Essen. Die Steag erwägt, Holzpellets statt Kohle im Kraftwerk Walsum zu verfeuern. In den Niederlanden betreibt RWE bereits Anlagen mit Biomasse.

Der Essener Energiekonzern Steag erwägt, statt Steinkohle künftig Holzpellets im Kraftwerk Duisburg-Walsum zu verfeuern. Eine Umrüstung des noch vergleichsweise jungen Steinkohlekraftwerks „auf einen CO2-ärmeren Brennstoff wie Erdgas oder einen CO2-neutralen Brennstoff wie Industriepellets“ habe die Steag bereits „intensiv geprüft“, erklärte das Unternehmen auf Anfrage unserer Redaktion. Die technische Machbarkeit dafür sei beim Kraftwerksblock „Walsum 10“ gegeben. Allerdings könne das Unternehmen derzeit „keine abschließende Aussage über die wirtschaftliche Tragfähigkeit einer Umrüstung“ der Anlage auf Industriepellets machen.

Der Essener Energiekonzern RWE setzt sogenannte Biomasse bereits im großen Stil in Kraftwerken in den Niederlanden ein. Die Rohstoffe, die verfeuert werden, stammen nach Angaben des Unternehmens aus nachhaltiger Forstwirtschaft. RWE verweist darauf, dass bei der Waldbewirtschaftung sowie in der Holz- und Papierindustrie Abfall anfällt, der in Kraftwerken genutzt werden könne – Baumschnitt, krumme oder morsche Bäume sowie Sägespäne beispielsweise. „Daraus werden Pellets für die Stromerzeugung produziert, die den niederländischen Anforderungen an Nachhaltigkeit entsprechen, den strengsten weltweit“, erklärt RWE. „Sie wurden von Natur- und Umweltorganisationen, Energieunternehmen und der Regierung erarbeitet und dann in Gesetze und Verordnungen aufgenommen.“

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Das 630-Megawatt-Kraftwerk in Amer betreibt RWE eigenen Angaben zufolge inzwischen zu 80 Prozent mit Biomasse. Beim noch größeren Steinkohlekraftwerk in Eemshaven liege der Biomasseanteil bei 15 Prozent. Ein weiterer Ausbau sei bereits vorgesehen. Die staatliche Förderung laufe bis zum Jahr 2027. „Wind- und Sonnenenergie werden die wichtigsten Quellen für erneuerbaren Strom“, betont RWE. „An Tagen, an denen Wind oder Sonne nicht ausreichen, um die Stromnachfrage zu decken, ist sogenannte regelbare Leistung notwendig, die möglichst CO2-frei sein sollte.“ Der Einsatz von Biomasse sei dafür eine Lösung.

US-Holzpellet-Lieferant Enviva nimmt Deutschland in den Blick

Unternehmen wie der US-Holzpellet-Lieferant Enviva haben die Bundesrepublik in den Blick genommen. „Deutschland ist für uns ein interessanter Markt“, sagt Enviva-Mitgründer Thomas Meth. „Wir befinden uns mit mehreren Energieversorgern im Gespräch, um die Möglichkeiten für eine Umstellung von Kohle auf Holzpellets auszuloten.“ Enviva habe eine Reihe von Kohlekraftwerken identifiziert, die sich nach einer Umrüstung für den Einsatz von Biomasse eignen würden. „Gerade in NRW gibt es Standorte, die noch auf Jahre gebraucht werden, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.“

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Durch einen Umstieg von Kohle auf Biomasse sei „eine schnelle Verringerung der CO2-Emissionen möglich“, hebt Meth hervor. „Im Vergleich zur Steinkohle ist eine Reduktion der CO2-Emissionen um 85 Prozent durch Biomasse möglich, bezogen auf Gas sind es 50 bis 60 Prozent.“

Frage nach gesellschaftlicher Akzeptanz

Bei Energieversorgern wird allerdings auch auf eine mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz der Biomasse-Verbrennung verwiesen. Die Steag erklärte auf Anfrage, die amtierende Bundesregierung habe ein vom Bundestag gefordertes Förderprogramm zur Umstellung von Kohlekraftwerken auf Gas oder Biomasse bisher nicht vorgelegt. Hinzu komme, dass derzeit nicht absehbar sei, ob insbesondere Holz auch künftig als bilanziell klimaneutraler Brennstoff eingestuft werde könne. „Eine mögliche Investitionsentscheidung hängt jedoch zwingend von einer verbindlichen Klärung dieser beiden Fragen ab“, heißt es bei der Steag.

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Skepsis gibt es auch bei der Berliner Energiewende-Denkfabrik Agora. Es sei fraglich, ob Biomasse nachhaltig sei, da deren Anbau mit einem erheblichen Flächenverbrauch einhergehe. Zudem entstünden durch die Verbrennung trotzdem erhebliche Emissionen, die durch den erneuten Anbau der Rohstoffe erst kompensiert werden müssten. Ob und in welchem Ausmaß dies tatsächlich geschehe, sei nicht immer zweifelsfrei festzustellen. Positiv äußert sich Agora allerdings zu Biomasse-Kraftwerke, die mit der Speicherung von Kohlendioxid im Untergrund kombiniert werden, in der Fachwelt CCS – Carbon Capture and Storage – genannt.

Steag hofft auf staatliche Förderung

Bei der Steag wird betont, es gebe ein hohes Potenzial zur Vermeidung von Treibhausgasen, wenn die Kohle als Brennstoff in den Kraftwerken durch holzartige Biomasse ersetzt werde. Vor dem Hintergrund der jüngst nochmals verschärften Klimaziele sei das Unternehmen gespannt auf die Vorschläge der künftigen Bundesregierung für mögliche Förderprogramme.

Derzeit rechne sich die Umrüstung für viele Energieversorger nicht, sagt Enviva-Manager Meth. „Wir hoffen, dass es künftig neue Förderrichtlinien gibt, um die Potenziale für CO2-Einsparungen zu heben.“ Es dauere erfahrungsgemäß rund zwei Jahre, ein bestehendes Kohlekraftwerk für den Einsatz von Biomasse umzurüsten. „Wir reden über Investitionen, die oft eine niedrige dreistellige Millionenhöhe erreichen“, gibt Meth zu bedenken. „Daher muss es eine langjährige Perspektive für den Betrieb der Anlage geben. Mehr als zehn Jahre sollten es schon sein.“