Hagen. Die Flutschäden sind immens, der Bedarf an Handwerkern und Bautrocknern kann derzeit kaum gedeckt werden. Priorisiert wird nach Dringlichkeit.
Michael Strauchs Telefon steht selten still. Seit der Flutkatastrophe vor mehr als drei Wochen „kommen die Aufträge wie verrückt rein“, sagt der Inhaber der Hagener Best Sanierung. Die Warteliste sei immens. „Mich rufen sogar Menschen aus Erfstadt an, die händeringend nach Handwerkern und Bautrocknern suchen.“ Doch das Kontingent, das Michael Strauch anbieten kann, ist begrenzt. Denn auch sein Betrieb, der im Stadtteil Delstern liegt, wurde von der Flut hart getroffen. Die vielen Bautrockner, die dort gelagert waren: „Alle abgesoffen. Die hätten jetzt gut helfen können“, sagt er.
Die Geräte, die jetzt in allen betroffenen Gebieten dringend gebraucht werden, sind kaum noch zu bekommen. Jedenfalls nicht ohne lange Wartezeit. Denn benötigt werden sie überall, wo das Wasser war: In Kellern, Wohnhäusern, Betrieben, Schulen, Kitas, Bahnhöfen… „Das wird Jahre dauern, bis das alles abgearbeitet ist“, sagt Michael Strauch.
Handwerker über Wochen ausgelastet
Sobald ein Gerät verfügbar ist, gehe es gleich wieder raus, sagen auch Christos Largas und Toni Chatziantoniou, Filialleiter der Verleihfirma Boels Rental in Hagen. Bundesweit sind Filialen des Unternehmens vertreten, „wir haben von überall Bautrockner hergeschafft, um sie in die Flutgebiete zu bringen“, sagt Largas. Abgearbeitet werden die Anfragen nach und nach, doch jeder Trockner sei eben auch durchaus zwei Wochen und länger an einem Ort im Einsatz. „Je nachdem, wie groß die Räume und Gebäude sind.“ Auch die Bezirksregierung habe ausgeholfen: Die Hochwasserhilfe Hagen erhielt darüber einige Bautrockner, wie einer der Koordinatoren, Peter Mook, weiß. Die nächsten Wochen seien die aber alle schon verplant.
Handwerker waren auch vor der Flutkatastrophe schon sehr eingespannt, Baustoffe bereits durch Corona schwer zu kriegen – der Materialengpass habe sich nun weiter verschärft, sagt NRW-Handwerkspräsident Andreas Ehlert. Bereits im Frühjahr betrug die Wartezeit auf Handwerker meist mehrere Wochen, wie er sagt: Mehr als 13 Wochen waren es im Schnitt bei Zimmerern und Dachdeckern, rund zwölf Wochen bei Maurern, auf Heizungsbauer musste etwa zehn Wochen und auf Fliesenleger, Maler und Elektriker in der Regel knapp neun Wochen gewartet werden, sagt Ehlert. Wie die Lage jetzt ist, sei kaum zu sagen. Viele Handwerksunternehmen seien in erster Linie bei den von der Flut betroffenen Menschen, um dort zu helfen.
Dazu gehört auch der Komplettsanierer Polygonvatro mit Sitz in Olpe. Eine Auftragslage wie jetzt habe es in der 30-jährigen Firmengeschichte noch nicht gegeben, sagt Marketingleiter Florian Schönauer. „Das ist schon an der Belastungsgrenze.“
Priorisiert wird nach Dringlichkeit
Durch Corona habe es bereits Lieferschwierigkeiten bei Holz und Schutzkleidung gegeben, durch das Hochwasser fehle es nun generell an Materialien und Geräten wie Bohrmaschinen und Bautrocknern. „Das ist eine Herausforderung, die man versucht, zu bewältigen“, sagt Schönauer. Vor rund zwei Wochen habe das Großunternehmen, das in ganz Deutschland tätig ist, etwa 20.000 zusätzliche Trockner angeschafft. Im Einsatz seien sie alle, das gelte auch für die Mitarbeiter. Wo zuerst angepackt wird, entscheide sich nach Dringlichkeit. Auch das normale Tagesgeschäft gehe ja weiter, „Brände und andere Schäden passieren leider immer“.
Vieles laufe natürlich über die Versicherungen. Anrufe bekomme Polygonvatro aber auch von Betroffenen, die keine entsprechende Versicherung haben. „Wir versuchen, möglichst alle gleichzeitig zu bedienen – soweit das menschenmöglich ist“, sagt Schönauer. „Das hat ein Ausmaß angenommen, das wir so nicht kennen.“ Ähnlich handhabt es auch Michael Strauch mit seinem Sanierungsbetrieb: „Es ist egal, wer anruft – ich versuche, jedem zu helfen.“
Die meisten Betriebe entschieden nach Dringlichkeit, bestätigt Markus Kluft, Pressesprecher der Handwerkskammer Südwestfalen. Alles andere werde geschoben. Er appelliert, dass auch die Hersteller priorisieren sollten, um das Handwerk mit Ersatzteilen für Heizungen und andere Technikgeräte auszustatten: „Alle müssen mitspielen.“
>>HINTERGRUND<< Einige Handwerksbetriebe selbst betroffen
659 Betriebe haben sich an einer Umfrage der Handwerkskammer Dortmund zu den Folgen der Flut beteiligt. 15 Prozent gaben an, dass sie selbst betroffen seien: 14 Betriebe schwer und 10 extrem. Derzeit nicht arbeitsfähig seien auch 7 Betriebe aus Hagen.
Werkstätten und Materiallager seien vollgelaufen, Maschinen und Geräte unbrauchbar, Baustellen wurden zerstört. Die geschätzte Schadenshöhe reiche in Einzelfällen bis zu 80.000 Euro, die Ertragsausfälle stiegen mit jedem Tag.