezu alle Segmente mit ihren Ergebnisverbesserungen beigetragen“, heißt es in einer Mitteilung von Thyssenkrupp.

Thyssenkrupp-Werkstoffhandel profitiert von gestiegener Nachfrage

Von einer gestiegenen Nachfrage profitiert insbesondere der Thyssenkrupp-Werkstoffhandel Materials Services. Auch das Geschäft von Thyssenkrupp als Autozulieferer und Hersteller von Industriebauteilen legte deutlich zu. Die Sparte Marine Systems ist im Juli offiziell mit dem Bau von sechs U-Booten für Norwegen und Deutschland beauftragt worden – mit einem Auftragsvolumen von rund 5,5 Milliarden Euro.

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Die Stahlsparte mit ihren großen Standorten in NRW steigerte sich ebenfalls deutlich im Vergleich zum pandemiebedingt schwachen Vorjahr. Der Auftragseingang erhöhte sich Unternehmensangaben zufolge um 1,6 Milliarden auf 2,5 Milliarden Euro, der Umsatz um eine Milliarde auf 2,4 Milliarden Euro. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern (bereinigtes Ebit) lag bei 19 Millionen Euro – nach einem Verlust von 309 Millionen Euro im Vergleichszeitraum.

Positiver Ergebniseffekt in der Stahlsparte kommt erst zeitverzögert

Dass das Ergebnis beim Stahl vergleichsweise mager ausfällt, begründet Finanzchef Klaus Keysberg mit „längerfristigen Vertragsstrukturen“. Damit würden sich die gestiegenen Rohstoff- und Stahlpreise „erst zeitverzögert“ in der Thyssenkrupp-Bilanz bemerkbar machen.

Auswirkungen hatten seinen Angaben zufolge auch Produktionseinschränkungen, im Wesentlichen im Zuge einer Erneuerung des Hochofens 1 in Duisburg. Dass die Arbeiten gerade jetzt erfolgen, kommt für Thyssenkrupp zu einem unglücklichen Zeitpunkt, da die Nachfrage nach Stahl aktuell hoch ist. Der Termin habe längerfristig geplant werden müssen, betonte Keysberg. Im September soll der Hochofen wieder in Betrieb gehen, kündigte er in einer Telefonkonferenz an. „Der positive Ergebniseffekt kommt“, fügte der Finanzvorstand hinzu. Allerdings werde er bei Thyssenkrupp später zu sehen sein als bei der Konkurrenz.

Enttäuschung über Thyssenkrupp-Quartalszahlen an der Börse

An der Börse lösten die aktuellen Geschäftszahlen Enttäuschung aus. Kurz nach der Veröffentlichung der Quartalsbilanz rutschte die Thyssenkrupp-Aktie zeitweise um mehr als sieben Prozent ab.

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Während andere konjunkturabhängige Industriekonzerne zuletzt ihre Gewinnprognosen erhöht haben, bleibt Thyssenkrupp bei der bislang veröffentlichten Vorhersage. Trotz der Verbesserungen erwartet das Management unter dem Strich einen Jahresfehlbetrag von bis zu „einem mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Betrag“. Im Vorjahr war es noch gewaltiger Verlust von 5,5 Milliarden Euro. Auch im laufenden Geschäftsjahr fallen Unternehmensangaben zufolge insbesondere Aufwendungen für die Restrukturierung – etwa für Abfindungen – negativ zu Buche.

Der Revierkonzern hatte angekündigt, rund 12.000 Arbeitsplätze abzubauen. Davon seien bereits etwa 6900 Stellen gestrichen worden, berichtete Keysberg. Im aktuellen Geschäftsjahr, das bis Ende September läuft, wolle das Unternehmen im Zuge des laufenden Programms noch „eine kleine vierstellige Zahl“ abbauen. Ein Großteil der geplanten Einsparungen beim Personal solle bis zum Geschäftsjahr 2022/23 erfolgen.